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Stellungnahme zu Gutachten - Textgattung und wann sinnvoll?

Verfasst: 29.11.2025, 13:35
von Glueck_und_Frust
In meinen Gutachten (beide 1,0) wurden mir Aspekte angekreidet, bei denen ich definitiv widersprechen möchte! Bei einem Aspekt X wurde sogar etwas sachlich Falsches in Bezug auf meinen Forschungsgegenstand behauptet, was in jedem gutem Lehrbuch nachlesbar ist.
Was nun? Eine Stellungnahme zu den Gutachten schreiben? Macht das überhaupt jemand, bei dem in beiden Gutachten 1,0 steht? Beschwört man damit Ärger herauf? Wie sieht die Textgattung "Stellungnahme" überhaupt aus, gibt es ein Standardformular dafür (Passierschein A38) und welchen Papierkrieg kann eine Stellungnahme nach sich ziehen oder wird sie wirklich nur der Auslage beigelegt?

Re: Stellungnahme zu Gutachten - Textgattung und wann sinnvoll?

Verfasst: 29.11.2025, 17:08
von NLPDG_Guy
Guten Abend,

erstmal herzlichen Glückwunsch für zwei Gutachten mit 1,0 :prost:
Ich gebe mal meinen naiven Senf dazu, weil mir das in mehreren Jahren noch bevorsteht und ich es eine ganz nützliche Diskussion finde:
Ich persönlich würde sicherlich nichts weiter sagen, lächeln und winken und mich einfach über dieses grandiose Doppelergebnis freuen.
Da ich aber, wie gesagt, naiv bei solchen Sachen bin, warte ich mal ab, was erfahrenere User schreiben.

Viele Grüße
Maik

Re: Stellungnahme zu Gutachten - Textgattung und wann sinnvoll?

Verfasst: 30.11.2025, 12:38
von Sebastian
Hallo Glueck_und_Frust,

auch von mir herzlichen Glückwunsch. Mir persönlich fällt es auch immer außerordentlich schwer, unberechtigte Kritik auszuhalten. In diesem Fall solltest Du Dir aber überlegen, welches Ziel zu hast, außerdem ob und zu welchem Preis Du es erreichen kannst.
Die Gutachten sieht nach Dir allenfalls noch der Verlagslektor für eine eventuelle Publikation. Wenn ich es aber aus dem anderen Thread richtig erinnere, hast Du ja kumulativ promoviert, d.h. Deine Texte sind bereits veröffentlicht und einem breiten wissenschaftlichen Publikum verfügbar gemacht worden. Alle, die es angeht, werden im Zweifel selbst nachvollziehen können, was Du richtig gemacht hast.
Wenn es also nur darum geht, wer auf dem Papier Recht hat bzw. recht behält, dann scheint mir das ein sehr geringwertiges Ziel zu sein. Ob es dafür überhaupt ein Bearbeitungsformat gibt, weiß ich auch nicht. Am wichtigsten scheint mir aber zu sein: Was werden die kritisierten Gutachter über Dich und Dein Anliegen denken?
Alles in allem würde ich mich daher weiter an dem schönen Ergebnis freuen und vielleicht auch noch an der Erkenntnis, dass selbst die Koryphäen mal Fehler machen können.
Sebastian

Re: Stellungnahme zu Gutachten - Textgattung und wann sinnvoll?

Verfasst: 30.11.2025, 16:02
von Wierus
Hallo & Glückwunsch zur Annahme,

die Auslage der Dissertation samt Gutachten ist ein rein formaler Akt und mehr als Brauch zu verstehen, denn als offizieller Teil des Prüfungs- und Begutachtungsprozesses. Darauf in irgendeiner Weise einzugehen wäre ein Fehler, gerade bei solch guten Noten. Deine anstehende Disputation bietet genügend Raum, darauf zu reagieren (bzw. dich zu "verteidigen"), wenn es unbedingt sein muss.

Bereite dich lieber auf die Disputation vor, als Energie in irgendwelche schriftlichen Stellungnahmen zu stecken.

Re: Stellungnahme zu Gutachten - Textgattung und wann sinnvoll?

Verfasst: 01.12.2025, 00:06
von Glueck_und_Frust
So weit, so gut.

Danke für Eure Antworten.

Es steckt halt extrem viel Arbeit in der Dissertationsschrift, und ich brauche wohl eine Weile, bis ich mich freuen und die Missverständnisse ignorieren kann.
Ich denke, dass eine Stellungnahme in meinem Fall nicht zu einer Verbesserung des Ergebnisses führen wird. Vor allem ist mir nicht klar, was genau zu "summa cum laude" gefehlt hat - das wird nicht explizit angesprochen (--> schreibe ich gerne in einem neuen Thread). Die Bewertungskriterien finde ich intransparent, vielleicht sogar willkürlich oder politisch. Evtl. will man, dass ich zufrieden Leine ziehe ...

Das Ziel bei der Disputation kann jetzt nur sein, mich nicht zu verschlechtern, denn eine Verbesserung ist insgesamt leider nicht möglich, und sorgenvoll schaue ich auf alles Nachfolgende ... Evtl. kann das viel diskutierte "magna versus summa" bei Berufungen entscheidend sein. Dann heißt es Taxifahrer werden, arbeitslos melden, ins fernste Ausland auswandern oder ein ewig verbitterter Privatdozent werden.

Re: Stellungnahme zu Gutachten - Textgattung und wann sinnvoll?

Verfasst: 01.12.2025, 00:21
von Wierus
Glueck_und_Frust hat geschrieben: 01.12.2025, 00:06eine Verbesserung ist insgesamt leider nicht möglich, und sorgenvoll schaue ich auf alles Nachfolgende ... Evtl. kann das viel diskutierte "magna versus summa" bei Berufungen entscheidend sein. Dann heißt es Taxifahrer werden, arbeitslos melden, ins fernste Ausland auswandern oder ein ewig verbitterter Privatdozent werden.
Um ein "verbitterter Privatdozent" zu werden, müsstest du aber noch eine Habilitationsschrift dranhängen, also eine "Dissertation plus" sozusagen (und die muss natürlich auch angenommen werden). :wink:

Nur der Verständnis halber eine kleine Frage: Kann es sein, dass du dich aufgrund der gerade angenommenen Dissertation schon fast kurz vor der Berufung zum W3-Professor siehst? Ich würde mich da nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnen, denn eine bestandene Promotion -- egal ob mit Summa oder Magna -- bedeutet noch lange nicht, dass für dich die Wahrscheinlichkeit, Uni-Professor zu werden, sonderlich gestiegen ist. Mal plastisch ausgedrückt: Die Promotion ist wie ein "Los" - ohne kannst du erst gar nicht bei der Ziehung mitmachen, aber selbst wenn du eines hast, ist deine Chance auf einen Gewinn verdammt gering.

Re: Stellungnahme zu Gutachten - Textgattung und wann sinnvoll?

Verfasst: 01.12.2025, 02:20
von deen_everstin
Ich schließe mich den Glückwünschen der anderen voll und ganz an! Magna cum laude in beiden Gutachten mit einer glatten 1,0 ist hervorragend. Die Anmerkungen im Gutachten, die offenbar nicht richtig sind, kannst du gegebenenfalls - insofern sich eine gute Gelegenheit dafür finden sollte - in der Disputation anbringen. Hierbei solltest du allerdings Vorsicht walten lassen, weil du dir auch ganz schnell ein dickes Ei legen könntest. Nur, weil du Recht hast, heißt das noch lange nicht, dass die beiden, die dich bewerten, auch einsichtig wären. Wahrscheinlicher ist es, dass sie in die Verteidigungsposition gehen würden und du auf taube Ohren stößt oder es gar noch in der Disputation zu einem kleineren oder größeren Eklat kommt. Ob es das Risiko wert ist, mag ich nicht zu beurteilen. Ich persönlich würde es unter keinen Umständen machen.

Bezüglich deiner Frage, ob du formal auf schriftlichem Wege überhaupt die Möglichkeit hättest, eine Stellungnahme zu schreiben, würde ich sagen, dass das prinzipiell in deiner Promotionsordnung geregelt sein wird bzw. du es sicherlich beim Promotionsbüro erfragen könntest. Nur wird es meiner Ansicht nach rein gar nichts an deiner Note ändern, sehr wahrscheinlich aber auf den letzten Metern deines Verfahrens Unruhe reinbringen, die du nicht gebrauchen kannst. Ich verstehe das Gefühl, falls du die Situation als unfair empfinden solltest - ging mir auch schon so. Aus eigener Erfahrung habe ich gelernt, dass man am kürzeren Hebel sitzt und lieber die Füße still hält, wenngleich es unglaublich schwer fällt.

Hinsichtlich deiner Frage, was zum Summa cum laude gefehlt haben könnte, wirst du deine Frage möglicherweise nicht auf inhaltlicher Ebene beantworten können. In meiner Promotionsordnung ist es so geregelt, dass beide Gutachten eine 0,0 ausstellen müssen und somit zum Fazit "makellos" kommen müssten. Im unwahrscheinlichen Fall der Fälle, dass das tatsächlich passiert, muss an meiner Fakultät dann aber auch noch ein drittes Gutachten an einer externen Hochschule erstellt werden, was ebenfalls zum Urteil "Summa cum laude" mit einer 0,0 kommt. Erst dann würde dieses Prädikat überhaupt erst verliehen werden können. Das sind schon so hohe Hürden, dass es nur sehr, sehr wenigen vorbehalten bleibt. Daraus impliziere ich, dass es - wie du schon erwähnt hast - eher ein Statement mit einer möglichen Strategie dahinter sein wird.

Dass du mit einer glatten 1 und der zweitbesten Abschlussnote überhaupt nun aber keine Job-Perspektiven mehr hättest und kurz davor stündest, das Land verlassen zu müssen, ist eher unwahrscheinlich. Ich kenne deinen Fachbereich und deine konkreten weiteren Ziele nicht und vielleicht ist dein Thema so extrem nischig oder aber so dermaßen überlaufen, dass es hier wirklich auf solche Unterschiede ankommt. Mag sein. In den meisten Fachbereichen wirst du mit einem Magna cum laude ausgezeichnet aufgestellt sein und da der Bedarf an vielen Hochschulen im Zuge des demografischen Wandels aktuell stetig wächst, habe ich auch schon persönlich in meinem erweiterten Umfeld mitbekommen, dass zumindest an HAWs auch ein Cum laude kein Hindernis für die Ruferteilung dargestellt hat. Kein Grund also, die Flinte ins Korn zu werfen - ganz im Gegenteil! Du bist auf dem besten Wege, deine Promotion sehr erfolgreich abzuschließen und das sehr, sehr bald. Das ist ein fetter Meilenstein und ein noch fetterer Grund zur Freude. Gratulation, ich feier dich! :D

Re: Stellungnahme zu Gutachten - Textgattung und wann sinnvoll?

Verfasst: 02.12.2025, 16:57
von GeorgHerbert
Glueck_und_Frust hat geschrieben: 01.12.2025, 00:06 Evtl. kann das viel diskutierte "magna versus summa" bei Berufungen entscheidend sein. Dann heißt es Taxifahrer werden, arbeitslos melden, ins fernste Ausland auswandern oder ein ewig verbitterter Privatdozent werden.
Viel entscheidender bei Berufungen ist der Leumund.
Ich sehe es deshalb ganz anders als du: Wenn du der Wissenschaft ohnehin den Rücken kehren willst und zuletzt einfach mal deinem Frust Raum geben möchtest, kannst du eine Stellungnahme verfassen (die aber vermutlich nur den einen Zweck erfüllen würde, dass du deine Meinung geäußert hast).
Wenn du aber in der Wissenschaft oder wissenschaftsnah arbeiten möchtest, wäre von einer solchen Stellungnahme eher abzuraten. Denn wenn du irgendwelche Stellen bekommen willst, bist du nach wie vor sehr auf das Wohlwollen und auf Empfehlungen der Höhergestellten angewiesen. Mit einem Kleinkrieg gegen Ende des Promotionsverfahrens kannst du dir da Chancen verbauen. Wenn du hingegen den/die Einsichtige spielst und bemüht bist, konstruktiv mit der Kritik umzugehen, in der Disputation aber auch zurückhaltend auf eventuelle Missverständnisse (Missverständnisse! Ob es wirklich welche sind oder nicht - egal) eingehst, kann man dich in guter Erinnerung behalten.
Faust in der Tasche - nicht schön, aber Standard für alle, die in der Wissenschaft arbeiten wollen.

Re: Stellungnahme zu Gutachten - Textgattung und wann sinnvoll?

Verfasst: 03.12.2025, 05:49
von Papierturm
Erstmal Glückwunsch!

Und dann noch kleiner Tipp meinerseits: In der Disputation zwar klar, aber diplomatisch sein. "Ja, kann man so sehen, ich habe mich mehr an [viele Quellen] orientiert und deshalb..."

Wenn man den Prüfern sagt "ihr habt Unrecht, ich habe Recht" hat man, selbst wenn man damit inhaltlich Recht hat, sich selbst einen Ziegel aufn Fuß geworfen.