Das kann ich alles 1:1 bestätigen.oclock hat geschrieben: 13.02.2025, 10:54 .
* Seit Corona gehen auch die Besucherzahlen der Präsenzveranstaltungen extrem nach unten. Ich halte Vorlesungen vor teilweise 5-6 Personen, obwohl 40-60 eingeschrieben sind.
* Hier und da gibt es mal einen smarten/wissbegierigen/lernfähigen Studenten, der dann leider nicht ausreichend gefördert wird. Die langweilen sich dann während des Studiums.
* Meine Durchfallquoten sind, trotz extrem leichter Klausuren (mehrfach von Kollegen und Mitarbeitern bestätigt), irgendwo zwischen 60-80%.
Ich schäme mich teilweise für das Niveau unsere Absolventen und frage mich, wie die mal den Standort Deutschland nach vorne bringen sollen?
Diese frustrierenden Erfahrungen haben bei mir dazu geführt, dass ich mein Engagement in der Lehre stark zurückgefahren habe und in den Vorlesungen nur noch "Dienst nach Vorschrift" mache.
Leider ziehen wir (die Kollegen) nicht alle an einem Strang. Einige Kollegen sind bekannt für leichte Klausuren/gute Noten gehen nach Möglichkeit zu ihnen, um eine gute Note für wenig Aufwand zu erhalten.
Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
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Re: Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Re: Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Ich möchte auch gerne mal die andere Seite beleuchten...
Ich habe letztes Jahr mein Masterstudium abgeschlossen. Nach meinem Abitur wollte ich unbedingt studieren, weil ich mich immer für MINT interessiert habe. Ich habe dann sehr naiv ein Bachelorstudium an einer großen deutschen Universität angefangen. Damit fing der ganze Schlamassel an...
Ich habe mich sehr schnell in einem Massenstudiengang mit über 300 Studierenden wiedergefunden. Die Vorlesungen waren überlaufen, und die Professoren waren alt und hatten sehr konservative Werte – zum Beispiel dazu, wie sich Studierende zu kleiden hätten. Ihrer Meinung nach sollten wir in Bluse und Strickpullover erscheinen, da wir als zukünftige Akademiker nicht mit Sneakern, Jeans und Sweatshirtjacken herumlaufen könnten. In den Testaten für die Praktika wurde nicht überprüft, ob wir uns auf den Versuchstag im Labor vorbereitet hatten und inhaltlich verstanden haben, was und warum wir etwas tun. Stattdessen wurde gezielt versucht, Studierende aus dem Studium zu drängen.
Es bestand folgendes Problem: Die Universität musste laut Kapazitätsberechnung 300 Studienplätze anbieten. Es gab jedoch nicht genug Plätze in höheren Semestern (es fehlte an Labormaterial und Personal für die Lehre). Wir wurden von Anfang an darauf gedrillt, uns mit unseren Kommilitonen zu vergleichen und uns darüber zu freuen, wenn andere ihr Studium abbrechen mussten (→ Wer hat die besten Noten? Wie viele Studierende sind noch eingeschrieben? Wie viele müssen noch ausgesiebt werden?). Dieses hyperkompetitive Umfeld hat nicht gerade zum sozialen Miteinander unter den Studierenden beigetragen. Gleichzeitig mussten wir uns von den Dozenten ständig anhören, wie dumm, unfähig und wertlos wir doch seien.
Eine Professorin hat in ihren Praktika regelmäßig Studierende, die das Testat nicht bestanden hatten, nach vorne geholt und sie dann vor dem gesamten Kurs angeschrien, wie sie es wagen könnten, unvorbereitet zu ihrem Kurs zu kommen. Einige Kommilitonen wurden sogar von ihr mit dem Schlüsselbund beworfen. Psychische Gewalt und Erniedrigung waren bei uns völlig normal.
Als es in den höheren Semestern und im Masterstudium um die Verteilung von Praktikumsplätzen und Abschlussarbeiten ging, gab es keine zentrale Vergabe. Uns wurde gesagt, wir sollten uns per E-Mail bei den Professoren bewerben. Diese haben sich dann einige wenige Studierende herausgepickt, und der Rest wurde sich selbst überlassen. Diskriminierung und Ausbeutung während der Praktika und Abschlussarbeiten waren eher der Normalzustand. Auch waren die Doktoranden massiv überlastet, und die Betreuung war entsprechend mangelhaft. Zudem habe ich festgestellt, dass viele Professoren und Privatdozenten – wie hier berichtet: viewtopic.php?t=8363 – weder über Fähigkeiten im Projektmanagement verfügen noch Verantwortung für fehlgeschlagene Projekte übernehmen. Stattdessen werden solche Misserfolge notentechnisch gerne auf Studierende und Promovierende abgewälzt.
Meine Erkenntnis aus drei Jahren Bachelor- und zwei Jahren Masterstudium ist, dass sich Leistung an Universitäten nicht lohnt. Studierende werden in MINT-Fächern gerne für die Forschung im Rahmen ihrer Laborpraktika und Abschlussarbeiten ausgebeutet. Promovierende werden zusätzlich noch für die Lehre ausgenutzt. Als Studierender ist man für die meisten Professoren nur ein Ärgernis, eine Belastung und eine kostenlose Arbeitskraft. Für Universitäten ist man lediglich ein Mittel zum Zweck, um staatliche Gelder für die Hochschulfinanzierung zu erhalten.
Ich möchte nicht ausschließen, dass es auch Professoren gibt, die sich sehr engagiert für die Lehre einsetzen und gut mit ihren Studierenden umgehen. Genauso wenig würde ich behaupten, dass sicherlich nicht jeder Studierende motiviert ist, fleißig lernt und Interesse daran hat, sich in Seminaren einzubringen. Aber als motivierte Absolventin des deutschen akademischen Systems bin ich zutiefst enttäuscht und schockiert über die Zustände an Universitäten.
Ich kann daher einen Teil der geäußerten Kritik durchaus nachvollziehen und sehe es sehr ähnlich. Gleichzeitig möchte ich jedoch auch die andere Seite der Medaille beleuchten, die leider nicht viel besser ist.
Ich hab mir jetzt einen Job in der Industrie gesucht, obwohl mich eine Promotion und die Forschung wirklich sehr interessiert hätte. Aber das System ist halt kaputt und um nichts in der Welt würde ich mir nochmal die psychische Gewalt und das toxische Arbeitsklima an Unis antun.
Ich habe letztes Jahr mein Masterstudium abgeschlossen. Nach meinem Abitur wollte ich unbedingt studieren, weil ich mich immer für MINT interessiert habe. Ich habe dann sehr naiv ein Bachelorstudium an einer großen deutschen Universität angefangen. Damit fing der ganze Schlamassel an...
Ich habe mich sehr schnell in einem Massenstudiengang mit über 300 Studierenden wiedergefunden. Die Vorlesungen waren überlaufen, und die Professoren waren alt und hatten sehr konservative Werte – zum Beispiel dazu, wie sich Studierende zu kleiden hätten. Ihrer Meinung nach sollten wir in Bluse und Strickpullover erscheinen, da wir als zukünftige Akademiker nicht mit Sneakern, Jeans und Sweatshirtjacken herumlaufen könnten. In den Testaten für die Praktika wurde nicht überprüft, ob wir uns auf den Versuchstag im Labor vorbereitet hatten und inhaltlich verstanden haben, was und warum wir etwas tun. Stattdessen wurde gezielt versucht, Studierende aus dem Studium zu drängen.
Es bestand folgendes Problem: Die Universität musste laut Kapazitätsberechnung 300 Studienplätze anbieten. Es gab jedoch nicht genug Plätze in höheren Semestern (es fehlte an Labormaterial und Personal für die Lehre). Wir wurden von Anfang an darauf gedrillt, uns mit unseren Kommilitonen zu vergleichen und uns darüber zu freuen, wenn andere ihr Studium abbrechen mussten (→ Wer hat die besten Noten? Wie viele Studierende sind noch eingeschrieben? Wie viele müssen noch ausgesiebt werden?). Dieses hyperkompetitive Umfeld hat nicht gerade zum sozialen Miteinander unter den Studierenden beigetragen. Gleichzeitig mussten wir uns von den Dozenten ständig anhören, wie dumm, unfähig und wertlos wir doch seien.
Eine Professorin hat in ihren Praktika regelmäßig Studierende, die das Testat nicht bestanden hatten, nach vorne geholt und sie dann vor dem gesamten Kurs angeschrien, wie sie es wagen könnten, unvorbereitet zu ihrem Kurs zu kommen. Einige Kommilitonen wurden sogar von ihr mit dem Schlüsselbund beworfen. Psychische Gewalt und Erniedrigung waren bei uns völlig normal.
Als es in den höheren Semestern und im Masterstudium um die Verteilung von Praktikumsplätzen und Abschlussarbeiten ging, gab es keine zentrale Vergabe. Uns wurde gesagt, wir sollten uns per E-Mail bei den Professoren bewerben. Diese haben sich dann einige wenige Studierende herausgepickt, und der Rest wurde sich selbst überlassen. Diskriminierung und Ausbeutung während der Praktika und Abschlussarbeiten waren eher der Normalzustand. Auch waren die Doktoranden massiv überlastet, und die Betreuung war entsprechend mangelhaft. Zudem habe ich festgestellt, dass viele Professoren und Privatdozenten – wie hier berichtet: viewtopic.php?t=8363 – weder über Fähigkeiten im Projektmanagement verfügen noch Verantwortung für fehlgeschlagene Projekte übernehmen. Stattdessen werden solche Misserfolge notentechnisch gerne auf Studierende und Promovierende abgewälzt.
Meine Erkenntnis aus drei Jahren Bachelor- und zwei Jahren Masterstudium ist, dass sich Leistung an Universitäten nicht lohnt. Studierende werden in MINT-Fächern gerne für die Forschung im Rahmen ihrer Laborpraktika und Abschlussarbeiten ausgebeutet. Promovierende werden zusätzlich noch für die Lehre ausgenutzt. Als Studierender ist man für die meisten Professoren nur ein Ärgernis, eine Belastung und eine kostenlose Arbeitskraft. Für Universitäten ist man lediglich ein Mittel zum Zweck, um staatliche Gelder für die Hochschulfinanzierung zu erhalten.
Ich möchte nicht ausschließen, dass es auch Professoren gibt, die sich sehr engagiert für die Lehre einsetzen und gut mit ihren Studierenden umgehen. Genauso wenig würde ich behaupten, dass sicherlich nicht jeder Studierende motiviert ist, fleißig lernt und Interesse daran hat, sich in Seminaren einzubringen. Aber als motivierte Absolventin des deutschen akademischen Systems bin ich zutiefst enttäuscht und schockiert über die Zustände an Universitäten.
Ich kann daher einen Teil der geäußerten Kritik durchaus nachvollziehen und sehe es sehr ähnlich. Gleichzeitig möchte ich jedoch auch die andere Seite der Medaille beleuchten, die leider nicht viel besser ist.
Ich hab mir jetzt einen Job in der Industrie gesucht, obwohl mich eine Promotion und die Forschung wirklich sehr interessiert hätte. Aber das System ist halt kaputt und um nichts in der Welt würde ich mir nochmal die psychische Gewalt und das toxische Arbeitsklima an Unis antun.
Re: Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Ist es denn an FHs so viel anders? Klar, wird an FHs anwendungsbezogen ausgebildet. Absolventen sollen anschließend in der Industrie eine Stelle annehmen. Aber die Studienbedingungen dürften vermutlich ziemlich ähnlich sein (bis auf das ganze "Ihr seid Akademiker und was besseres, kleidet und benehmt euch auch so" Gehabe von den Professoren).mashdoc hat geschrieben: 16.02.2025, 17:44 Du beschreibst die Verhältnisse an manchen Massenuniversitäten. Hier geht es um FH.
Die Hochschulfinanzierung dürfte aber genauso funktionieren. Hier wurde ja schon genannt, dass man, um die Auslastung von FHs zu gewährleisten mittlerweile jeden nimmt auch wenn die Person praktisch nicht die Studierfähigkeit besitzt.
Ich möchte damit nur sagen, dass auch Studierende nicht unbedingt glücklich mit den Studienbedingungen sind und auch eine ganze Menge Mist ertragen müssen, der das System so mit sich bringt.
Ich wäre froh gewesen wenn wir weniger Studierende gewese wären und man sich wirklich mit uns beschäftigt hätte, anstatt nur den Frust an uns abzureagieren. Ich verstehe, dass es für Professoren sicher auch frustrierend sein muss wenn Studierende nicht die Fähigkeiten besitzen oder den Willen haben zu lernen. Das Problem ist, dass man schon als Schüler nicht das vermittelt bekommt was man eigentlich wissen müsste. In meiner Schulzeit gab es regelmäßig Unterrichtsausfälle, Schüler die den Unterricht gestört haben, ein sehr heterogenes Leistungsniveau und sehr viel Diskriminierung. Schüler aus sozial schwachen Schichten hatten praktisch keine Chance. Egal wie fähig sie waren. Es gab weder eine Förderung für leistungsstarke Schüler noch für leistungsschwache Schüler.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass Studierende nicht das Grundwissen für ein Studium mitbringen bzw. das vorhandene Wissen sehr heterogen ist. Das ist aber nicht allein die Schuld der Studierenden!
Aus meinem Freundeskreis haben auch viele an FHs studiert und die haben auch erzählt, dass es bei ihnen nicht besser läuft. Unsere Erfahrungen von Unis und FHs waren ziemlich deckungsgleich.
Re: Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Ich habe an einer sog. Massenuni studiert und seitdem an mehreren Universitäten gearbeitet. Ich erkenne meinen Studien- oder Arbeitsalltag in der Schilderungt nicht einmal in Ansätzen wieder. Ohne auf die Punkte im einzelnen eingehen zu wollen, ich kann mir vorstellen, dass einzelnes vorkommt (natürlich, Menschen machen Fehler), aber alles zusammen und so extrem? Kenne ich nicht, kann ich mir nicht vorstellen. Ganz abgesehen davon, habe ich an toxischem Arbeitsklima in der Industrie auch das eine oder andere gesehen.
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Re: Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Nur am Rande: Den Fokus auf ausländischen Studierenden finde ich bemerkenswert und etwas bedenklich. Sind also auch im tertiären Bildungssektor 'die Ausländer' wieder an allem schuld?oclock hat geschrieben: 13.02.2025, 10:54 * Kaum noch einheimische Studenten. Statdessen wird nach ausländischen Menschen gefischt, um die Einschreibezahlen konstant zu halten, bzw. zu steigern. Viele kommen über eine Institution zu uns, die ihnen verspricht, für Geld eine Zugangsberechtigung zu erhalten. In dieser Institution werden dann Kernkompetenzen vermittelt, um sie "Studierfähig" zu machen.
* Das Sprachniveau ist teilweise mehr als schlecht. Viele Studenten, selbst in höheren Semstern, können sich kaum auf Deutsch verständigen. Ich frage mich, wie die alle Klausuren schaffen konnten (alleine das sagt ja so einiges aus...).
Dass eine FH überwiegend nur ausländische Studierende hat, die kaum Sprachkompetenzen aufweisen, könnte ich mir nur mit Privatisierung erklären: Da werden seltsamste privatwirtschaftliche Geschäftsmodelle auf die Allgemeinheit losgelassen, die wohl tatsächlich auf 'Studienabschluss gegen Zahlung' hinauslaufen (siehe Problemliste im Post weiter oben).
Zuletzt geändert von Wierus am 23.02.2025, 17:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Um mal wieder zum ursprünglichen Themas dieses Threads zurückzukommen: Bei uns wurde die Prüfungsform für viele Fächer von Klausur auf Projektarbeit geändert, damit die Studis am Ende des Semesters nicht so viele Klausuren schreiben müssen. Nun kann man gerade im Bereich der Software-Entwicklung mit Projektarbeiten wesentlich praxisnähere Aufgabenstellungen als in einer Klausur bearbeiten lassen, aber leider kann man nicht sicher sein, dass die abgegebenen Programme auch wirklich von den Studis selbstständig erstellt wurden.
Re: Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Das Problem versuche ich dadurch zu lösen, indem ich am Ende des Semesters eine mündliche Rücksprache abhalte, in der ich inhaltliche Fragen zu den abgegebenen Projektberichten stelle. Üblicherweise merke ich da recht schnell, wer weiß was im Bericht steht und wer nicht. Wieviel ChatGpt bei der Code-Erstellung beteiligt war ist mir egal, solange die Studierenden wissen was im Programm passiert und wieso Parameter die Werte haben die sie haben etc..mm42 hat geschrieben: 23.02.2025, 11:18 ...aber leider kann man nicht sicher sein, dass die abgegebenen Programme auch wirklich von den Studis selbstständig erstellt wurden.
Ist für mich in vielen Fällen als Prüfungsform den leidigen Klausuren überlegen und auch bei den Studierenden kommt es gut an.
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Re: Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Hallo zusammen,
nachdem ich schon lange stiller Mitleser dieses großartigen Forums bin, habe ich mich anlässlich dieses Themas nun endlich dazu durchgerungen, mich anzumelden und meine Erfahrungen mit euch zu teilen.
Kurz zu mir: Ich bin seit gut einem halben Jahr Professor an einer staatlichen Hochschule in Süddeutschland und – wie wohl einige von euch auch – sehr irritiert über das Niveau, das ich im letzten Semester erlebt habe.
Ein Beispiel: Ich habe im ersten Semester eines MINT-Studiengangs die Vorlesung Strömungsmechanik gehalten. Eine der Standardaufgaben dort: Den Druckverlust einer Rohrleitungen berechnen. In der Prüfung habe ich eine Aufgabe gestellt, die fast identisch mit einer Übungsaufgabe war – mit dem einzigen Unterschied, dass ich dort nicht die Strömungsgeschwindigkeit v gegeben hatte (wie in der Übungsaufgabe), sondern Volumenstrom und Rohrdurchmesser (für alle nicht Nicht-Ingenieure unter euch: Um mit diesen beiden Angaben die Strömungsgeschwindigkeit zu ermitteln, muss man den gegebenen Volumenstrom V̇ durch die Querschnittsfläche des Rohres teilen muss). Das Ergebnis: Knapp 20 % (!) der Studierenden scheiterten bereits daran, bei gegebenem Durchmesser die Querschnittsfläche eines kreisrunden Rohres (d²⋅π/4 oder r²⋅π) zu berechnen. Das hat mich ehrlich gesagt ein Stück weit fassungslos zurückgelassen, da die Berechnung einer Kreisfläche überhaupt nichts mit dem Fach an sich zu tun hat sondern eigentlich seit der Mittelstufe bekannt sein sollte.
Auch bei der Korrektur meiner ersten Bachelorarbeiten (bzw. der Vorab-Versionen, die mir zur Rückmeldung geschickt wurden), war ich teils sehr irritiert. "Recherchieren" wird von vielen Studierenden offenbar als Synonym für "googeln" verstanden. In den bisher von mir betreuten drei Arbeiten waren alle(!) Quellen Internetquellen. Auf meinen Hinweis hin, dass eine wissenschaftliche Arbeit nicht auf Blog-Artikeln und Webseiten basieren sollte, kam die ernüchternde Antwort: "Wir wissen nicht, wie man andere Quellen findet." Begriffe wie Literaturverwaltung, Citavi, Zotero – völlige Fremdwörter.
Was mich aber fast noch mehr irritiert hat, war die Art und Weise, wie diese Arbeiten geschrieben waren: Es waren durchweg Projektberichte, keine wissenschaftlichen Arbeiten. Es gab keine Reflexion darüber, warum man eine bestimmte Methodik gewählt hat, kein Bezug zu bestehender Literatur – nichts. Ich bin an dieser Stelle auch hin- und hergerissen: Einerseits sollen wir praxisorientiert ausbilden. In der Berufspraxis wird ein Absolvent wohl häufiger Berichte als wissenschaftliche Arbeiten schreiben. Gleichzeitig erhalten die Studierenden für die Bachelorarbeit verhältnismäßig wenige ECTS-Punkte, bei meiner Diplomarbeit damals hatte diese Note einen relativ großen Anteil an der Gesamtnote.
Generell ist das sprachliche Niveau (in Berichten, E-Mail, vor allem aber auch persönlichen Gespräch mit ihnen und untereinander) – besonders in den unteren Semestern – besorgniserregend: Der Ton unter den Studierenden ist teils so, dass ich mich frage, ob der gesellschaftliche Diskurs zu Pronomina überhaupt ist, wenn sich ohnehin alle nur noch mit "Alter" oder "Digga" ansprechen. Auch E-Mails an mich als Dozent sind ein Kapitel für sich: Ich habe längst aufgehört, Anreden wie "Sehr geehrter Herr Professor X" zu erwarten – ich bin inzwischen schon froh, wenn überhaupt eine vorhanden ist, hier habe ich bisher schon ein breites Spektrum erlebt ( "Servus" gehört hier noch zu den über die man wenigstens schmunzeln kann
).
Das Thema internationale Studierende wird bei uns an der Hochschule ebenfalls kontrovers diskutiert: Unsere Hochschule verfolgt klar die Strategie, rückläufige Studierendenzahlen durch internationale Studierende zu kompensieren. Meine persönlichen Erfahrungen mit diesen Studierenden sind gemischt:
Sie sind meist hoch motiviert, fleißig, strebsam und höflich – aber die fachlichen Grundlagen weichen teilweise so massiv von dem ab, was man bei uns erwarten würde, dass man auf einer ganz anderen Ebene anfangen muss. Kollegen, die hauptsächlich in internationalen Studiengängen unterrichten, berichten mir, dass ihr Ziel sei, die Studierenden bis zum dritten Semester auf Abitur-Niveau zu bringen
.
Persönlich finde ich, dass sich die Hochschule diesen Studierenden gegenüber unredlich verhält: Sie werden mit völlig falschen Vorstellungen nach Deutschland gelockt – und das oft auch noch verbunden mit erheblichen finanziellen Belastungen, die ihre Familien erst einmal aufbringen müssen.
Vor Ort folgt dann die Enttäuschung, denn die lokalen KMUs – gerade in unserem ländlich geprägten Umfeld – haben stellenweise (große) Vorbehalte gegenüber internationalen Studierenden. Mindestens aber erwarten diese Unternehmen Deutschkenntnisse, die eine grundlegende Kommunikation ermöglichen – und genau daran scheitern leider fast alle. Anstatt eines Praktikums / einer Werkstudententätigkeit bei den Mittelständlern vor Ort arbeiten die meisten bei Amazon oder fahren Essen aus.
Mein Eindruck ist, dass es der Hochschulleitung vordergründig darum geht, dass die Einschreibezahlen stimmen – wie es den Studierenden, aber auch den Kolleginnen und Kollegen, die in diesen Studiengängen unterrichten, hier wirklich geht, interessiert niemanden.
In internen Diskussionen gibt es im Grunde zwei Lager: Die Befürworter sehen in internationalen Studierenden eine Chance, den Fachkräftemangel zu lindern. Demgegenüber argumentieren die Kritiker, dass wir internationale Studierende auf Kosten des deutschen Steuerzahlers ausbilden, bevor diese wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und dem hiesigen Arbeitsmarkt eben nicht zur Verfügung stehen. Genau zu diesem Thema wäre ich tatsächlich einmal an einer Studie / langfristigen Auswertung interessiert (so wie beispielsweise die NACAPS-Studie).
Ich denke, das Thema "Internationale Studierende" sollte man vermutlich nochmal gesondert diskutieren – daher hier nur ein kurzer Einblick in dieses komplexe und schwierige Feld.
Mich beschäftigt das Niveau an unserer Hochschule sehr – unabhängig vom nationalen oder internationalen Hintergrund der Studierenden – und ehrlich gesagt zweifle ich manchmal, ob es die richtige Entscheidung war, den Ruf anzunehmen. Ich habe den Eindruck, dass ich von einem Großteil der Studierenden eher als "harter Hund" angesehen werde, der – um ihnen das Leben besonders „schwer" zu machen – extra schwierige Aufgaben stellt. Nichts liegt mir ferner! Gleichzeitig habe ich ernsthafte Zweifel daran, dass unsere Studierenden mit derart geringen Fähigkeiten später überhaupt einen Job finden werden. Und ich rede hier nicht davon, eine Differentialgleichung aufzustellen (geschweige denn zu lösen), sondern davon, einen Text frei von Rechtschreibfehlern zu verfassen oder die Fläche eines Kreises auszurechnen.
Oft ärgere ich mich hinterher über mich selbst, dass mich das Thema emotional so mitnimmt – aber ich mache mir tatsächlich große Sorgen um die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, wenn ich sehe, auf welchem Niveau wir im tertiären Bildungsbereich mittlerweile lehren.
Viele Grüße
nachdem ich schon lange stiller Mitleser dieses großartigen Forums bin, habe ich mich anlässlich dieses Themas nun endlich dazu durchgerungen, mich anzumelden und meine Erfahrungen mit euch zu teilen.
Kurz zu mir: Ich bin seit gut einem halben Jahr Professor an einer staatlichen Hochschule in Süddeutschland und – wie wohl einige von euch auch – sehr irritiert über das Niveau, das ich im letzten Semester erlebt habe.
Ein Beispiel: Ich habe im ersten Semester eines MINT-Studiengangs die Vorlesung Strömungsmechanik gehalten. Eine der Standardaufgaben dort: Den Druckverlust einer Rohrleitungen berechnen. In der Prüfung habe ich eine Aufgabe gestellt, die fast identisch mit einer Übungsaufgabe war – mit dem einzigen Unterschied, dass ich dort nicht die Strömungsgeschwindigkeit v gegeben hatte (wie in der Übungsaufgabe), sondern Volumenstrom und Rohrdurchmesser (für alle nicht Nicht-Ingenieure unter euch: Um mit diesen beiden Angaben die Strömungsgeschwindigkeit zu ermitteln, muss man den gegebenen Volumenstrom V̇ durch die Querschnittsfläche des Rohres teilen muss). Das Ergebnis: Knapp 20 % (!) der Studierenden scheiterten bereits daran, bei gegebenem Durchmesser die Querschnittsfläche eines kreisrunden Rohres (d²⋅π/4 oder r²⋅π) zu berechnen. Das hat mich ehrlich gesagt ein Stück weit fassungslos zurückgelassen, da die Berechnung einer Kreisfläche überhaupt nichts mit dem Fach an sich zu tun hat sondern eigentlich seit der Mittelstufe bekannt sein sollte.
Auch bei der Korrektur meiner ersten Bachelorarbeiten (bzw. der Vorab-Versionen, die mir zur Rückmeldung geschickt wurden), war ich teils sehr irritiert. "Recherchieren" wird von vielen Studierenden offenbar als Synonym für "googeln" verstanden. In den bisher von mir betreuten drei Arbeiten waren alle(!) Quellen Internetquellen. Auf meinen Hinweis hin, dass eine wissenschaftliche Arbeit nicht auf Blog-Artikeln und Webseiten basieren sollte, kam die ernüchternde Antwort: "Wir wissen nicht, wie man andere Quellen findet." Begriffe wie Literaturverwaltung, Citavi, Zotero – völlige Fremdwörter.
Was mich aber fast noch mehr irritiert hat, war die Art und Weise, wie diese Arbeiten geschrieben waren: Es waren durchweg Projektberichte, keine wissenschaftlichen Arbeiten. Es gab keine Reflexion darüber, warum man eine bestimmte Methodik gewählt hat, kein Bezug zu bestehender Literatur – nichts. Ich bin an dieser Stelle auch hin- und hergerissen: Einerseits sollen wir praxisorientiert ausbilden. In der Berufspraxis wird ein Absolvent wohl häufiger Berichte als wissenschaftliche Arbeiten schreiben. Gleichzeitig erhalten die Studierenden für die Bachelorarbeit verhältnismäßig wenige ECTS-Punkte, bei meiner Diplomarbeit damals hatte diese Note einen relativ großen Anteil an der Gesamtnote.
Generell ist das sprachliche Niveau (in Berichten, E-Mail, vor allem aber auch persönlichen Gespräch mit ihnen und untereinander) – besonders in den unteren Semestern – besorgniserregend: Der Ton unter den Studierenden ist teils so, dass ich mich frage, ob der gesellschaftliche Diskurs zu Pronomina überhaupt ist, wenn sich ohnehin alle nur noch mit "Alter" oder "Digga" ansprechen. Auch E-Mails an mich als Dozent sind ein Kapitel für sich: Ich habe längst aufgehört, Anreden wie "Sehr geehrter Herr Professor X" zu erwarten – ich bin inzwischen schon froh, wenn überhaupt eine vorhanden ist, hier habe ich bisher schon ein breites Spektrum erlebt ( "Servus" gehört hier noch zu den über die man wenigstens schmunzeln kann

Das Thema internationale Studierende wird bei uns an der Hochschule ebenfalls kontrovers diskutiert: Unsere Hochschule verfolgt klar die Strategie, rückläufige Studierendenzahlen durch internationale Studierende zu kompensieren. Meine persönlichen Erfahrungen mit diesen Studierenden sind gemischt:
Sie sind meist hoch motiviert, fleißig, strebsam und höflich – aber die fachlichen Grundlagen weichen teilweise so massiv von dem ab, was man bei uns erwarten würde, dass man auf einer ganz anderen Ebene anfangen muss. Kollegen, die hauptsächlich in internationalen Studiengängen unterrichten, berichten mir, dass ihr Ziel sei, die Studierenden bis zum dritten Semester auf Abitur-Niveau zu bringen

Persönlich finde ich, dass sich die Hochschule diesen Studierenden gegenüber unredlich verhält: Sie werden mit völlig falschen Vorstellungen nach Deutschland gelockt – und das oft auch noch verbunden mit erheblichen finanziellen Belastungen, die ihre Familien erst einmal aufbringen müssen.
Vor Ort folgt dann die Enttäuschung, denn die lokalen KMUs – gerade in unserem ländlich geprägten Umfeld – haben stellenweise (große) Vorbehalte gegenüber internationalen Studierenden. Mindestens aber erwarten diese Unternehmen Deutschkenntnisse, die eine grundlegende Kommunikation ermöglichen – und genau daran scheitern leider fast alle. Anstatt eines Praktikums / einer Werkstudententätigkeit bei den Mittelständlern vor Ort arbeiten die meisten bei Amazon oder fahren Essen aus.
Mein Eindruck ist, dass es der Hochschulleitung vordergründig darum geht, dass die Einschreibezahlen stimmen – wie es den Studierenden, aber auch den Kolleginnen und Kollegen, die in diesen Studiengängen unterrichten, hier wirklich geht, interessiert niemanden.
In internen Diskussionen gibt es im Grunde zwei Lager: Die Befürworter sehen in internationalen Studierenden eine Chance, den Fachkräftemangel zu lindern. Demgegenüber argumentieren die Kritiker, dass wir internationale Studierende auf Kosten des deutschen Steuerzahlers ausbilden, bevor diese wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und dem hiesigen Arbeitsmarkt eben nicht zur Verfügung stehen. Genau zu diesem Thema wäre ich tatsächlich einmal an einer Studie / langfristigen Auswertung interessiert (so wie beispielsweise die NACAPS-Studie).
Ich denke, das Thema "Internationale Studierende" sollte man vermutlich nochmal gesondert diskutieren – daher hier nur ein kurzer Einblick in dieses komplexe und schwierige Feld.
Mich beschäftigt das Niveau an unserer Hochschule sehr – unabhängig vom nationalen oder internationalen Hintergrund der Studierenden – und ehrlich gesagt zweifle ich manchmal, ob es die richtige Entscheidung war, den Ruf anzunehmen. Ich habe den Eindruck, dass ich von einem Großteil der Studierenden eher als "harter Hund" angesehen werde, der – um ihnen das Leben besonders „schwer" zu machen – extra schwierige Aufgaben stellt. Nichts liegt mir ferner! Gleichzeitig habe ich ernsthafte Zweifel daran, dass unsere Studierenden mit derart geringen Fähigkeiten später überhaupt einen Job finden werden. Und ich rede hier nicht davon, eine Differentialgleichung aufzustellen (geschweige denn zu lösen), sondern davon, einen Text frei von Rechtschreibfehlern zu verfassen oder die Fläche eines Kreises auszurechnen.
Oft ärgere ich mich hinterher über mich selbst, dass mich das Thema emotional so mitnimmt – aber ich mache mir tatsächlich große Sorgen um die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, wenn ich sehe, auf welchem Niveau wir im tertiären Bildungsbereich mittlerweile lehren.
Viele Grüße
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Re: Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Ja, was die Erstsemester so abliefern, ist teilweise besonders gruselig. Ich habe den Eindruck, dass sich manche Studis erst mal an das Niveau/Arbeitsweise an der Hochschule gewöhnen müssen.Stud3nt hat geschrieben: 14.03.2025, 08:13 Ich habe im ersten Semester eines MINT-Studiengangs die Vorlesung Strömungsmechanik gehalten. Eine der Standardaufgaben dort: Den Druckverlust einer Rohrleitungen berechnen. In der Prüfung habe ich eine Aufgabe gestellt, die fast identisch mit einer Übungsaufgabe war – mit dem einzigen Unterschied, dass ich dort nicht die Strömungsgeschwindigkeit v gegeben hatte (wie in der Übungsaufgabe), sondern Volumenstrom und Rohrdurchmesser (für alle nicht Nicht-Ingenieure unter euch: Um mit diesen beiden Angaben die Strömungsgeschwindigkeit zu ermitteln, muss man den gegebenen Volumenstrom V̇ durch die Querschnittsfläche des Rohres teilen muss). Das Ergebnis: Knapp 20 % (!) der Studierenden scheiterten bereits daran, bei gegebenem Durchmesser die Querschnittsfläche eines kreisrunden Rohres (d²⋅π/4 oder r²⋅π) zu berechnen. Das hat mich ehrlich gesagt ein Stück weit fassungslos zurückgelassen, da die Berechnung einer Kreisfläche überhaupt nichts mit dem Fach an sich zu tun hat sondern eigentlich seit der Mittelstufe bekannt sein sollte.
Berechnung Kreisfläche hat man zu meiner Zeit noch in der Hauptschule gelernt. Hatten die Studis während der Klausur eine Formelsammlung zur Verfügung, in der sie die Kreisflächenformel hätten nachschlagen können?
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