Hier mal mein Senf zu diesem Thema. Bin seit 2018 Prof. Habe seit 2 Jahren ein Kind.
Ohne Kind fand ich die vorlesungsfreie Zeit im Jahr perfekt für Urlaube. Als meine Tochter geboren wurde, hat sich meine Sichtweise auf dieses enge Professoren-Korsett jedoch drastisch geändert:
1. Meine Partnerin wirft mir bis heute noch vor, dass ich keine Elternzeit genommen habe. Mal abgesehen vom Gehaltsverlust war es praktisch nicht möglich ohne meinen ganzen Kollegen damit auf die Füße zu treten. Unser Fachbereich ist stark unterbesetzt, ich habe 3 Pflichtvorlesungen im Bachelor, sowie Pflichtvorlesungen im Master. Wenn ich Elternzeit genommen hätte (falls der Dienstherr dem überhaupt zugestimmt hätte), wäre der Studiengang den Bach runter gegangen, denn andere Kollegen hätten nicht übernehmen können (magels fachlicher Eignung), Lehrbeauftragte finden wir auch so nur äusserst schwer, wenn überhaupt.
2. Meine Partnerin ist in Elternzeit, muss aber natürlich auch mal zu Ärzten, Frisuer oder zu andere "Events", wie z.B. Beerdigungen, Hochzeiten. Manches lässt sich nicht umlegen. Sie ist dann auf mich angewiesen ist, damit ich unsere Tochter betreue (oder mitkomme)... Bei der durchgetakteten Woche im Semester klappt das aber nur bedingt. Omas und Opas wohnen außerdem zu weit weg. In meinem alten Beruf hätte ich einfach Urlaub genommen oder von zuhause aus gearbeitet (und dann nach Abends ggf. gearbeitet). Als Prof. hat man fixe Leuchttürme im Semester (VL, P, Ü, Klausuren etc.) und kann nur aus wichtigem Grund entkommen. Das empfinde ich mittlerweile als sehr sehr einschränkend.
3. Es wurde hier schon desöfteren angesprochen, dass die Schulferien und die vorlesungsfreie Zeit nicht deckungsgleich sind. Dazu kommt, dass die vorlesungsfreie Zeit im Sommer hauptsächlich in der Hauptsaison stattfindet, wo viele Urlaubsziele überteuert und/oder überfüllt sind.
4. Ich musste letztens am Wochenende ins Krankenhaus und bin am Montag aus dem Krankenhaus direkt in eine Vorlesung gesprungen, weil auf meinen Schultern der Durck lastet, meinen Stoff durch bekommen zu müssen (die VL Inhalte ist ja schon da und ändern sich bei mir nicht ständig). Zumindest an unserer Hochschule sind die Studenten alles andere als selbstständig, neugierig, wissbegierig etc. Die freuen sich wenn sie mit minimalem Aufwand die maximale Note erreichen. Was in der VL nicht besprochen wird lernen sie auch nicht und wenn ich sage, dass sie das trotzdem sollen, dann lassen sie ihren Frust in der Lehrevaluation (die bei uns für Zulagen wichtig sind) raus.
5. Wenn man den Professoren Job ernst nimmt (im Sinne von Lehre UND Selbstverwaltung UND Forschung), dann muss man 50-60 Stunde pro Woche arbeiten. Das ist alles andere als familienfreundlich, denn dann bleibt einem gar keine zeitliche Flexibilität mehr. Viele Kollegen sehen sich daher nur als Lehrer und sind glücklich damit. Mich frustriert das extremst, weil ich nicht Professor werden wollte, um nur Lehre und Selbstverwaltungsmist (der im übrigen immer mehr, immer absurder und immer zeitaufwändiger wird) zu übernehmen.
6. Selbst unsere Mitarbeiter haben seit Corona und der Einführung von mobilem Arbeiten eine größere zeitliche Flexibilität und nehmen sich, gedeckt durch den Personalrat, immer mehr raus.
7. Das Gehalt ist auch nicht weltbewegend und für ein paar hundert Euro Brutto Zulage muss man zum Top-Teacher, Top-Forscher und Top-Selbstverwalter mutieren. Da stimmt das Verhältnis absolut überhaupt nicht. Dann lieber nach der Arbeit Pfandflaschen sammeln gehen, als sich für wenig Geld völlig zu verausgaben