Hm, interessante Frage! Also ich würde sagen, ich war durchaus auch mal glücklich während der Diss und wegen der Diss, aber das war eher selten.

Am glücklichsten war ich dann, wenn alle Rahmenbedingungen gepasst haben (hier mein persönliches Optimum herauszufinden, hat einige Zeit gebraucht), wenn ich im Forscher- oder Schreib-Flow war, wenn ich nach tagelangem Hirn-Zermartern etwas verstanden habe, wenn ich wusste, ich darf gerade etwas tun, das mir richtig Spaß macht: Lesen, Forschen, Denken, Schreiben!
Zu den Rahmenbedingungen:
- Eine Rolle könnte spielen, ob du eher der Vollzeit-eine-Sache-Typ bist (also die Diss und nur die Diss ohne viel Ablenkung) oder ob es dir insgesamt besser geht, wenn die Diss nur eines von mehreren Themen deines Alltags ist. Mir z.B. ging es rückblickend in der Zeit am schlechtesten, als ich Vollzeit für die Diss Zeit hatte, da trat ich geistig auf der Stelle, überforderte mich mit dem selbst gesetzten Anspruch, 40 h / Woche an der Diss sitzen zu müssen wie ein normaler Arbeitnehmer, und war frustriert, wenn es mit der Diss nicht lief, weil es keinen Ausgleich gab und ich den Diss-Frust nicht mit positiven Erlebnissen in anderen Bereichen auffangen konnte. Am besten lief es für mich in der Phase, als ich neben einer halben Stelle pro Woche an der Diss gearbeitet habe, aber das ist individuell verschieden, deshalb sollte man das für sich rausfinden.
- Wo liegt meine Leistungsgrenze? Wie viele Stunden konzentrierter Arbeit schaffe ich sinnvollerweise am Tag und in der Woche? Wann brauche ich Pausen, und wie gelingt es mir, die so rechtzeitig mit einzuplanen, dass ich nicht erst heiß laufe und dann zusammenbreche, weil ich es übertrieben habe? (Große Gefahr, wenn es mal läuft: dass man nicht rechtzeitig aufhört!). Gelingt es mir, mich gleichzeitig als mein eigener Chef und als mein eigener Angestellter zu sehen, bin ich in der Lage, mir selbst freie Tage, Urlaub, Feierabende etc zu erlauben? Wie finde ich die für mich richtige Balance zwischen Diss und Freizeitleben, zwischen Forscherkonzentration und sozialen Kontakten? Natürlich gibt es Zeiten, in denen die Diss mehr Raum einnimmt als in anderen, z.B. in den Monaten vor der Abgabe. Auch da hat es mir aber sehr geholfen, einmal die Woche zum Tanzkurs zu gehen für 2 h etwas völlig anderes zu machen.
- Sinnvolle Eingrenzung der Dauer einzelner Arbeitsschritte und der Diss insgesamt. Im Rückblick würde ich viel mehr als jetzt Zwischenziele definieren und das Weitergehen in eine Richtung auch mal abbrechen, wenn die von mir selbst gesteckte Zeit dafür um ist und auch mit einer kurzen Verlängerung kein Ende in Sicht ist. So korrigierst du Irrwege schneller und kontrollierst den Fortgang der Diss, statt dich von ihr fremdbestimmen zu lassen.
Auch wenn das nicht deine Frage war, will ich doch kurz bemerken, dass bei diesem Satz meine Alarmglocken geschrillt haben:
Ich frage, weil ich meine Masterarbeit zwar mit sehr gut abgeschlossen habe, aber glücklich war ich dabei fast nie.
Meines Erachtens ist das Schreiben der Examensarbeit der beste Gradmesser, wie gut man nachher mit einer Diss zurechtkommt. Wenn dir das schon keinen Spaß gemacht hat, frage ich mich, warum du überhaupt promovieren willst? Ich hatte tatsächlich großen Spaß beim Schreiben meiner Examensarbeit (neben den Tiefs, die es auch gab

) und wollte diese Zeit des freien Forschens mit einer Diss wiederholen und intensivieren, das lese ich bei dir nicht raus.
Was du weiter schreibst (nicht nur Leistung bringen, auch glücklich sein), lässt mich auch ein wenig zweifeln, ob eine Promotion wirklich der richtige nächste Schritt für dich ist. Vielleicht kann man es tatsächlich schaffen, diese Zeit auch zu einem weitaus größeren Teil zu genießen, als ich das von meiner Promotionszeit sagen würde (da waren vielleicht 10% "glücklich")... Ich bin schon froh, dass ich es durchgezogen habe, aber nach dem Abschluss habe ich mich manchmal gefragt, ob das wirklich sein musste.
Überleg's dir gut! Ich finde wichtig und richtig, dass du dir solche Fragen stellst, vielleicht ist das ja schon die halbe Miete, um nicht so naiv in dieses Großprojekt hineinzustolpern, wie es viele (incl. mir) gern tun.
