Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Fachhochschule: Das Niveau sinkt.
Hallo,
ich bin Professor an einer staatlichen FH in Baden-Württemberg. Mein Lehrgebiet liegt im MINT-Bereich. Von Jahr und Jahr muss ich beobachten, wie das Niveau sinkt. Kollegen aus den Wirtschaftswissenschaften berichten ähnliches.
Meines Erachtens gibt es zu viele Hochschulen und zu wenige Bewerber. Die Hochschulleitung (Rektorat, Senat) versuchen diesem Trend entgegenzuwirken, indem die Studien- und Prüfungsordnung immer mehr aufgeweicht wird. Jeder soll studieren dürfen und zum Abschluss gebracht werden. Das Ziel ist klar: Die Anfängerzahlen müssen hoch und die Abbruchquote niedrig sein. Je mehr Studenten lange an der Hochschule verbleiben, desto besser sind die finanziellen Zuwendungen des Landes an die Hochschule. Die MINT-Studiengänge stehen unter Druck, weil dort die Anfängerzahlen sehr niedrig sind. Es werden neue Studiengänge mit relativ fragwürdigen Inhalten eingerichtet, um Bewerber anzuziehen.
Einige Kollegen sprechen bereits davon, dass die Entwicklung zu einer Förderhochschule bzw. Deppenakademie hingeht. Ich kenne mittlerweile auch eine Handvoll von Fällen, bei denen sich Arbeitgeber über die Ausbildung einzelner Absolventen beschwert haben. Nach dem Motto, wie es sein könne, dass die Person einen Hochschulabschluss bekommen hat.
Es gibt berechtigte Zweifel, ob die Hochschule ihren Aufgaben aus dem LHG gerecht wird. Dort heißt es: "die Hochschulen für angewandte Wissenschaften vermitteln durch anwendungsbezogene Lehre und Weiterbildung eine Ausbildung, die zu selbstständiger Anwendung und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden oder zu künstlerischen Tätigkeiten in der Berufspraxis befähigt; sie betreiben anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung"
Ich frage mich, welche Möglichkeiten man hat (evtl. juristische Schritte), um die Hochschule dazu zu zwingen, dass sie ihre Aufgaben (wie vom Gesetzgeber verlangt) erfüllt.
Das Land müsste wahrscheinlich mal Tabula rasa machen und die Hochschullandschaft konsolidieren.
Beobachtet ihr ähnliche Entwicklungen an euren Hochschulen und wie geht ihr damit um?
Viele Grüße
ich bin Professor an einer staatlichen FH in Baden-Württemberg. Mein Lehrgebiet liegt im MINT-Bereich. Von Jahr und Jahr muss ich beobachten, wie das Niveau sinkt. Kollegen aus den Wirtschaftswissenschaften berichten ähnliches.
Meines Erachtens gibt es zu viele Hochschulen und zu wenige Bewerber. Die Hochschulleitung (Rektorat, Senat) versuchen diesem Trend entgegenzuwirken, indem die Studien- und Prüfungsordnung immer mehr aufgeweicht wird. Jeder soll studieren dürfen und zum Abschluss gebracht werden. Das Ziel ist klar: Die Anfängerzahlen müssen hoch und die Abbruchquote niedrig sein. Je mehr Studenten lange an der Hochschule verbleiben, desto besser sind die finanziellen Zuwendungen des Landes an die Hochschule. Die MINT-Studiengänge stehen unter Druck, weil dort die Anfängerzahlen sehr niedrig sind. Es werden neue Studiengänge mit relativ fragwürdigen Inhalten eingerichtet, um Bewerber anzuziehen.
Einige Kollegen sprechen bereits davon, dass die Entwicklung zu einer Förderhochschule bzw. Deppenakademie hingeht. Ich kenne mittlerweile auch eine Handvoll von Fällen, bei denen sich Arbeitgeber über die Ausbildung einzelner Absolventen beschwert haben. Nach dem Motto, wie es sein könne, dass die Person einen Hochschulabschluss bekommen hat.
Es gibt berechtigte Zweifel, ob die Hochschule ihren Aufgaben aus dem LHG gerecht wird. Dort heißt es: "die Hochschulen für angewandte Wissenschaften vermitteln durch anwendungsbezogene Lehre und Weiterbildung eine Ausbildung, die zu selbstständiger Anwendung und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden oder zu künstlerischen Tätigkeiten in der Berufspraxis befähigt; sie betreiben anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung"
Ich frage mich, welche Möglichkeiten man hat (evtl. juristische Schritte), um die Hochschule dazu zu zwingen, dass sie ihre Aufgaben (wie vom Gesetzgeber verlangt) erfüllt.
Das Land müsste wahrscheinlich mal Tabula rasa machen und die Hochschullandschaft konsolidieren.
Beobachtet ihr ähnliche Entwicklungen an euren Hochschulen und wie geht ihr damit um?
Viele Grüße
Zuletzt geändert von Sebastian am 14.12.2024, 14:58, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Betreff für die Suche hoffentlich treffend ergänzt.
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Re: Das Niveau sinkt.
Sehr gutes, wichtiges Thema. Ich beobachte das gleiche an unserer staatlichen FH. Gab intern bereits ein paar Meetings dazu, jedoch ohne Ergebnis. Denn, wie du schreibst, gemessen wird die Hochschule vom Land an Studierenden- und Absolventenzahlen (bei gleichzeitiger, schwieriger Bewerbungslage). Manche wollen Prüfungsformen aufweichen, um die Durchfallerquoten zu senken, andere aus der Fakultät halten dagegen.
Bei nicht wenigen in der Fakultät führt diese Entwicklung dazu, dass die Lehre deutlich an Relevanz verliert, weil eben nicht mehr befriedigend.
Bei nicht wenigen in der Fakultät führt diese Entwicklung dazu, dass die Lehre deutlich an Relevanz verliert, weil eben nicht mehr befriedigend.
Re: Das Niveau sinkt.
Ich denke, das Wissenschaftsministerium bekommt dies gar nicht mit. Die Leitungsebene der Hochschule hat genügend Möglichkeiten, die Entwicklung zu verschleiern und nach außen wenig transparent darzustellen. Die jüngeren Kollegen (eher aus dem MINT-Bereich) wollen was ändern, die alteingesessenen sind bequem und wollen das Problem nicht anerkennen. Interessant ist, dass niemand davon seinen Kindern/Freunden/Bekannten ein Studium an der FH empfehlen würde.
Hinzukommt, dass auf die MINT-Studiengänge Druck ausgeübt wird. Einige wollen diese schlecht ausgelasteten Studiengänge abschaffen, da es zu wenige Anfänger gibt und damit zu wenig Geld vom Land an die Hochschule fließt. Dabei heißt es doch, in der Wirtschaft werden dringend MINT-Absolventen gebraucht.
Hinzukommt, dass auf die MINT-Studiengänge Druck ausgeübt wird. Einige wollen diese schlecht ausgelasteten Studiengänge abschaffen, da es zu wenige Anfänger gibt und damit zu wenig Geld vom Land an die Hochschule fließt. Dabei heißt es doch, in der Wirtschaft werden dringend MINT-Absolventen gebraucht.
Re: Das Niveau sinkt.
ich glaube kaum, dass die Hochschulen viel von sich aus machen können (wir stecken in derselben Situation fest) und eher der Druck von Seiten der Industrie auf die Ministerien kommen muss.
Re: Das Niveau sinkt.
Es wäre sehr begrüßenswert, dass sich die Industrie im großen Stil beim Ministerium beschwert. Ich denke, dass ist nur eine Frage der Zeit (vlt. 5-10 Jahre) bis sich die Auswirkungen dieser Hochschulausbildung auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Rechnungshof die Hochschulen schon früher ordentlich durchleuchtet.
Und zu guter Letzt bliebe doch die Möglichkeit, eine Klage anzustreben: Die Hochschulen erfüllen ihre Aufgabe nicht, wie vom Gesetzgeber im LHG formuliert. So eine Klage könnte natürlich jederzeit von ehemaligen Absolventen eingereicht werden, wenn diese merken, dass ihre Ausbildung für den Arbeitsmarkt nichts taugt.
Und zu guter Letzt bliebe doch die Möglichkeit, eine Klage anzustreben: Die Hochschulen erfüllen ihre Aufgabe nicht, wie vom Gesetzgeber im LHG formuliert. So eine Klage könnte natürlich jederzeit von ehemaligen Absolventen eingereicht werden, wenn diese merken, dass ihre Ausbildung für den Arbeitsmarkt nichts taugt.
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Re: Das Niveau sinkt.
Hier entsteht eine Selbsthilfegruppe, find ich gut!
Was mir in diesem Kontext auffällt, ist die erzwungene Verlagerung hin zu internationalen Studis, um die Kennzahlen des Ministeriums zu erfüllen. Hier ist allerdings das Niveau teilweise noch schlechter. Einigen spreche ich sogar die Studierfähigkeit ab. Natürlich sollten nicht zu viele durchfallen, sonst schadet es wieder den Kennzahlen... Dafür halten sie die Verwaltung aber auf Trab. Die wenigsten bleiben hinterher in der Region, viele kehren in ihre Heimatländer zurück. Bei uns ist das ein Drama!
Wie wird das an euren Hochschulen gehandhabt? Besser? Positiver in der Wahrnehmung?
Ich hab auch den Eindruck, man sollte Hochschulen konsolidieren und Kräfte besser verteilen. Wenn sich im näheren Umkreis 4 Hochschulen die weniger werdenden Studis in denselben Fächern gegenseitig wegnehmen, ist das ein Trauerspiel.
Was mir in diesem Kontext auffällt, ist die erzwungene Verlagerung hin zu internationalen Studis, um die Kennzahlen des Ministeriums zu erfüllen. Hier ist allerdings das Niveau teilweise noch schlechter. Einigen spreche ich sogar die Studierfähigkeit ab. Natürlich sollten nicht zu viele durchfallen, sonst schadet es wieder den Kennzahlen... Dafür halten sie die Verwaltung aber auf Trab. Die wenigsten bleiben hinterher in der Region, viele kehren in ihre Heimatländer zurück. Bei uns ist das ein Drama!
Wie wird das an euren Hochschulen gehandhabt? Besser? Positiver in der Wahrnehmung?
Ich hab auch den Eindruck, man sollte Hochschulen konsolidieren und Kräfte besser verteilen. Wenn sich im näheren Umkreis 4 Hochschulen die weniger werdenden Studis in denselben Fächern gegenseitig wegnehmen, ist das ein Trauerspiel.
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Re: Das Niveau sinkt.
Schon vor 10-20 Jahren wurden die Anforderungen fuer Medizinstudenten in meinem damaligen Bundesland gesenkt, um dem Aerztemangel entgegenzuwirken. Natuerlich sind schlechte Studenten nicht unbedingt schlechte Mediziner, v.a. mit Spezialisierungen in Fachgebieten, und auch ein schlechterer Arzt ist wohl besser als gar keiner. Es wurde auch in MINT-Faechern die Interdisziplinaritaet reduziert, weil die Studenten die Themen und Pruefungen der Nachbargebiete (Physik fuer Biologen, Chemie fuer Physiker, etc.) zu schwer und sogar unwichtig fanden, und leider damit Erfolg hatten.
Re: Das Niveau sinkt.
johndoe hat geschrieben: 08.12.2024, 23:28 Hier entsteht eine Selbsthilfegruppe, find ich gut!
Was mir in diesem Kontext auffällt, ist die erzwungene Verlagerung hin zu internationalen Studis, um die Kennzahlen des Ministeriums zu erfüllen. Hier ist allerdings das Niveau teilweise noch schlechter. Einigen spreche ich sogar die Studierfähigkeit ab. Natürlich sollten nicht zu viele durchfallen, sonst schadet es wieder den Kennzahlen... Dafür halten sie die Verwaltung aber auf Trab. Die wenigsten bleiben hinterher in der Region, viele kehren in ihre Heimatländer zurück. Bei uns ist das ein Drama!
Wie wird das an euren Hochschulen gehandhabt? Besser? Positiver in der Wahrnehmung?
Ich hab auch den Eindruck, man sollte Hochschulen konsolidieren und Kräfte besser verteilen. Wenn sich im näheren Umkreis 4 Hochschulen die weniger werdenden Studis in denselben Fächern gegenseitig wegnehmen, ist das ein Trauerspiel.
Internationalisierung wird auch bei uns verfolgt und als Erfolg dargestellt. Was in Wirklichkeit passiert: Die meisten internationalen Studis fangen mit Studium A an, fallen dann drei Mal z.B. in Mathe durch, wechseln dann in Studium B, dort probieren sie ihr Mathe-Glück nochmal (sowas geht mittlerweile nach SPO-Änderung) und evtl. haben dann 10-20%, nachdem sie ein weiteres Mal das Studienfach gewechselt haben, ihr Grundstudium geschafft. Ja, das Niveau ist hier teilweise noch schlechter.
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Re: Das Niveau sinkt.
Das ist auch meine Beobachtung. Nicht überraschend, denn die guten bis sehr guten internationalen Studierenden gehen zu den global bekannten Unis, in Deutschland z.B. die TUM und die, die an regionale Fachhochschulen gehen haben, zumindest bei uns, haben v.a. den finanziellen Aspekt (keine/geringe Studiengebühren) als Anreiz. Das ist keine gute Mischung. Wobei das Niveau vieler einheim. Stud. nicht unbedingt so viel besser ist.
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