ich lese hier schon länger mit und muss mir mal was von der Seele schreiben. Ich bin gerade in der Endphase meiner Promotion und habe in letzter Zeit, neben dem Stress das Ding fertigzuschreiben, auch sehr viele Zukunftssorgen.
Ich habe immer schon mit dem Gedanken gespielt, in der Wissenschaft bleiben zu wollen, es war immer mein jahrelanger Traum einmal eine Professur zu haben, aber zur Zeit habe ich häufig ziemlich negative Gefühle deswegen, vor allem in der Art „es wird doch eh nicht funktionieren“, oder „du passt da einfach nicht dazu“.
Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, bin ich mittlerweile schon ziemlich überzeugt davon, dass es mit der Wissenschaft nichts wird, weil es ja so viele wollen und es in meinem geisteswissenschaftlichen Fach einfach nicht genügend Stellen gibt, und ich es eben aus Gründen gar nicht schaffen kann, gar nicht dazu passen kann.
Die Punkte/ Gedanken, die mich am meisten runterziehen:
- Ich bin wahrscheinlich nicht schlecht in dem, was ich mache, habe auch schon ein bisschen was veröffentlicht, auf Konferenzen vorgetragen, schon einige Stipendien und Fellowships bekommen, aber auch mindestens genauso viele Absagen. Es gibt definitiv Leute, die besser und erfolgreicher sind als ich, aber wohl auch ein paar, die schlechter aufgestellt sind.
- Ich bin in kein Projekt involviert und arbeite nicht direkt an einem Lehrstuhl mit. Ich bin zwar gut auf Doktorandenebene vernetzt, aber fühle mich grundsätzlich etwas isoliert und habe kaum Kontakte auf Professorenebene (außer meinen Betreuern natürlich).
- Ich komme aus einem absolut nicht-akademischen Umfeld (Arbeiterkind
- Ich arbeite sehr interdisziplinär und fühle mich dadurch oft zwischen den Stühlen.
- Mir ist die Grundstimmung in meinem Fach, die von einigen Protagonisten getragen wird, einfach zuwider. Es gibt auch Ausnahmen, aber viele sind einfach so sehr von sich selbst überzeugt, kommen sich so großartig vor und lassen keine anderen Meinungen, keine Kritik, keine Diskussion zu. Dabei ist das Fach so klein und für die gesamte Gesellschaft unbedeutend, jedenfalls so, wie diese alle es betreiben. Es ist wie eine Twitter-Bubble, die sich ständig selbst abfeiert und in der sich jeder gegenseitig auf die Schultern klopft, ohne diese Bubble jemals zu verlassen. Es widert mich wirklich an, wie selbstgefällig der Großteil ist.
- Auch auf Doktorandenebene tun sich vor allem die hervor, die gut netzwerken können, was sehr oft in schlimme Schleimereien und „sich jedem Prof an den Hals werfen“ ausartet. Manche machen das so gut, dass ich mir sicher bin, dass sie es in der Wissenschaft „schaffen“ werden; ganz im Gegensatz zu mir, da ich so was weder kann, noch will (oder vielleicht will ich es ja eigentlich auch, und kann es nur nicht) und mir tatsächlich auch die Gelegenheiten dazu fehlen. Ich bin ehrlicherweise ganz schön neidisch auf diese Netzwerk-Profis, weil sie immerhin an ihr Ziel kommen werden.
Ich habe sehr große Freude am Forschen, am Schreiben, an der Arbeit mit Studierenden, an Konferenzen und am Austausch (weil es dort auch immer die Ausnahmen der oben beschriebenen Fälle gibt, und die mag ich sehr).
Gerade bin ich etwas am Verzweifeln mit meiner Doktorarbeit, aber an guten Tagen finde ich auch gut, was ich da mache. Ich habe auch schon einige Ideen für danach; noch nichts ist ausgereift, aber bei manchen Plänen spüre ich ein richtiges Kribbeln, dass ich wirklich Bock darauf hätte. Manchmal denke ich, dass nur ein Job in der Wissenschaft meine Neugier und meinen Spaß immer mehr dazuzulernen befriedigen kann (so eine Kombination an Forschung, Lehre, Lernen, Austausch gibt es halt sonst nirgends).
Wenn ich daran denke, die Wissenschaft zu verlassen, könnte ich eigentlich sofort losheulen; allerdings glaube ich wegen der oben beschriebenen Gründe auch, dass ich woanders besser aufgehoben wäre, weniger zweifeln und verzweifeln würde, sondern vielleicht sogar wirklich was erreichen.
Vielleicht wäre es auch wirklich besser für mich persönlich, nicht zu bleiben. So nach dem Motto „lieber ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende“.
Tut mir leid für diese Menge; es musste alles dringend raus.
Ich würde gerne eure Meinungen dazu hören. Geht’s denn noch jemandem so?
Liebe Grüße