Restunsicherheit Zitieren

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Buchstabensuppe
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Restunsicherheit Zitieren

Beitrag von Buchstabensuppe »

Hallo ihr Lieben,

mich treiben, angeregt durch die neuen Diskussionen zu Plagiaten in letzter Zeit, zwei Fragen um, bei denen eine gewisse Restunsicherheit herrscht, wie mir jetzt bewusst wurde -- und fragen schadet ja nie :)

1. Paraphrasieren: Es ist ja bekanntlich leserfreundlicher und auch im Sinne der Mediationsfähigkeit eines:r Wissenschaftler:in, dass man die Gedanken anderer paraphrasieren und für die eigene Analyse nutzbar machen kann. Wie gehe ich in diesen paraphrasierten Stellen dann aber mit Fachbegriffen/ Phrasen um, die so vom Originaltext verwendet werden? Als Beispiel fällt mir jetzt nur schnell "imagined communities" ein. Wenn ich also einen Abschnitt aus Benedict Anderson's Buch paraphrasiere und für meine Analyse nutzbar mache, muss ich dann jedes Mal wenn ich "imagined communities" darin verwende, im paraphrasierten Text ein direktes Zitat einfügen?
Das ist jetzt nur ein Beispiel; ein anderes wäre historische Abrisse, die ich mir aus der Fachliteratur zusammensuche, dann paraphrasiere und natürlich am Ende des Abschnitts angebe, welche Literatur ich verwendet habe -- auch darin können aber durchaus Restfragmente des ursprünglichen Texts sein, bspw. auch ein ähnlicher Syntax oder so. Ist das nun ein Plagiat?

2. Sekundärzitate: Dass man die am besten vermeidet, sich selbst die erforderliche Literatur beschafft und ansieht, und auf keinen Fall Blindzitate verwendet weiß ich. Was ist aber mit dem folgenden Fall: Ich stöbere in der Fachliteratur zu einem dem meinen ähnlichen Thema, der:die Autor:in verwendet für mein Thema noch tollere und passendere Zitate an einer Stelle, an der ich sie in meiner Diss auch gerne so verwenden würde. Ich beschaffe mir also die von ihm:ihr besprochene Literatur, lese sie, baue die Zitate in meinen Text ein und zitiere dann natürlich all diese Texte entsprechend (der:die erste Autor:in, von der ich die Inspiration hatte, an passender Stelle natürlich auch). Jetzt ist es aber so, dass ich nur durch den:die erste:n Autor:in auf all diese geniale Fachliteratur gekommen bin, und auch dass und wie ich sie in meine Argumentation einbaue, habe ich im Grunde nur ihm:ihr zu verdanken. Mache ich mich hier eines Plagiats schuldig?

Vielen Dank für jede Hilfe!
Wierus
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Re: Restunsicherheit Zitieren

Beitrag von Wierus »

Buchstabensuppe hat geschrieben: ↑04.01.2024, 17:20Wie gehe ich in diesen paraphrasierten Stellen dann aber mit Fachbegriffen/ Phrasen um, die so vom Originaltext verwendet werden? Als Beispiel fällt mir jetzt nur schnell "imagined communities" ein. Wenn ich also einen Abschnitt aus Benedict Anderson's Buch paraphrasiere und für meine Analyse nutzbar mache, muss ich dann jedes Mal wenn ich "imagined communities" darin verwende, im paraphrasierten Text ein direktes Zitat einfügen?
Wenn du deutlich genug klargestellt hast, dass dieser Begriff allein von Anderson verwendet wird und sonst von niemand anderem bzw. der Leser unmissverständlich darüber informiert wird, dass du dich jedes mal bei Verwendung dieses Begriffs auf ein von Anderson entwickeltes Konzept beziehst, dann nein.

Buchstabensuppe hat geschrieben: ↑04.01.2024, 17:20Das ist jetzt nur ein Beispiel; ein anderes wäre historische Abrisse, die ich mir aus der Fachliteratur zusammensuche, dann paraphrasiere und natürlich am Ende des Abschnitts angebe, welche Literatur ich verwendet habe -- auch darin können aber durchaus Restfragmente des ursprünglichen Texts sein, bspw. auch ein ähnlicher Syntax oder so. Ist das nun ein Plagiat?
Die Übergänge zwischen schludriger Arbeitsweise und unbewusstem Plagiat sind leider fließend. Dessen sollte man sich immer bewusst sein. Ob diese unbewussten Plagiate dann so häufig und an so wichtigen Stellen deiner Argumentation kommen, dass es ein Fall für die Prüfungs- bzw. Promotionskommission wird, kann auf Anhieb keiner sagen. Von daher lieber sorgfältig arbeiten und im Zweifelsfall einmal zu oft zitieren als zu wenig.

Buchstabensuppe hat geschrieben: ↑04.01.2024, 17:202. Sekundärzitate: Dass man die am besten vermeidet, sich selbst die erforderliche Literatur beschafft und ansieht, und auf keinen Fall Blindzitate verwendet weiß ich. Was ist aber mit dem folgenden Fall: Ich stöbere in der Fachliteratur zu einem dem meinen ähnlichen Thema, der:die Autor:in verwendet für mein Thema noch tollere und passendere Zitate an einer Stelle, an der ich sie in meiner Diss auch gerne so verwenden würde. Ich beschaffe mir also die von ihm:ihr besprochene Literatur, lese sie, baue die Zitate in meinen Text ein und zitiere dann natürlich all diese Texte entsprechend (der:die erste Autor:in, von der ich die Inspiration hatte, an passender Stelle natürlich auch). Jetzt ist es aber so, dass ich nur durch den:die erste:n Autor:in auf all diese geniale Fachliteratur gekommen bin, und auch dass und wie ich sie in meine Argumentation einbaue, habe ich im Grunde nur ihm:ihr zu verdanken. Mache ich mich hier eines Plagiats schuldig?
Wenn du dich mit einer eigenen Sichtweise an einem oder einigen wenigen Autoren abarbeitest, oder aber, wenn es zu deinem Thema nur einen oder einige wenige Autoren gibt, die rauf und runter zitiert werden, dann ist das eben so. Wenn ein Autor Y vier sehr wichtige Zitate von Autor X in einer Reihenfolge anbringt, die auch für deine Argumentation wichtig ist, dann bleibt dir nichts anderes übrig. Wichtig ist nur, dass der Leser weiß, was deine eigenen Gedanken und Ergebnisse bei Verwendung der Zitate von Autor X sind.

Beispiel:
Menschenrechtstheoretiker (Politologie) zitiert im Jahr 2001 die Aussagen A, B und C eines bekannten Rechtstheoretikers (Jura), um auf die methodischen Unterschiede zwischen ihren beiden fachlichen Forschungsrichtungen hinzuweisen. Ein Wirtschaftshistoriker (VWL) findet im Jahr 2023 eben diesen Text und hat die Idee, das ganz ähnlich zu verwenden und zitiert ebenfalls die Aussagen A, B und C desselben Rechtshistorikers, um auf methodische Unterschiede zwischen seinem Forschungsansatz und dem juristischen Ansatz hinzuweisen. Wenn er dem Leser dazu eingangs klar macht, dass seine Argumentation grob auf der Argumentationslinie eines Menschenrechtstheoretikers von 2001 beruht, dann ist alles in Ordnung.
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Re: Restunsicherheit Zitieren

Beitrag von daherrdoggda »

Buchstabensuppe hat geschrieben: ↑04.01.2024, 17:20 Wie gehe ich in diesen paraphrasierten Stellen dann aber mit Fachbegriffen/ Phrasen um, die so vom Originaltext verwendet werden? Als Beispiel fällt mir jetzt nur schnell "imagined communities" ein. Wenn ich also einen Abschnitt aus Benedict Anderson's Buch paraphrasiere und für meine Analyse nutzbar mache, muss ich dann jedes Mal wenn ich "imagined communities" darin verwende, im paraphrasierten Text ein direktes Zitat einfügen?
Das ist jetzt nur ein Beispiel; ein anderes wäre historische Abrisse, die ich mir aus der Fachliteratur zusammensuche, dann paraphrasiere und natürlich am Ende des Abschnitts angebe, welche Literatur ich verwendet habe -- auch darin können aber durchaus Restfragmente des ursprünglichen Texts sein, bspw. auch ein ähnlicher Syntax oder so. Ist das nun ein Plagiat?
Ich wuerde Fachbegriffe oder Ergebnisse, Schlussfolgerungen usw. bei der ersten Erwaehnung im Kapitel zitieren, damit die Leser wissen, was die Quelle ist. Wenn diese Zitate dann im selben Abschnitt nochmal vorkommen, muessen sie nicht nochmal zitiert werden, es sei denn, es geht um ein anderes Element aus der selben Quelle. Also zB beim ersten Auftreten in der Einleitung, dann nochmal beim ersten Mal im Ergebnisteil, und nochmal in der Diskussion, aber nicht 5x in der Diskussion, wenn dort 5x darauf Bezug genommen wird, sondern nur 1x.
Buchstabensuppe hat geschrieben: ↑04.01.2024, 17:20 Jetzt ist es aber so, dass ich nur durch den:die erste:n Autor:in auf all diese geniale Fachliteratur gekommen bin, und auch dass und wie ich sie in meine Argumentation einbaue, habe ich im Grunde nur ihm:ihr zu verdanken. Mache ich mich hier eines Plagiats schuldig?
Beide zitieren. Man kann auch reviews oder Lehrbuecher zitieren, die ja "nur" vorheriges zusammenfassen, allerdings nur sporadisch und fuer elementare Dinge. Oder abgestuft im selben Satz zitieren, zB: Gravitationswellen sind dies und das (Lehrbuch), und wurden schon da und dann vorhergesagt (Einstein), und dann hiermit nachgewiesen (LIGO Autoren). Oder: RNA besteht aus x und hat die Funktion y (Lehrbuch), und kann als Impfstoff verwendet werden (review), wie im Fall von Covid-19 (Biontech/Moderna papers).
Und wenn eine Quelle wesentlich hilfreicher war, die andere aber die Originalquelle ist, wuerde ich zB schreiben: Erstmals gezeigt durch x, siehe auch y fuer tiefergehende Analyse, weiterfuehrende Anwendung, oder was eben passt.
Sabina
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Re: Restunsicherheit Zitieren

Beitrag von Sabina »

Handwerklich falsch machen kann man einiges. Ich muss mich an APA 7th Edition Style halten, aber letztendlich ist sauberes Zitieren und Paraphrasieren etwas, das man am besten lernt, indem man Beispiele in rauen Mengen anschaut und im Zweifel ins Handbuch schaut.
Robert_Okey
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Re: Restunsicherheit Zitieren

Beitrag von Robert_Okey »

Hallo Buchstabensuppe,

diese Restunsicherheit kenne ich auch. Ich handhabe es so, dass ich einen Begriff einmal einführe und dabei ausweise, wo ich es hernehme. Wenn ich dann nochmal den Begriff verwende, markiere ich ihn nicht als direktes Zitat, sondern apostrophiere und kursiviere ihn. Entstscheidend ist doch, dass Leser:innen verstehen, dass du ein Konzept importierst bzw. auf der Arbeit von anderen aufsetzt. Ich würde behaupten, dass man auch zu viel zitieren kann, so dass es eher verwirrt.

Ich habe übrigens Anderson auch in den Fußnoten, als Beispiel für die Kategorie 'Nation' im Kontext gesellschaftlicher Identifikationen. Aber ich habe ihn nicht weiter paraphrasiert.
Buchstabensuppe
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Re: Restunsicherheit Zitieren

Beitrag von Buchstabensuppe »

Vielen Dank euch allen für eure Antworten und Tipps! Das hilft mir definitiv weiter :)
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