Hallo Leute,
ich werde mich mal outen: ich bin einer derjenigen, der seinen Doktortitel regelmäßig benutzt und zwar im beruflichen Umfeld. Ich bin Rechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei, und hier ist ein Dokrortitel - ich habe meinen seit 2 1/2 Jahren - sowohl finanziell als auch für die Mandantenakquise ein echter Vorteil. Für die Mandanten ist es ein Qualitätsnachweis, wenn ihr Anwalt in seinem Fachgebiet promoviert hat. Deshalb stelle ich mich normalerweise mit meinem Doktortitel vor, mache in der Regel aber klar, dass ich in der Anrede nicht auf ihm bestehe. Gerade telefonisch ist dies meist gar kein Problem, da man als Anrufer - gerade bei der ersten Kontaktaufnahme - fast immer zunächst bei einem Sekretariat, beim Empfang oder einer Geschäftsstelle landet. Hier stelle ich mich dann unter "Firma ABC, Rechtsanwalt Dr. Roberto" vor, was dann grundsätzlich so weitergegeben wird. Wenn ich dann weiterverbunden werde, melde ich mich nur noch mit meinem Nachnamen. So vermeide ich die oben diskutierte peinliche Situation, mich evtl. von einem ebenfalls Promovierten mit "Dr." anreden zu lassen; trotzdem weiß mein Gesprächspartner, dass ich einer bin. Im persönlichen Gespräch läuft das ähnlich, hier übernimmt meine Sekretärin das mit Dr. vorstellen automatisch, indem sie Mandanten etwa mit den Worten empfängt: "... ich sage Herrn Dr. Roberto Bescheid, dass sie da sind..." - o.ä. Dann kann ich ganz entspannt bei der ersten Begrüßung nur meinen Nachnamen nennen.
Es kommt aber auch vor - allerdings selten -, dass ich nicht freiwillig auf die Anrede mit Dr. verzichte, mich also grundsätzlich weiter mit Dr. melde. Das kommt insbesondere vor, wenn ich mit den Gegnern meiner Mandanten spreche. Hier sorgt der Doktortitel für eine gewisse förmliche Distanz, die zum Teil sehr hilfreich sein kann (und wenn sich der Gegner eingeschüchtert fühlt, kann das manchmal auch nicht schaden... ). Das ist aber wie gesagt die Ausnahme.
Unnötig zu sagen, dass auch auf meinen Visitenkarten der Dr. steht.
Privat nutze ich den Titel übrigens ganz selten (und wenn, auch nur in der oben beschriebenen Weise, also nur beim ersten Nennen am Telefon - das sind dann meist "Nahkampfsituationen", wie Sebastian das nennt). Der Dr. steht bei mir weder an der Klingel, noch im Perso oder im Pass.
Ich fände es aber auch völlig okay, wenn jemand auch privat seinen Titel einbringt. Ich finde jeder, der eine Diss hingekriegt hat, kann stolz darauf sein und den Titel dann auch führen. Ist halt nur nicht so mein Ding im privaten Umfeld oder unter Kollegen, was ja anscheinend den meisten hier so geht. Aber ein richtig oder falsch gibt es hier m.E. nicht! Es gibt hier einfach verschiedene Vorlieben und oftmals ist auch der regionale oder berufliche Brauch entscheidend. Mit Neid einerseits oder Angeberei andererseits hat das ganze meiner Meinung nach eher selten zu tun.
Beste Grüße
Roberto