Na, dann erzähle ich mal die Anekdote von meinem eigenen Abgang.
Hintergrund:
- kleine, private und noch recht junge FH mit einem starken fachlichen Fokus
- Erst- (und vielleicht auch Letzt-)Berufung
- Profil eindeutig wissenschaftlich, weniger praktisch ausgerichtet, allerdings wurde ich für ein Fach berufen, das seiner Natur nach sehr theorielastig ist
Ich empfand die Lehre einerseits als bereichernd, weil ich einfach sehr gerne Wissen vermittle. In den vergleichenden Lehrevaluationen war ich quasi immer auf Platz 1 (was keine Angeberei sein soll), was sich auch in einem sehr angenehmen Umgang zwischen den Studierenden und mir widerspiegelte. Man konnte auch mal nach einer Lehrveranstaltung noch ins Brauhaus gehen und miteinander plaudern, aber am professionellen Umgang an der Hochschule änderte das nichts.
Leider bin ich im Kollegium nie richtig angekommen, wobei das auch für einige andere Kollegen galt, die bald wieder weg waren. Im Prinzip konnte man drei Gruppen unterscheiden: 1) die jungen, motivierten und fachlich fitten Leute, zu denen ich mich auch selbst zählte, 2) die 'cum laude'-Berufenen, die es einfach mal probierten und aus Mangel an anderen Bewerbern genommen wurden und entsprechend schlechte Lehre ablieferten, 3) die Altgedienten, die ihre Karriere mit dem "Prof." vor dem Namen schmücken wollten, gescheite/praxisnahe Lehre machten, sich aber eigentlich nicht für die Hochschule interessierten.
Das Kernproblem war jedoch dieses: Als private Hochschule war sie extrem auf Wachstum ausgerichtet, aber eben kein hochwertiges Wachstum. Ständig wurden unausgegorene Studiengänge aus dem Boden gestampft, neue Standorte erschlossen, aber ohne dass ein Fundament (Verwaltung!) dafür vorhanden war. Das führte dazu, dass die Studierenden sich außerhalb der Lehre extrem schlecht betreut fühlten und ihren Frust zunehmend mir gegenüber äußerten. Das war immer wohlwollend im Sinne von "Wir wissen, Sie können nichts dafür, aber wir müssen das mal loswerden", aber es nervte zunehmend - zumal die vorhandene Verwaltung den Lehrenden gegenüber auch unprofessionell agierte.
Ein weiteres Problem für mich war: Die Studierenden waren zwar weitgehend echt nett, aber leider fachlich oft völlig ungeeignet für ein Studium. Es wurde schlichtweg jeder genommen, weil er ja Geld einbrachte. Irgendwann fragte ich mal naiv, ob schon mal jemand aufgrund zu vieler nicht bestandener Prüfungen exmatrikuliert worden sei: Nein, das sei noch nie vorgekommen. Auch Durchfälle bei den Abschlussarbeiten waren äußerst selten. Als ich dann mal zwei Leute durchfallen ließ, weil die Arbeit im einen Fall sprachlich schlicht nicht verständlich war (Achtung: Muttersprachler!) und es sich im anderen Fall um ein besonders deutliches und freches Plagiat handelte, führte das zu großer Bestürzung.
So habe ich mich dann nach 1,5 Jahren wieder verabschiedet. Rückkehr in den Hochschulbetrieb nicht ausgeschlossen, aber dann nur noch staatlich und auch sonst passenden Rahmenbedingungen. Denn: Das Kerngeschäft, die Lehre, fand ich immer großartig.
johndoe hat geschrieben: 02.05.2024, 22:19
woosai hat geschrieben: 02.05.2024, 18:25
Ein Bekannter hat nach drei Jahren seine HAW Professur niedergelegt, da er laut eigener Aussage diese sechs Semester lang jedes Semester mind. 9 SWS neu an Vorlesungen bekam. War vorher selbstständig und ist es wieder.
Klingt etwas nach urban Legend. Man bekommt ja nicht einfach Vorlesungen zugeteilt, sondern bietet selbst Vorlesungen an. Einziger Knackpunkt sind Pflichtmodule, die gehalten werden müssen, aber gerade die wechseln quasi nie, weil das eine Änderung der SPO erfordert.
Hierzu noch ein Punkt von mir: Bei uns war das tatsächlich auch so. Klar wurde man gefragt, welche Lehrveranstaltungen man im kommenden Semester übernehmen wolle, aber da die Studiengänge ausschließlich aus Pflichtmodulen bestanden, konnte man in dem Sinne keine eigenen Vorlesungen anbieten. Man konnte lediglich existierende Module im eigenen Sinne und im begrenzten Rahmen ausgestalten.