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mashdoc hat geschrieben: 09.12.2024, 12:21
Das ist auch meine Beobachtung. Nicht überraschend, denn die guten bis sehr guten internationalen Studierenden gehen zu den global bekannten Unis, in Deutschland z.B. die TUM und die, die an regionale Fachhochschulen gehen haben, zumindest bei uns, haben v.a. den finanziellen Aspekt (keine/geringe Studiengebühren) als Anreiz. Das ist keine gute Mischung. Wobei das Niveau vieler einheim. Stud. nicht unbedingt so viel besser ist.
Ja, in Summe lügt man sich hier als Ministerium selbst an bzw. versucht, das Problem auf die individuellen Hochschulen zu verlagern. Bei uns sind es leider nicht nur wenige einheimische Studis, sondern eben auch nicht gerade die hellsten. Ich fühl mich manchmal eher wie ein Tutor einer Kleingruppe, die ohne Einzelbetreuung gar keine Chance hätte. Gleichzeitig hatte ich in den letzten Semestern versucht, mit modernen Lehr- und Prüfungsformen wirklich die relevanten Kompetenzen (in meinem Fall eher praktische Fächer) zu testen - aber dafür sind einige echt zu ...sorry... doof. D.h. ich transformiere allmählich zu genau dem Typ Prof, der ich selbst nie sein wollte: sein Engagement in der Lehre auf ein Minimum reduzierend und alles über Klausuren abprüfend. Aber vll haben meine/unsere Profs früher dieselbe Transformation durchgemacht?!
johndoe hat geschrieben: 09.12.2024, 14:33
D.h. ich transformiere allmählich zu genau dem Typ Prof, der ich selbst nie sein wollte: sein Engagement in der Lehre auf ein Minimum reduzierend und alles über Klausuren abprüfend. Aber vll haben meine/unsere Profs früher dieselbe Transformation durchgemacht?!
Ja, selbe Entwicklung bei mir. Ich habe festgestellt, dass ich wesentlich rigoroser in den Klausuren prüfe (mit entsprechenden Durchfallerquoten), weil ich dermaßen unzufrieden bin, wie die Lehre läuft. Ich stelle im Semester klar, dass die Klausur anspruchsvoll wird - und ein sehr hoher Prozentsatz scheitert. Das Blöde ist: das kannst du mit Lebenszeit-W2 machen (bzw. die älteren Kollegen schreiben seit 20 Jahren die gleichen Klausuren), aber nicht als Lehrbeauftragter. Und so kommen viele Studierende überhaupt erst dazu, sich im 5. Semester wiederzufinden, aber eigentlich kaum etwas drauf zu haben. Gemäß Flurfunk gibt es nicht wenige, die im 7. Semester sind, aber noch offene Prüfungen aus dem 1. Semester haben (und zwar die Kaliber wie Mathe/Stochastik usw.).
Diese Diskussion liefert ja so einige interessante Einblicke. Ich persönlich fühle mich dadurch in der folgenden Annahme bestärkt: Die Privatisierung des deutschen Hochschulwesens wächst zu einem grandiosen Fehlschlag aus.
Oder braucht es vielleicht einfach nur noch mehr Privatisierung, ergo: noch mehr Konkurrenz unter den Fachhochschulen sowie mehr "Kundenorientierung" und größere Rücksichtnahme auf 'hochaktuelle' Forschungstrends?
Wieso Privatisierung? Ich schiebe das zu einem großen Teil dem sinkenden Niveau der weiterführenden Schulen und einer sinkenden Bedeutung von Bildung bei gleichzeitigem Drang nach mehr Akademisierung (viele der heutigen Stud. wären in einer Lehre/Ausbildung besser aufgehoben) generell in die Schuhe. Dass es zu viele FH gibt (und dann noch die IU), macht es nicht besser.
Ich hab noch eine dritte Meinung: der Staat hat's verkackt. Durch die übermäßige Förderung von MINT gibt es heute viel zu viele Angebote und Professuren. Darunter leiden va die ländlichen FH. Und da der Kannibalismus mit Kennzahlen und Geldern angeheizt wird, sterben die technischen Studiengänge außerhalb der Metropolen allmählich aus bzw müssen sich mit internationalen Studis quantitativ über Bord halten.
mashdoc hat geschrieben: 10.12.2024, 06:45
Wieso Privatisierung?
Auch wenn ich dir zum sinkenden gesellschaftlichen Stellenwert von "Bildung" zustimmen würde, so überrascht mich deine Gegenfrage ziemlich.
Die Zahl privater Hochschulen ist in den letzten 10-15 Jahren im Vergleich zu staatlichen Hochschulen geradezu dramatisch gestiegen. Und gerade die Anzahl und Dichte von Hochschulen wurde in dieser Diskussion mehrfach kritisch hervorgehoben.
Außerdem lassen sich viele -- eigentlich alle -- der bisher genannten Kritikpunkte mit der Privatisierung des Hochschulwesens erklären: Dass man etwa auf Biegen und Brechen Studenten anlocken und an der eigenen FH halten muss (i.e. der Stundent als "Kunde"), ebenso der Hang zu kurzfristig lukrativen Trendfächern.
Im übrigen findet auch eine Privatisierung des restlichen Schulwesens statt: Private Gymnasien und Fachoberschulen machen entweder Profit mit der Bezahlung/Auslastung des Lehrpersonals oder eben mit der Qualität der vermittelten Bildung. Und auch sie speisen dann ihre Schüler in den tertiären Bildungsbereich ein.
Meine Beobachtung ist, dass an privaten Hochschulen oft das Niveau noch unterirdischer ist, da der Studierende als Kunde gesehen wird und man ihn auf Biegen und Brechen irgendwie mit einem Abschluss versehen möchte, schließlich zahlt er ja auch dafür. Aber auch insgesamt ist das Neveau teilweise echt erschreckend. In meinem näheren Umfeld hat jemand 2019 einen Bachelor-Abschluss an einer staatlichen FH gemacht, und es war schon bemerkenswert, wie wenig dort teilweise in den Klausuren verlangt wurde. Der Abschluss war in einem MINT-Fach, aber was die an Mathe hatten war bei uns damals Stoff der Mittelstufe, maximal 11. Klasse.
Schlimm ist aber auch die Situation an den Schulen. Ich habe drei Kinder auf der Grundschule und auf dem Gymnasium, und meiner Meinung nach wird dort zu wenig brauchbarer Stoff vermittelt. Oft einfach aus dem Grund, weil die Lehrkräfte viel Zeit darauf verwenden müssen, Störenfriede im Zaum zu halten, und dabei gehen meine Kinder noch auf relativ behütete Dorfschulen. Ich will gar nicht wissen, wie es dann in Problemvierteln aussieht. Teilweise wird meiner Meinung nach aber auch zuviel anderes gemacht. Das ist zwar schön, aber Ausflüge, gemeinsames Backen oder Theaterstücke einüben hätte ich jetzt eher im Freizeitbereich gesehen, als vormittags in der Schule.
Wir haben beispielsweise in der vierten Klasse schon seitenlange Aufsätze geschrieben, bei denen auch jeder Rechtschreibfehler angekreidet wurde. Meine Kinder haben Schreiben-nach-Hören gelernt, da durfte in den ersten Jahren gar nichts verbessert werden, und entsprechend miserabel ist die Rechtschreibung. Eigene, längere Texte zu schreiben, kam in der Grundschule gar nicht vor. Das Ergebnis der Schulbildung sieht man dann sehr deutlich bei den Studienanfängern, denen man oft noch den einfachen Dreisatz erklären muss.
Mein Kind auf dem Gymnasium wird übrigens in einem mehr als baufälligen Gebäude unterrichtet, Sportunterricht kann im Winter gar nicht stattfinden, weil alle Turnhallen in einem so schlechten Zustand sind, dass sie nicht mehr genutzt werden dürfen. Es sind 30 Kinder in der Klasse, der Lärmpegel ist so hoch, dass mein Kind oft gestresst nach hause kommt, und wenn ein Lehrer ausfällt (was sehr oft vorkommt, kein Wunder) gibt es keinen Ersatz. Ich hoffe so sehr, dass sich die politische Unterstützung für den Bildungssektor ändert, denn das fällt uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch sehr schwer auf die Füße. Da aber immer nur in Legislaturperioden gedacht wird und Kinder/Familien keine besonders starke Lobby haben, ist meine Hoffnung diesbezüglich gedämpft.
mashdoc hat geschrieben: 10.12.2024, 06:45
Wieso Privatisierung?
Außerdem lassen sich viele -- eigentlich alle -- der bisher genannten Kritikpunkte mit der Privatisierung des Hochschulwesens erklären: Dass man etwa auf Biegen und Brechen Studenten anlocken und an der eigenen FH halten muss (i.e. der Stundent als "Kunde"), ebenso der Hang zu kurzfristig lukrativen Trendfächern.
Ich bezweifle, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt zwischen Aufkommen der privaten FHs und Niveausenkung an staatlichen FHs. Ich glaube, da gibt's andere Einflussfaktoren, die beides fördern, allen voran die Coronazeit und die überbordende Internationalisierung.
Blau hat geschrieben: 11.12.2024, 09:10
Schlimm ist aber auch die Situation an den Schulen. Ich habe drei Kinder auf der Grundschule und auf dem Gymnasium, und meiner Meinung nach wird dort zu wenig brauchbarer Stoff vermittelt.
Wie brauchbar der Stoff wahrgenommen wird, ist sicher eine subjektive Geschichte. Ich erlebe das Gymnasium aus nächster Nähe eher sehr streng und filternd, also das Gegenteil vom Hochschulwesen. Vermutlich haben Schulen andere Kennzahlen als wir. Und ich lerne daraus schon, penibler zu korrigieren.
johndoe hat geschrieben: 11.12.2024, 11:44
Ich bezweifle, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt zwischen Aufkommen der privaten FHs und Niveausenkung an staatlichen FHs. Ich glaube, da gibt's andere Einflussfaktoren, die beides fördern, allen voran die Coronazeit und die überbordende Internationalisierung.
Ja, die Argumentation leuchtet mir auch nicht wirklich ein. Bzw. es gibt relevantere Einflüsse.