musicus hat geschrieben:Ich werfe noch mal eine andere Idee ein: für mich kann es nicht sein, daß diese ganzen Fälle ohne Wissen oder Duldung der Gutachter passiert sind. Könnte es nicht sein, daß diese selbst nicht genau wissen, was man wie und warum direkt oder indirekt zitiert und was korrekte wissenschaftliche Methodik ist, weil sie sich darüber selbst noch nie Gedanken gemacht haben
Das glaube ich kaum. Ich vermute als Hintergrund weiterhin eher eine langfristige Betrachtung nach dem Motto "Man kennt sich, man hilft sich". Selbst wenn die erwischten bzw. in Diskussion stehenden Politiker zum Zeitpunkt der Anfertigung ihrer Promotionen noch nicht in besonders hohen Positionen waren, so war doch für halbwegs vorausschauende Doktorväter u.a. meist schon absehbar, dass sie Berufspolitiker werden würden. Das bedeutete nach der Lesart vor guttenplag etc.:
1.) Früher oder später würden sie mit höherer Wahrscheintlichkeit Einfluss auf Hochschulfragen/Fördermittel etc. haben, so dass es gut sein könnte, sie zu kennen und gewogen zu halten - und zwar nicht nur für Erst- und Zweitgutachter, sondern auch für die ganze Fakultät.
2.) Da Politiker normalerweise keine Habil. machen, wurde auch ihre Diss kaum je wieder zur Hand genommen - außer von besonders gründlichen Journalisten.
Das heißt: Es tut nicht besonders weh, so einer Person zu helfen (die wollen ja sicher nicht in den Wissenschaftsbetrieb), kann aber nützlich sein.
Ich persönlich habe im Zuge meiner Ausbildung mitbekommen, wie ein damaliger Parteijugend-Aktivist Stufen seiner Ausbildung in einer RA-Kanzlei absolvierte. Jeder wußte, dass er Politiker werden will, dass man nicht zuviel Engagement von ihm verlangen darf (kann?) - und so wurde er dann auch behandelt. (Er hat übrigens nicht promoviert, hab' gerade extra nochmal nachgeschaut.)
Heute ist er "planmäßig" MdB. Es kann sicher nicht schaden, so einen Menschen zu kennen - die Rechnung der Kanzlei wird aufgegangen sein, jedenfalls schon unter Kontakt-Gesichtspunkten. Allein die Gutachten-Aufträge, über die solche Leute - für welche Einrichtungen auch immer - entscheiden, und die kaum kontrollierbar sind, sind schon nett und laufen für Hochschullehrer sogar ganz legal als Nebentätigkeit.
Warum sollte das an der Uni anders gesehen werden?
Was meinst Du, wie verbunden dir ein Vater ist, dessen Tochter du kräftigst zur Promotion verholfen hast?
Sebastian