Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

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XXOlivia1984

Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von XXOlivia1984 »

Vor einigen Tagen konnte ich hier glücklich vermelden, dass ich ein Promotionsstipendium meiner Uni bekommen habe. Nun ist der Bewilligungsbescheid da und ich bin etwas ernüchtert.

Wenn ich innerhalb von 24 Monaten nach Förderende nicht die Promotionsurkunde einreiche, muss ich das komplette Stipendium zurückzahlen. Da steht nichts von Ausnahmen bei Härtefällen oder für Elternzeit. Was ist, wenn ich schwer krank werde?

Die Förderdauer beträgt zwar 3 Jahre. Aber sie verlängert sich nicht, wenn ich ein Kind bekomme (nur die Mutterschutzzeit wird draufgerechnet). Zudem ist es in meinem Fachbereich (Archivrecherchen, z.T. im Ausland) durchaus normal, vier Jahre zu brauchen. Nicht, dass ich vorhätte zu bummeln, aber man weiß doch nie, was passiert. Ich oder jemand aus meiner Familie könnte schwer erkranken, ich bekomme eine WiMi-Stelle und bin in andere Projekte oder in der Lehre eingebunden, Schwangerschaft und Betreuung des Babys ... Ich bin glücklich, dass ich Geld bekomme, aber ich will doch keinen Knebelvertrag, der mich in den finanziellen Ruin stürzt, falls etwas Unvorhergesehenes passiert, und mir die Planungsfreiheit nimmt, eine Stelle an der Uni anzunehmen.

Außerdem muss ich ab dem zweiten Förderjahr an meiner Uni unentgeltlich zwei SWS pro Semester Seminare geben und darf (dies eingerechnet) nur sechs Stunden pro Woche dazuarbeiten (egal ob innerhalb oder außerhalb der Forschung). Mal abgesehen davon, dass ich ca. 2000 Euro für Forschungsreisen ausgeben werde, die ich mir selbst erwirtschaften muss, finde ich das doch deutlich zu wenig. Wo soll ich denn einen Arbeitgeber finden, der mich für 6, später 4 Stunden pro Woche anstellt!

Ist das normal? Sind eure Verträge auch so?
(Ich habe noch eine zweite Bewerbung draußen und hoffe inständig, dass das etwas wird.)

Viele Grüße,
Olivia.
DoneXY

Re: Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von DoneXY »

Erstmal Glückwünsch zum Stipendium!

Bisher kann ich Deinen Ärger nicht nachvollziehen.

Wieso soll bei einem Stipendium mit 3jähriger Laufzeit bereits nach 2 Jahren die Promotionsurkunde eingereicht werden? Soll der Verzicht auf die Rückzahlung eine extrem zügige Promotion belohnen?

Auch wenn das Stipendium voll zurückgezahlt werden muss, kann es doch immer noch wunderbar sein: Ist es zum Beispiel ein zinsloses Darlehen und die Rückzahlung kann über mehrere Jahre gestreckt werden, hat sich das Stipendium doch deutlich gelohnt. Besonders, wenn mit dem Doktortitel ein höheres Einkommen erzielt werden kann als ohne Titel.

Nach den bisherigen Informationen erinnert mich Dein Stipendium an mein BAföG. Das muss ich zwar weitgehend zurückzahlen, doch einen solchen Kredit mit de facto negativen Znsen würde ich jederzeit wieder nehmen.
XXOlivia1984

Re: Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von XXOlivia1984 »

Hallo DoneXY,

da hast du mich missverstanden: Das Stipendium muss 2 Jahre NACH Förderende zurückgezahlt werden, also von heute an in 5 Jahren, wenn ich bis dahin nicht die Urkunde vorlegen kann. Ich hätte dann 36.000 Euro zurückzuzahlen - und da ich Historikerin bin hätte ich dann auch kein bedeutend höheres Einkommen als jetzt, vielleicht 2000 brutto.

Das wäre für mich der finanzielle Ruin!

Da ich sehr zielstrebig arbeite, ist es nicht sooo wahrscheinlich, das ich in 4 Jahren die Diss noch nicht abgeben kann (ich rechne 1 Jahre für die Begutachtung und Disputation), aber ich darf eben nicht ernsthaft krank werden und ich darf in der Zeit kein Kind betreuen müssen. Das ärgert mich!

Und nein, ich bin nicht bereit, das Stipendium als zinsloses Darlehen zu betrachten. Es mag Leute geben, die sich so etwas leisten können, aber ich muss daran denken, wir ich mich finanziere, auch nach der Diss.
XXOlivia1984

Re: Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von XXOlivia1984 »

PS: Das Stipendium muss im Normalfall nicht zurückgezahlt werden. (Hätte auch noch nie davon gehört, dass es so etwas gibt.)
DoneXY

Re: Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von DoneXY »

XXOlivia1984 hat geschrieben:da hast du mich missverstanden: Das Stipendium muss 2 Jahre NACH Förderende zurückgezahlt werden
Tut mir leid, ich kann manchmal nicht richtig lesen.

Dass eine Stelle als WiMi während des Stipendiums dessen Laufzeit nicht unterbricht, erscheint mir logisch. Ein Stipendium soll ja nicht die Arbeitssuche fördern, sondern im Gegenteil Dich von Nöten der Erwerbsarbeit (teilweise) befreien.

Kann es sein, dass bei Deinem Stipendium dem Arbeitsrecht vergleichbare Regeln im Fall einer Krankenheit oder Schwangerschaft gelten? Dass eine Schwangerschaft automatisch den Stipendiumserfolg gefährdet, sollte doch ein Problem sein, für das Deine Uni hoffentlich seit langem eine Lösung hat.
Sebastian
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Re: Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von Sebastian »

XXOlivia1984 hat geschrieben:Wenn ich innerhalb von 24 Monaten nach Förderende nicht die Promotionsurkunde einreiche, muss ich das komplette Stipendium zurückzahlen. Da steht nichts von Ausnahmen bei Härtefällen oder für Elternzeit. Was ist, wenn ich schwer krank werde?
Ich kenne den Bescheid und die rechtlichen Grundlagen nicht im Wortlaut - soweit ich aber weiß, ist die Graduiertenförderung grundsätzlich dem Ziel einer ordnungsgemäßen Fertigstellung der Diss verpflichtet und soll nur verhindern, dass eine Arbeit schlicht versandet. Objektiv Unmögliches wird man also vermutlich nicht von Dir verlangen, sondern "lediglich" einen vernünftigen Einsatz für die Arbeit. Solange Du dem zuständigen Sachbearbeiter glaubhaft nachweisen kannst, dass die Arbeit fertig werden wird, wird er vermutlich nicht von solchen Maßnahmen Gebrauch machen (können/wollen/...).
In vielen Behördenbescheiden wird der Bescheidtext gegenüber dem maßgeblichen Recht ein wenig verkürzt dargestellt und die bestehenden Ermessensspielräume etc. werden nicht aufgedeckt.
Freu Dich weiter!

Sebastian
XXOlivia1984

Re: Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von XXOlivia1984 »

Dem Bewilligungsbescheid und den Ausführungsbestimmungen der Graduiertenförderungsverordnung nach orientiert sich das Stipendium nicht am Arbeitsrecht, da Krankheit nur bis zu 6 Monaten und Erziehungszeiten gar nicht die Laufzeit des Stipendiums verändern. D.h. im Falle einer Schwangerschaft würde ich während der Erziehungszeit weiterhin das Stipendium erhalten, aber insgesamt trotzdem nicht mehr als 5 Jahre Zeit haben, um alles samt Disputation über die Bühne zu bringen. Eine Unterbrechung der gesamten Förderung (inkusive mitwandernder Deadline) wäre mir deutlich lieber. Zudem unterbricht sich im Arbeitsrecht lediglich die Bezahlung während hier trotz geleisteter Arbeit eine Rückzahlung für die letzten drei Jahre fällig wäre. Ich halte Faulheit auch nicht für förderungswürdig. Aber man kann nicht immer etwas dafür, wenn einem etwas im Leben dazwischen kommt. Dass dann die Förderung aufhört ist selbstverständlich, aber Rückzahlung für ehrlich geleistete Arbeit, nur weil das Ergebnis auf sich warten lässt - au wei!

Man will es ja nicht hoffen, aber die Risiken, die mit diesem Vertrag verbunden sind, falls etwas Schlimmes passiert, drehen mir den Magen um. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es rechtmäßig ist, dass hier keine Härtefallregelungen für den Fall von Berufsunfähigkeit infolge von Krebs, Unfällen, etc. geben soll.

Ich wollte aber vor allem wissen, ob das in euren Stipendienverträgen auch so drinsteht. Ich warte ja wie gesagt noch auf Bescheid einer zweiten Bewerbung und hoffe auf bessere Konditionen.

PS @ Sebastian: Danke! Mag sein, dass der Bescheidtext dem Rechtsgegenstand nicht nachkommt. Ich hoffe es. Ermessensspielräume wird es geben - nur will ich ungern von der Finanzlage meines Bundeslandes (die nicht die Beste ist) abhängen. Dass die Forschungsfinanzierung im Argen liegt zeigt ja nicht zuletzt die Situation der Habilitierten ohne Lehrstuhl.

LG, Olivia.
flip
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Re: Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von flip »

Also, ich verstehe nicht so ganz deine Argumentation.

Also, so häufig, wie du die Schwangerschaft erwähnst, könnte man meinen, dass du es wirklich darauf anlegst.
Die Promotionszeit ist denkbar die schlechteste Zeit für Kinder. Sofern du also verhütest, sollte es keine Probleme geben. :wink:
Das jemand an Krebs erkrankt, schlimm genug - aber wir sprechen hier von drei Jahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass
so etwas Eintritt ist gelinde gesagt... unwahrscheinlich.

Und es kann nicht schaden, sich die Konditionen vor der Bewerbung anzuschauen, bzw. zu erfragen. So etwas sollte man doch mit einem abgeschlossenem
Studium hinbekommen?

Und ja, es ist ziemlich blöd. Vor allen, wenn du dich auch noch privat versichern musst. Deswegen würde ich mich auch nur bedingt für ein Stipendium empfehlen.
Auslandsreisen kannst du dir jedenfalls so aus dem Kopf schlagen, sofern du keine anderen Geldgeber hast.
MoniqueS

Re: Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von MoniqueS »

flip hat geschrieben:Also, so häufig, wie du die Schwangerschaft erwähnst, könnte man meinen, dass du es wirklich darauf anlegst.
Die Promotionszeit ist denkbar die schlechteste Zeit für Kinder. Sofern du also verhütest, sollte es keine Probleme geben. :wink:
Also mal ehrlich, das ist doch so abhängig von der ganz individuellen Situation, dass man keine allgemeinen Aussagen treffen kann darüber, ob die Promotionszeit der "denkbar schlechteste" Zeitpunkt für ein Kind ist! Ich finde das anmaßend.


@ Olivia:
Ich kann deine Bedenken gut verstehen und finde es gut, dass du gedanklich ein paar Szenarien durchspielst. Zur Sache kann ich leider nichts beitragen, da ich mich mit Stipendien nicht auskenne. Kannst du dich anonym irgendwo fachkundig beraten lassen?
myfunnyvalentine

Re: Das Kleingedruckte bei Promotionsstipendien

Beitrag von myfunnyvalentine »

MoniqueS hat geschrieben:
flip hat geschrieben:Also, so häufig, wie du die Schwangerschaft erwähnst, könnte man meinen, dass du es wirklich darauf anlegst.
Die Promotionszeit ist denkbar die schlechteste Zeit für Kinder. Sofern du also verhütest, sollte es keine Probleme geben. :wink:
Also mal ehrlich, das ist doch so abhängig von der ganz individuellen Situation, dass man keine allgemeinen Aussagen treffen kann darüber, ob die Promotionszeit der "denkbar schlechteste" Zeitpunkt für ein Kind ist! Ich finde das anmaßend.
Habe sachlich leider nichts neues beizutragen, möchte mich aber MoniqueS anschließen!
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