Gutachten verzögern sich trotz Fristablauf und mein Vertrag läuft aus

[ana_z]

Hallo zusammen,

ich schreibe zum ersten Mal hier und zwar, weil ich meinen aufgestauten Frust rauslassen muss, mich aber auch über den Austausch zu diesem Thema freuen würde - sicher bin ich nicht die einzige Person hier, die mit solchen Unmengen an Ungewissheit und Unsicherheit kämpfen muss...

TLDR: ich warte seit 7 Monaten auf der Begutachtung meiner Diss und mein Arbeitsvertrag läuft in ca. 6 Monaten aus, sodass ein rechtzeitiger Anschlussvertrag als PostDoc immer unwahrscheinlicher wird; die vorgeschriebenen 6 Jahre sind bei mir mit Ablauf dieses Vertrags auch nun rum.

Und hier die Long Story:
Zum Hintergrund: ich habe wirklich ALLES gegeben, damit ich mit meiner kumulativen Diss so schnell wie möglich fertig werde und, unter der Bedingung einer erfolgreichen Promotion, rechtzeitig einen Anschlussvertrag als PostDoc bekomme (ist in unserer AG zum Glück Standard und ich möchte auch weitermachen).
Zwischen Einreichung der Diss und Ablauf meines Arbeitsvertrages liegen ca. 13 Monate - eigentlich genug Zeit, um alles Administrative rund um den Abschluss einer Promotion und der Vorbereitung eines PostDoc-Vertrags zu organisieren.

Naja, nun sieht meine Timeline ungefähr so aus:

Anfang August 2023 - Einreichung der Dissertation;

Mitte September 2023 - nach erfolgter Prüfung meiner Unterlagen, wurden die Aufforderungen zur Begutachtung an die ausgewählten Gutachter*innen verschickt (die Info habe ich dank meiner DM, die auch ihr Gutachten asap abgegeben hatte); nein, ich weiß nicht, wer die anderen zwei Gutachter*innen sind - bei uns ist der Prozess komplett verblindet und die Gutachter*innen wissen auch voneinander nichts; nur die Person, die die Erstbetreuung übernommen hat, steht von Anfang an fest;

Ende November 2023 - die Frist zur Abgabe der Gutachten ist abgelaufen; vom Promotionsbüro wird mir mitgeteilt, dass ich noch etwas Geduld haben muss, weil die Frist "sowieso nie eingehalten wird";

Ende Januar 2024 - das Promotionsbüro verschickt Mahnungen an die Person(en), die ihr Gutachten noch nicht eingereicht haben - ob 1 oder 2 fehlen, darf ich nicht wissen;

... Und nun wurde mir wird mitgeteilt, dass ein Gutachter kurz vor Ablauf der Frist (vermutlich ist die Frist nach der Mahnung gemeint) sich als nicht kompetent erklärt hat und das Dekanat einen neuen Gutachter finden musste... diese neue Person hat jetzt auch 2 Monate Zeit, die dann höchstwahrscheinlich und "selbstverständlich" auch nicht eingehalten werden;

Zwar habe ich noch ein bisschen Zeit, aber ihr wisst, wie es an den Unis ist - für den kleinsten Sch*iß braucht man ein halbes Jahr... mein Vertrag und meine 6 Jahre laufen im September aus und aktuell stehen die Aussichten für einen rechtzeitigen Abschluss ziemlich schlecht. Ich kann/darf nichts tun außer zu warten und hoffen, dass diese neue Person meine Diss doch im Rahmen der 2 Monate liest und begutachtet, doch auch dann wäre es ziemlich knapp (aus Erfahrungen anderer Postdocs bei uns weiß man, dass nach Bekanntgabe der Gutachten weitere 3-4 Monate für die Orga der Disputation und Fertigstellung der Zeugnisse und Veröffentlichung notwendig sind)... meine DM kann auch nichts tun, da sie auch von den anderen Gutachter*innen nichts wissen darf.

Ist jemand bereits in einer ähnlichen Situation gewesen? Bestünde die Möglichkeit, einen Doc-Vertrag über die 6 Jahre hinaus etwas zu verlängern, damit die Promotion abgeschlossen werden kann, wenn für die Verzögerung nicht die promovierende Person Schuld ist? Wie kann ich in der Situation am besten verhandeln?

Freue mich sehr über konkrete Vorschläge oder auch generelle Tipps, wie rein psychisch mit der Ungewissheit drum herum umzugehen wäre...

[Zwonk]

@ana_z: Ich kann mich sehr gut in Deine Lage hineinversetzen, da es bei mir ähnlich war. Durch administratives Chaos und andere schwer nachvollziehbare Gründe waren die Gutachten für meine Dissertation auch erst acht Monate nach dem geplanten Stichtag fertig und mein Vertrag war ausgelaufen.

Meine Erfahrung damals war, dass es niemanden an der Hochschule interessiert hat. Ich wurde sozusagen pünktlich auf die Straße gesetzt und musste dann selbst sehen, wie ich klarkomme.

Sorry, dass ich keinen Geheimtipp habe, was man machen kann

Was mir geholfen hat war, mich schnell endgültig geistig vom Hochschulbetrieb zu verabschieden, um aus diesem Bittstellerdasein herauszukommen.

[Florina]

Hey, du hast die Lage analysiert und erkannt, dass du keinen Einfluss hast. Damit kannst du nur akzeptieren lernen. An meiner Uni gibt es individuelle Coachings vom Graduiertenkolleg und Fortbildungen für Mitarbeiterinnen. Vielleicht ist da was für dich dabei.
Dann könntest du tatsächlich klären, ob du als Haushaltsstelle, die über die Coronazeit angestellt war, 6-12 Monate verlängern kannst. Manche Bundesländer haben das möglich gemacht. Deine Personalbearbeitung kann dir das genau sagen.
Sonst: Schau dich nach einer anderen Post-Doc-Stelle um. Du wirst sicherlich vor deinem Vertragsende fertig werden und bei deiner Situation gerade, ist zumindest die Möglichkeit hilfreich, woanders hingehen zu können. Und wer weiß, welche anderen Möglichkeiten sich noch eröffnen.

[Jucy23]

Moin,
mir sind hier ehrlich gesagt die Strukturen und Verhältnisse nicht ganz klar (Verortung AG und Anstellung vs. Doktormutter und Diss), aber wenn in deiner AG Anschlussverträge als PostDoc Standard sind, wirst du doch nicht die erste Person sein, bei der es zeitlich knapp war im Übergang. Wenn es da Interesse gibt, dich zu halten, ist die AG-Leitung doch Ansprechpartner, um sich bei der HS für dich einzusetzen, oder?
Viel Erfolg weiterhin!

[Bobo87]

Hey,

falls für dich auch in Frage kommt, die Uni zu wechseln: An vielen Unis kann man auch schon als Postdoc anfangen, wenn dir die Doktormutter bestätigt, dass du "demnächst" deinen Dr. haben wirst.

Ansonsten: Paar Monate einen Aushilfsjob machen oder ALG 1 bekommen und auf den Dr. Abschluss/ den Beginn der Postdoc Stelle warten. Eine Lücke von ein paar Monaten im Lebenslauf ist heutzutage nicht so dramatisch; und du kannst es ja im Zweifelsfalle bei Nachfragen künftiger Arbeitgeber gut begründen. Falls du ALG 1 bekommst, wird dich das Amt wahrscheinlich auch nicht direkt in irgendeinen Blöd-Job zwingen, da du die Postdoc-Stelle ja in konkreter Aussicht hat.

Für die psychische Bewältigung: Einfach akzeptieren, dass sowas an Unis permanent passiert; man ist dem System ausgeliefert, gerade als Doktorand. Falls dir das hilft, kannst du dir ja die ganzen Horror-Storys hier im Forum durchlesen

LG

[Zitationswolke]

Sonst: Schau dich nach einer anderen Post-Doc-Stelle um. Du wirst sicherlich vor deinem Vertragsende fertig werden und bei deiner Situation gerade, ist zumindest die Möglichkeit hilfreich, woanders hingehen zu können. Und wer weiß, welche anderen Möglichkeiten sich noch eröffnen.

Ich unterschreibe diesen Rat von Florina. Nimm das Heft in die Hand und schau dich um. So verlagerst Du deinen Fokus und kommst ins Handeln. Das passive Warten kann verrückt machen.

Du kannst dich jetzt nochmal neu wissenschaftlich verorten und deinen weiteren Forschungskarriereweg aktiv in die Hand nehmen. Dein Forschungsprofil ist durch die Paper der kumulativen Diss auch für Außenstehende bereits jetzt gut sichtbar/beurteilbar und Anschlusskommunikation ist gut möglich.

Ein paar Ideen: Vielleicht könntest Du Kontakt zu interessanten Projekten/Gruppen/Personen aufnehmen (E-Mail schreiben und einen Kaffee trinken gehen falls in deiner Stadt oder via Zoom Gespräche führen). So identifizierst Du Möglichkeiten (manchmal auch Stellen die noch nicht öffentlich sind o.ä.), baust dein Netzwerk aus, kannst vll. auch eine Kooperation für ein zukünftiges Forschungsprojekt organisieren usw. - sieh es als Chance, ein wenig in den wissenschaftlichen Diskurs zu gehen. Sofern inhaltlich sinnvoll u. in deinem Feld üblich, könntest Du auch versuchen, Vorträge außerhalb von Konferenzen/Einreichungen zu halten/organisieren (informellere Formate wie z.B. Kolloquium o. Brown Bag Lunch an einer anderen Uni/Fachbereich). In einem Vortrag könntest Du dein Profil herausarbeiten/roter Faden deiner Forschungstätigkeit präsentieren, ggf. Feedback für kommende Projekte einholen o.ä. - Sinn und Zweck ähnlich zum Klinkenputzen von oben. Als Bonus bereitest Du so auch schon deinen Disputationsvortrag inhaltlich etwas vor.

Viel Erfolg und gute Nerven!

[ana_z]

Liebe Alle,

herzlichen Dank für eure netten Rückmeldungen! Auch wenn es mich ärgert, dass so viele von uns in einer ähnlichen Situation stecken bzw. gesteckt haben, bin ich soooo froh, dass wir uns gegenseitig unterstützen können

Viele von euren Vorschlägen setze ich seit Jahren konsequent um, wie z. B. Teilnahme an Netzwerktreffen (v.a. von Nachwuchswissenschaftler*innen), Konferenzen, Science Slams o.ä. Daraus entstehende Kontakte (inkl. internationale) pflege ich fleißig, sodass ich mir über die Jahre auch interdisziplinäre Projekte, Ko-Autorenschaften und Drittmittel selber organisieren konnte. Ich versuche natürlich weiterhin, als Plan B, selber Drittmittel für meine Stelle zu besorgen und habe aus eigener Initiative bereits letztes Jahr ein Konsortium-Proposal mitgestaltet, worüber Geld für meine Stelle verfügbar wären - da ist die Konkurrenz aber zu groß und ich gehe nicht davon aus, dass es klappt (naja, ich musste es schon versuchen). Aber klar, schaue ich mir schon seit einiger Zeit die Stellenangebote auch in der freien Wirtschaft um und habe meinen Lebenslauf, LinkedIn-Profil etc, updated

Ich wollte mit meiner Nachricht abwarten, bis ich meine Gespräche mit der AG-Leitung sowie mit dem Promotionsbüro hinter mir hatte, damit ich euch zumindest etwas mit Substanz zurückmelden kann.
Das Promotionsbüro hat volles Verständnis für meine Situation, auch wenn ich nicht die einzige bin. So wie ich das Gespräch verstanden habe, wurde auch nach Ablauf der Begutachtungsfrist immer etwas abgewartet bis man den Gutachter*innen eine Mahnung geschickt hat. Nach meinem Gespräch mit der zuständigen Person wurde mir nun zugesichert, dass die Mahnung diesmal und aufgrund des Zeitdrucks sofort geschickt wird, sodass ich vermutlich/hoffentlich im Juni verteidigen kann. Jede Fakultät ist aber anders, daher macht es hier keinen Sinn, über die weiteren Details zu berichten, deswegen fasse ich nur zusammen: es lohnt sich, mit der zuständigen Person im Promotionsbüro auch mal persönlich oder telefonisch zu sprechen - man erfährt deutlich mehr als per e-Mail

Von meiner AG aus: man will mich auf jeden Fall behalten (hard work pays off, yes!). Wir hoffen weiterhin, dass sich der neue Gutachter asap meldet, trotzdem soll jetzt schon ein Plan B ausgearbeitet werden, z. B. über andere Drittmittel, damit die Zeit bis zum Promotionsabschluss überbrückt werden kann, falls sich der Prozess über mein Vertragsende hinaus verzögern soll. Das liegt auch daran, dass ich an längerfristigen Projekten arbeite, d.h. es lohnt sich auch für die AG, dass ich so lange wie möglich hier bleibe. Klar, niemand ist unersetzlich, aber man kann sich schon schwieriger zu ersetzen machen

Ich versuche jetzt mal eine positivere Perspektive zu adoptieren und mir die Zeit bis zur lang ersehnten E-Mail aus dem Promotionsbüro nicht komplett zu verderben (so kommt man ja auch in Vorstellungsgesprächen besser an)