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Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 19.11.2025, 16:30
von Alex
Hallo zusammen,
ich hoffe, Ihr könnt mir vielleicht einen Rat geben, weil ich gerade in einer sehr schwierigen Situation mit meiner Finanzierung stehe.
Ich bin Promotionstidentin und habe eine Promotionsförderung (1200 € monatlich). In den Bedingungen der Förderung ist ausdrücklich nur geringfügige Nebentätigkeit erlaubt. Ich habe in den letzten Wochen intensiv versucht, einen Minijob zu finden (Museen, Gastro, Drogerien usw.), aber leider ohne Erfolg – vielleicht spielt auch meine Herkunft eine Rolle (Ukraine), obwohl ich Deutsch auf C1-Niveau spreche.
Mein Problem ist nun:
Der Jobcenter möchte meine Leistungen komplett einstellen, weil ich eine Stipendiatin bin und angeblich „nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe“. Wenn das passiert, muss ich auf freiwillige Krankenversicherung wechseln, was mich 250–270 € monatlich kosten würde. Das kann ich mit der Stipendienhöhe unmöglich bezahlen.
Meine Warmmiete liegt bei 630 €, dazu weitere Lebenshaltungskosten – am Ende hätte ich weniger als den gesetzlichen Mindestbedarf.
Ich habe dem Jobcenter bereits erklärt, dass ich theoretisch für eine geringfügige Beschäftigung verfügbar bin, aber aktuell keine finden konnte. Ich habe auch eine Bestätigung von der Versicherung erhalten, dass es keine speziellen Tarife für Doktoranden gibt, und warte nun auf eine Bescheinigung der Uni, dass eine kleine Nebentätigkeit mit der Promotion vereinbar ist.
Trotzdem droht der Jobcenter, mich aus dem Leistungsbezug zu nehmen, und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich in dieser Situation weiter vorgehen soll.
Ich habe das Forum durchsucht und ähnliche Themen gefunden, aber leider keine klare Antwort auf meinen konkreten Fall.
Hat jemand Erfahrung mit dieser Konstellation – Stipendium + drohende freiwillige Krankenversicherung + Jobcenter?
Was könnte ich als nächsten Schritt tun oder beantragen, um nicht komplett ohne Absicherung dazustehen?
Ich wäre sehr dankbar für jeden Hinweis oder Erfahrungsbericht.
Liebe Grüße
Alex
Re: Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 19.11.2025, 18:24
von Grounded
Hast du schon überlegt, Wohngeld zu beantragen? Das könntest du probieren. Den Antrag solltest du zeitnah stellen, weil Wohngeld nicht rückwirkend gezahlt wird.
Re: Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 19.11.2025, 21:29
von Wierus
Grounded hat geschrieben: 19.11.2025, 18:24
Hast du schon überlegt, Wohngeld zu beantragen? Das könntest du probieren. Den Antrag solltest du zeitnah stellen, weil Wohngeld nicht rückwirkend gezahlt wird.
An sich ist das eine gute Idee, aber der Betrag ist bei Singlehaushalten am Ende den ganzen Aufwand einfach nicht wert. Es werden zudem Vermieter und Arbeitgeber/Stipendiengeber in den Prozess einbezogen. Außerdem muss man sich finanziell nahezu offenlegen. Und wenn man dann am Ende den Geldbetrag sieht -- irgendwas zwischen 50 und 180 Euro (eher am unteren Ende) -- dann ist das verdammt enttäuschend.
Ich würde dem/der TE raten, sich bei Einzelhandelsketten (Kaufland, REWE, Edeka, Norma etc.) umzusehen. Diese suchen händeringend nach sogenannten 'Aushilfen'. Der Verdienst ist zwar relativ gering und die Jobs meistens 'mies', aber dafür bracht es praktisch Null Qualifikationen.
Re: Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 20.11.2025, 10:36
von Alex
Danke für Eure Antworten.
Ich bin gerade dabei, Wohngeld zu beantragen. Sie haben mir bereits alle Voraussetzungen geschickt, und ich bin ehrlich gesagt frustriert darüber, wie viele Dokumente und Kontoauszüge verlangt werden. Wenn am Ende nur etwa 100 Euro herauskommen, ist das in meiner Situation keine wirkliche Hilfe, da Wohngeld ja nur ein Mietzuschuss ist und meine Lage insgesamt komplexer ist.
Was denkt Ihr – gibt es wirklich keine Chance, beim Jobcenter zu bleiben?
Ich habe im Gesetz gelesen, dass man für den Bezug von Bürgergeld mindestens 3 Stunden pro Tag dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muss. Das kann ich definitiv leisten. Auch die Bedingungen meiner Stipendienförderung widersprechen dem nicht – im Gegenteil, dort ist ausdrücklich erwähnt, dass eine geringfügige Nebentätigkeit möglich ist.
Ich würde mich sehr über Eure Einschätzungen freuen.
Re: Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 20.11.2025, 13:50
von abcde
Ich denke, Du wärest mit dieser Frage bei einer Sozialberatung besser aufgehoben, die kennen sich da aus. Das vorausgeschickt, sehe ich nicht, warum das Bürgergeld hier von vorneherein abgelehnt werden kann wegen nicht zur Verfügung stehen. Aber: In jedem Falle erhälst Du m. W. Bürgergeld nur anteilig für die Zeit, die Du arbeiten könntest. Sprich, bei 3h erhälst Du nur 3/Regelarbeitszeit Anteile des vollen Satzes. Ich weiss nicht, was hier als Regelarbeitszeit angesetzt wird, aber selbst wenn es nur 35h sind, bleibt nicht viel. Das Problem ist halt, dass Bürgergeld kein Promotionsförderprogramm ist. Vielleicht kann man was tricksen, aber es ist eben nicht die Intention von Bürgergeld.
Re: Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 20.11.2025, 14:39
von Grounded
Du könntest noch abklären, ob dein Stipendiengeber einen Krankenkassenzuschuss zahlt. Einige Stiftungen wie die Hans-Böckler-Stiftung oder die Studienstiftung des deutschen Volkes bieten einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung an.
Re: Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 20.11.2025, 14:43
von Alex
Danke für Deine Rückmeldung.
Ich kenne die grundsätzliche Zielsetzung des Bürgergeldes und habe mich hier im Forum auch schon durch viele Beiträge gelesen. Trotzdem bleibt für mich die Logik der Situation unklar:
Wenn ich mich tatsächlich auf Arbeitssuche befinde – auch wenn es sich „nur“ um eine geringfügige Beschäftigung handelt – warum sollte ich keinen Anspruch auf Unterstützung durch das Bürgergeld während dieser Suchphase haben?
In meinem Fall geht es nicht um eine vollständige Finanzierung, sondern lediglich um eine kleine Aufstockung bzw. zumindest um die Übernahme der Krankenversicherung.
Ich habe versucht, bei Tacheles telefonisch Beratung zu bekommen (hier oft empfohlen), aber leider ohne Erfolg.
Auch andere soziale Beratungsstellen konnten mir bisher nicht weiterhelfen – ich werde meist weiterverwiesen oder bekomme die Antwort, dass man sich mit solchen Fällen nicht beschäftigt.
Ich bin nun fast vier Jahre in Deutschland und habe trotz vieler Beratungsstellen noch keine wirklich konstruktive Unterstützung erhalten. Ich frage mich, was ich falsch mache.
Ich habe mich außerdem an meinen Universitätsbereich gewandt.
Die Reaktionen waren allerdings eher zurückhaltend, teilweise sogar irritiert – offenbar können sich manche nicht vorstellen, dass eine Doktorandin überhaupt in Kontakt mit dem Jobcenter stehen könnte. Es entsteht der Eindruck, dass man vermutet, ich wolle „doppelt“ gefördert werden, obwohl es in meinem Fall lediglich um eine minimale Unterstützung geht, weil die Stipendiumshöhe real nicht zum Leben reicht.
Dazu kommt, dass meine Situation komplizierter ist:
Ich bin in Hessen immatrikuliert, meine Stipendienmittel kommen aus Hessen, aber ich wohne in Brandenburg. Dadurch entsteht ein ständiges „Hin-und-Her-Verweisen“ zwischen den Strukturen.
Das Jobcenter verlangt von mir lediglich eine Bestätigung der Universität, dass ich nicht im Vollzeitstudium bin und grundsätzlich für eine geringfügige Beschäftigung zur Verfügung stehen kann.
Ich versuche nun schon seit zwei Wochen, diese Bestätigung zu bekommen – bisher ohne Erfolg.
Vielleicht hat jemand hier im Forum ähnliche Erfahrungen gemacht oder weiß, wie man in einer solchen Länder-übergreifenden und Stipendium-bezogenen Situation am besten vorgeht?
Vielen Dank im Voraus.
Re: Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 20.11.2025, 15:44
von Alex
Grounded hat geschrieben: 20.11.2025, 14:39
Du könntest noch abklären, ob dein Stipendiengeber einen Krankenkassenzuschuss zahlt. Einige Stiftungen wie die Hans-Böckler-Stiftung oder die Studienstiftung des deutschen Volkes bieten einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung an.
Sie haben keine leider
Re: Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 20.11.2025, 23:10
von NLPDG_Guy
Alex hat geschrieben: 19.11.2025, 16:30
Ich habe in den letzten Wochen intensiv versucht, einen Minijob zu finden (Museen, Gastro, Drogerien usw.), aber leider ohne Erfolg – vielleicht spielt auch meine Herkunft eine Rolle (Ukraine), obwohl ich Deutsch auf C1-Niveau spreche.
Guten Abend Alex,
ich frage mich dann, wie du dich in den entsprechenden Läden vorgestellt hast. Man darf dich im Bewerbungsprozess nicht nach deiner Herkunft, dem Alter oder dem Geschlecht fragen. Wenn du jetzt in eine Gastronomie zum Chef gehst und ihn fragst, ob er jemanden als Aushilfe/Kellner/etc. gebrauchen kann und dass du arbeitsfähig, gesund und belastbar bist, dann darf er dich nicht fragen "aha und woher kommst du?". Falls der das doch fragen sollte, würde ich mich ganz blöd stellen und einfach sagen, aus welcher Stadt/Stadtteil/Ort ich komme. Und ich würde ihm dann auch sagen, dass ich Doktorand bin und hier einen Nebenjob suche und an der Universität XYZ bin. Ich habe xyz Stunden pro Woche Zeit für den Nebenjob, blabla. Und den Rest füllst du halt mit Smalltalk aus. Und wenn die Leute nicht völlig dumm sind, dann merken die auch schnell, dass du es ernst meinst. Sobald dann ein Arbeitsvertrag unterschrieben ist, gehst du damit zum Jobcenter und legst das Teil einfach deinem Sachbearbeiter vor. Und der muss sich dann kümmern, dass das alles soweit passt. Es gibt ein Deutsches Sprichwort: "Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm". Das musst du beim Jobcenter definitiv machen.
Der Jobcenter möchte meine Leistungen komplett einstellen, weil ich eine Stipendiatin bin und angeblich „nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe“.
Und damit hat das Jobcenter ja auch recht, denn du stehst dem Arbeitsmarkt dadurch auf dem Papier nicht zur Verfügung. Aber davon darfst du dich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Es gibt halt Dinge, die muss man strategisch umgehen und sowas gehört dazu. Ich kenne diese Probleme, hatte sie selber und auch ich musste aus der Not eine Tugend machen.
Ich versuche nun schon seit zwei Wochen, diese Bestätigung zu bekommen – bisher ohne Erfolg.
Ich würde dort jeden Tag anrufen und E-Mails schreiben, dass du diesen Schein dringend brauchst. Universitäten sind auch nur bessere Behörden, denen muss man wirklich auf den Zünder gehen, wenn man was haben will.
Ich wohne übrigens auch in Brandenburg.
Viele Grüße
Maik
Re: Promotionstipendium und ALG II
Verfasst: 21.11.2025, 12:40
von Alex
Lieber Maik,
vielen Dank für deine ausführliche Rückmeldung und deine hilfreichen Erklärungen.
Ich habe versucht, einen Minijob zu finden, aber leider bekomme ich sehr viele Absagen. Bei dm und Bio Company werden zwar ständig Leute gesucht, aber dennoch habe ich nur Absagen erhalten. Vielleicht wirke ich überqualifiziert, weil ich meinen üblichen Lebenslauf mit vielen Jahren Museumserfahrung und allen Zeugnissen mitschicke. Ich dachte bisher, je mehr Informationen, desto besser.
Bei McDonald's wollten sie mich einstellen, aber nur in Teilzeit oder Vollzeit – einen Minijob benötigen sie dort nicht. Teilzeit passt jedoch überhaupt nicht, da ich meine Dissertation fertigschreiben muss und das auf einer Fremdsprache, was doppelt so viel Zeit erfordert. Kommunikativ bin ich leider nicht die Stärkste, aber ich bemühe mich und habe auch versucht, direkt in einigen Geschäften am Potsdamer Hauptbahnhof nachzufragen, bisher ohne Erfolg.
Heute habe ich ein Schreiben von der Uni erhalten, das ich nun a das Jobcenter weiterleiten werde. Ich hoffe, dass sich die Situation dadurch etwas klärt.
Falls es für dich passt, könnten wir vielleicht irgendwann einmal kurz telefonieren oder uns austauschen. Ich würde mich freuen, da ich niemanden kenne, der eine ähnlich schwierige Situation erlebt hat.
Viele Grüße
Alex