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Promovieren mit 59
Verfasst: 20.09.2025, 16:46
von Elektriker_8019
Hallo zusammen,
ich bin noch ganz neu hier in diesem Forum und habe schon einige sehr interessante Diskussionen verfolgt. Wirklich toll, dieses Forum

!
Nun aber zu meinen Fragen: Ich bin jetzt 59 Jahre alt, habe Elektrotechnik an einer technischen Universität studiert und dieses Studium mit Diplom abgeschlossen. Ich bin voll berufstätig und arbeite bei einem Energieversorger. Hier bin ich schon seit über 25 Jahren beschäftigt. Seit meinem Studium beschäftige ich mich mit Datenbanken, was auch in meiner Tätigkeit eine große Rolle spielt. Einige durchaus komplexe Datenbanken habe ich auch selbst entworfen. Als DV-Verantwortlicher habe ich in meiner Firma sehr gute Einblicke und Kontakte.
Ich hatte schon einmal kurz nach meinem Studium, ein Angebot von meinem Institut, dort zu promovieren. Das hab ich aber damals aus familiären Gründen nicht gemacht. Trotzdem beschäftigt mich dieses Thema seit vielen Jahren. Jetzt habe ich mir ein Herz gefasst und noch einmal über diese Angelegenheit, zu promovieren, nachgedacht. Und jetzt möchte ich das Thema wirklich ganz konkret angehen. Ich habe mir ein konkretes, praxisrelevantes Thema (Datenbanken, was sonst

) aus meinem beruflichen Umfeld gesucht und auch schon ein Exposee zu dem Thema entworfen. Auch einen potentiellen Betreuer an der Universität habe ich mir schon herausgesucht. Vor kurzem habe ich das Exposee und mein Anliegen auch einmal meinem Chef gegeben, da ich natürlich von meiner Firma auch Unterstützung benötige. Ich denke aber, dass das Thema auch für meine Firma interessant wäre und es eine win-win-Situation ist. Ich hoffe nun, dass ich von meinem Firma Unterstützung bekomme, da ich auch betriebliche Belange in der Dissertation untersuchen und darlegen würde.
Das Ganze reizt mich so sehr, dass ich am liebsten sofort anfangen würde. Aber ohne die Unterstützung meiner Firma wird es wahrscheinlich schwierig werden.
Nun möchte ich euch hier im Forum einmal anfragen, ob es jemanden gibt, der ähnliches erlebt hat, oder mir Tipps und Erfahrungen für meine Dissertation und das weitere Vorgehen geben könnte. Ist das überhaupt in meinem Alter noch realistisch? Auch Erfahrungsberichte von Leuten, die im gleichen Alter waren, interessieren mich sehr. Ich bin sehr gespannt auf Eure Nachrichten!
Herzlichen Dank für eure Mühe! Ich freue mich schon auf eure Antworten.
Re: Promovieren mit 59
Verfasst: 21.09.2025, 18:03
von dns
Ist das überhaupt in meinem Alter noch realistisch?
Ich wüsste wirklich nicht, was das Alter damit zu tun hat.
Ich hatte den Kern meiner Diss zwar im Rahmen einer Uni-Stelle entwickelt, das "eh nur Fertigschreiben" war dann aber nachher mein Privatvergnügen neben einem (völlig anderen) Vollzeitjob und kostete mich fast 2 Jahre. Das war echt die Hölle. Sich an Wochenenden und Abenden zum Schreiben zu motivieren, war unglaublich hart. Aber ich war in der üblicheren Doktoranden-Altersklasse Ende 20 und hatte diversen privaten Stress noch dazu.
In deinem Fall scheint es aber einen klaren Bezug zum eigentlichen Job zu geben, das wäre also eine ganz andere Situation. Schlaflose Nächte wegen Babygebrüll wirst du mutmaßlich auch keine haben. Ob das Thema überhaupt dissertationswürdig ist, muss man dann sowieso mit den Betreuern abklopfen. Unterstützung von der Firma ist jedenfalls wichtig, und sei es nur ein Gentlemen's Agreement, dass du einen gewissen Prozentsatz deiner Zeit für die Forschung verwenden kannst. Als Führungskraft wäre ich in so einem Fall sonst durchaus skeptisch, ob das nicht zuviel Ablenkung von der eigentlichen Arbeit ist. Ich hatte eine Mitarbeiterin, die eine Masterarbeit in so einem Rahmen geschrieben hat und dann immer wieder ermahnt werden musste, was ihre eigentlichen Prioritäten sind...
Re: Promovieren mit 59
Verfasst: 22.09.2025, 17:03
von Sabina
Ich bin auch nicht mehr ganz taufrisch. Nach meinem ersten Hochschulabschluss bin ich erst einmal in Richtung einschlägiger Fortbildung gegangen, hab dann beruflich Fuß gefasst, noch mehr Fortbildung und einen weiteren Hochschulabschluss draufgelegt und mich dann erst ans Promovieren gemacht.
Nur keine Hemmungen! Ich habe vor einigen Jahren einen Dr. kennengelernt, der hat erst mit Beginn seiner Rente begonnen zu promovieren, gerade weil der Aufwand nicht von Pappe ist und parallel zum Berufsleben eine deutliche Belastung darstellt. Für den Rest müsstest du eine geeignete Hochschule und einen geeigneten Betreuer finden und, vor allem mit Letzterem, alles Weitere abklären.
Re: Promovieren mit 59
Verfasst: 16.10.2025, 16:35
von teilchenphysik196
Ich habe mit Mitte 40 noch mal in der Uni gesessen und hatte mit 50 dann meine Dr-Urkunde in den Händen. Es war allerdings ein Optimum an Umständen:
- Wohlwollender, interessierter Arbeitgeber, der mir viele Freiheiten ließ
- Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten
- Keinerlei familiäre Verpflichtungen (Kinder, alte Eltern)
- Hauptjob mit moderater Arbeitsbelastung und null Dienstreisen
- Wohlwollender, unterstützender Ehepartner
- Promotionsthema mit direktem Bezug zu meinem Job
- Räumliche Nähe zu Uni und Bibliotheken
- Stets verfügbarer Arbeitstisch in der Bib
- Geräumiges Homeoffice
- Schreiben fällt mir leicht
- Extrem kooperativer Doktorvater
So wirklich empfehlen kann ich das eine nebenberufliche Promotion nicht. Es ist wahnsinnig anstrengend! Achte unbedingt darauf, dass das Fach, in dem Du promovieren willst, auch das Fach ist, in dem Du Deinen Uni-Abschluss gemacht hast. Als Mathematiker in Germanistik promovieren ist nahezu unmöglich, auch dann, wenn Du Jahrzehnte als Germanist gearbeitet hast. Schau Dir am besten die Prüfungsordnungen an.
Re: Promovieren mit 59
Verfasst: 19.10.2025, 18:36
von Elektriker_8019
Hallo zusammen,
vielen Dank erst einmal für Eure Antworten auf meine Fragen. Inzwischen bin ich einen Schritt weiter gekommen. Ich habe mit meinem Chef gesprochen und er steht der Sache positiv gegenüber. Und ich habe mir ein Herz gefasst und mein Exposé an zwei Professoren geschickt.
Der eine hat gleich geantwortet, dass er keine externe Promotion betreuen würde. Schade! Aber der andere hat noch nicht geantwortet.
Die Bedingungen sind fast so wie bei teilchenphysik196, also fast ideal. Manchmal bekomme ich auch Respekt vor meiner eigenen Courage, aber im Moment halte erst mal eisern an meinem Vorhaben fest.
Und ich habe wirklich Bock darauf, wissenschaftlich zu arbeiten!
Habt ihr noch andere Tipps oder Erfahrungen für mich?
Re: Promovieren mit 59
Verfasst: 28.10.2025, 11:15
von teilchenphysik196
Hi Elektriker,
man muss sich überlegen, dass wissenschaftliches Arbeiten eine besondere Kompetenz ist. Wissenschaftliches Schreiben ist anders als alltägliches Schreiben. Wissenschaftliches Argumentieren ist anders als alltägliches Argumentieren. Wissenschaftliches Lesen ist auch komplett verschieden von der Tätigkeit, die man allgemeinhin als "Lesen" kennt. Das alles müsstest Du Dir aneignen. Gibt es hierzu einen Plan?

Ich würde Dir dringend raten, hierzu Praxisseminare zu besuchen. Nur Ratgeberbücher helfen nur bedingt weiter.
Liebe Grüße
Teilchenphysik
Re: Promovieren mit 59
Verfasst: 11.11.2025, 23:27
von Elektriker_8019
Hallo zusammen,
ich bin wieder ein Stück weitergekommen. Ein Prof. hat mir geantwortet, aber er hat erst ab (vorr.) nächstem Jahr Zeit, eine externe Promotion zu betreuen. Allerdings ist an seinem Lehrstuhl nur eine kumulative Diss möglich. Mit mindestens 4 Veröffentlichungen in ausgewählten Journals, und damit in Englisch

. Zunächst dachte ich, dass diese "Salami-Taktik" mit mehreren mehr oder weniger abgeschlossen Storys ganz ok ist. Aber der Aufwand ist wahrscheinlich doch relativ hoch.
Könnt Ihr mir kurz ein Feedback geben:
a) ob Ihr die kumulative Disss empfehlen könnt und
b) etwas zum grundsätzlichen Prozess so einer Paper-Erstellung, -Korrektur und Veröffentlichung.
c) Zeitrahmen Monografie vs. kumulative Diss. (Dauer in etwa?)
Da könnte ich mir so bisschen ein Bild machen, auf was ich mich einlasse.
Vielen Dank für Eure Mühe und Eure Ratschläge!
Re: Promovieren mit 59
Verfasst: 12.11.2025, 09:49
von Aguti
Im MINT-Bereich ist es zunehmend üblich, dass kumulativ promoviert wird. Die klassische Monografie ist dort selten geworden. Daher ist die Aussage des Profs durchaus nachzuvollziehen.
Der größte Nachteil der kumulativen Promotion sind die Feedbackschleifen und Überarbeitungen durch die Reviews. Das ist schwer planbar. Es kann alles recht fix gehen mit den Rückmeldungen, es gibt aber auch nicht wenige Fälle, in denen man monatelang auf die Reviews wartet und dann noch viele Änderungen umsetzen muss. Die kumulative Diss ist aus meiner Sicht schwerer planbar, weil da so viele andere die Finger drin haben. Ein Vorteil ist jedoch, dass man schon während der Promotionszeit veröffentlicht und die Publikationsliste stetig wächst.
Ob das für dich persönlich sinnvoll ist, musst du selbst abwägen. Und überleg dir auch, ob du das entsprechende Level hast, um auf Englisch wissenschaftlich zu schreiben.