Keine freie Wahl bei der Diss.-Betreuung?

... und die Fragen, die sich davor und dabei ergeben.
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tintentee
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Keine freie Wahl bei der Diss.-Betreuung?

Beitrag von tintentee »

Hallo zusammen,

ich bin neu hier und würde mich wahnsinnig über Austausch und Erfahrungen zu folgendem Thema freuen!

Kurze Version: Mein Vorgesetzter möchte mich "zwingen", meine Doktorarbeit durch ihn betreuuen zu lassen. Ich hingegen möchte die Diss. bei jemand anderem schreiben. Kann man mich in der Betreuerwahl auf diese Art einschränken?

Lange Version: Ich bin an einer Uni über ein Drittmittelprojekt angestellt. Der Leiter dieses Projekts, mein Vorgesetzter, hegt aus mir nicht bekannten Gründen großes Interesse daran, meine Diss. als Erstgutachter zu betreuen. Die Probleme hierbei: Er ist aus einem ganz anderen Fach als ich, versteht mein Fach nicht besonders gut und übt zudem Druck auf mich aus, das zu schreiben, was er gern hören möchte. Zudem haben wir auch keine gute zwischenmenschliche Bindung. Generell scheint er sehr deutlich seine eigene Agenda zu verfolgen, die mir einfach nicht das Beste für meine Diss. erscheint. Ich möchte ihn daher auf keinen Fall als Erstgutachter meiner Arbeit.
Nun gibt es an der Uni eine weitere Kandidatin, die als Erstgutachterin sehr geeignet wäre. Sie ist aus meinem Fach, wir stehen in regelmäßigem, sehr gutem Austausch, wir sind sowohl fachlich, als auch zwischenmenschlich auf einer Ebene. Eine Traum-Doktormutter quasi, die ihrerseits sehr gern meine Arbeit betreuen würde.

Bei einem der Termine mit meinem Vorgesetzten habe ich das Thema dann mal ganz vorsichtig angesprochen - also gesagt, dass es diese Person gäbe, und ob eine Erstbetreuung durch sie nicht eine sinnvolle Option sein könne. Er war überhaupt nicht amused und hat mir daraufhin gesagt, dass eine Betreuung durch die andere Person nicht ginge, da sie nicht Teil des Projektes sei, in dem ich angestellt bin, die Betreuung also durch jemanden im Projekt erfolgen müsse. Das Ende vom Lied war, dass er mir klipp und klar sagte, dass er die Arbeit betreuen wird und es keine andere Möglichkeit gibt.

Nun ist es so, dass meines Wissens nach nicht geregelt ist, dass Betreuende aus den Projekten kommen müssen, in denen man arbeitet (ist ja auch gar nicht immer möglich). Soweit ich weiß, erzählt er mir also bewusst Unwahrheiten, um mich zur Promotion bei ihm zu "zwingen". Ich möchte, wie erwähnt, auf keinen Fall ihn als meinen Erstgutachter, aber da er eben auch mein Vorgesetzter ist und ich noch mehrere Jahre Laufzeit unter ihm vor mir habe, möchte ich es mir auch ungern komplett mit ihm verscherzen.

Dazu vielleicht noch die Info: Ich bin 50% angestellt, diese 50% sind für die Projektarbeit gedacht, nicht für meine Diss. Die Diss. ist explizit mein (durchaus vom Projekt gewolltes, aber eben nicht bezahltes) "Privatvergnügen".

Nun meine Frage in die Runde: Hat jemand Erfahrungen mit solchen Situationen? Kann man tatsächlich zur Betreuer-"Wahl" gezwungen werden, auch wenn objektiv passendere Kandidaten zur Verfügung stehen? Ich fühle mich extrem unwohl mit der Situation und habe schon öfter überlegt, die Promotion ganz zu lassen, sollte ich es tatsächlich unter meinem Vorgesetzten als DV schreiben müssen. Alles an Erfahrungen, Ratschlägen etc. ist mir also sehr willkommen!

Ganz lieben Dank!
tintentee
Cybarb
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Re: Keine freie Wahl bei der Diss.-Betreuung?

Beitrag von Cybarb »

Hallo,

meine juristisch nicht abgesicherte Meinung: Wenn die Anfertigung einer Dissertation nicht zu deinen Aufgaben im Rahmen des Projekts gehört, dann kann dir dein Vorgesetzter dazu auch keine Weisungen erteilen. Was du mit den übrigen 50 % (die gewissermaßen Freizeit sind) anstellst, ist deine Entscheidung.

Aber: Die Frage ist, inwieweit es dein Arbeitsverhältnis in dem Projekt zusätzlich belasten würde, wenn du den Wunsch deines Vorgesetzten ignorierst und die Dissertation bei deiner Wunschbetreuerin anfertigst. Er scheint ja keine leicht zu handhabende Person zu sein. Es stellt sich auch die Frage, inwieweit sich die Wunschbetreuerin in einen möglichen Konflikt hineinziehen lassen möchte.

Was du letztlich machst (a) Promotion beim Chef, b) Promotion bei der Wunschbetreuerin, c) keine Promotion), musst letztlich du selbst wissen. Persönlich sehe ich aber sowohl für Option a) als auch Option b) deutliche Warnzeichen - und damit stellt sich die Frage, ob du mit Option c) überhaupt glücklich wirst.

Gibt es denn eine Möglichkeit, eine Promotion bei deiner Wunschbetreuerin zu finanzieren (Drittmittel, Stipendium etc.)?

Gruß
Cyb
tintentee
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Re: Keine freie Wahl bei der Diss.-Betreuung?

Beitrag von tintentee »

Hallo und erstmal ganz lieben Dank für deine Antwort! Es ist beruhigend zu lesen, dass deine Einschätzung ebenfalls in diese Richtung tendiert.

Die Wunschbetreuerin wäre tatsächlich bereit, in den Konflikt einzusteigen und mir den Rücken zu stärken, sollten wir uns für eine Aussprache mit dem Vorgesetzten entscheiden. Dennoch bleibt natürlich die Frage, wie klug es ist, zu sehr auf Konfrontation zu gehen.

Zu deiner abschließenden Frage: Im Idealfall würde ich bis zum Projektende weiter dort arbeiten, also vom Projekt leben, und in der "Freizeit" dann die Diss. bei der Wunschbetreuung schreiben. Meintest du das damit?

Nochmals herzlichen Dank und Grüße!
tintentee
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Re: Keine freie Wahl bei der Diss.-Betreuung?

Beitrag von Florina »

Hi,

ich habe deinen Forenbeitrag gelesen und war entsetzt. Wenn euer Verhältnis so startet, dann solltest du auf keinen Fall deine Diss bei dieser Person schreiben. Aber auch die Prof... sie sollte ihren Kollegen so gut kennen, dass sie weiß, dass das zu Konflikten führt und daher wäre ich an deiner Stelle sehr vorsichtig, etwas in die Richtung voran zu treiben. Es geschieht an der Uni sehr viel Politisches hinter den Kulissen. Ein vertrauenswürdige/r Post-Doc könnte dir da vllt. mehr Einblick geben. Nicht dass du nur ein Hilfsmittel bist, um dem anderen Prof eine reinzuwürgen. Deine Traum-Promotionsbetreuerin ist entweder blind für diese Spielchen (übel), steht in der Nahrungskette weit oben (sehr gut, kann sich aber ändern) oder benutzt dich (noch übler).
Schau dir das in Ruhe an. Du musst ja nicht sofort anmelden. Auch ein Aspekt: Dürftest du für deine Diss die Daten aus dem Projekt verwenden?
Gab es schon mal einen ähnlichen Fall - Drittmittelprojekt beim einen und Diss beim anderen - an eurer Fakultät? Bekomsmt du durch vorsichtiges Nachhaken raus.

Viel Erfolg!
Florina
Man muß daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muß man erreichen, koste es, was es wolle. - Marie Curie
Cybarb
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Re: Keine freie Wahl bei der Diss.-Betreuung?

Beitrag von Cybarb »

Hallo,

zunächst volle Zustimmung zu Florinas Einschätzung.

Und zu deiner Frage: Nein, ich meinte, ob du die Promotion bei Wunschbetreuerin anders als durch dieses Projekt finanzieren kannst. Denn die Finanzierung des Promotionsvorhabens bei der Wunschbetreuerin durch das Projekt ist m. E. nicht konfliktfrei realisierbar. Im Gegenteil: Das ist ein Pulverfass.
Denn der Chef hat ja ein lebhaft artikuliertes Interesse daran, dass du Promotion und Projekt verknüpfst und von ihm betreut wirst. Selbst du rechtlich absolut auf der sicheren Seite wärst und das so wie oben skizziert durchziehst, kann er dir in seiner Rolle als Chef dein Leben im Projekt zur Hölle machen. Und obendrein könnte es auch noch so geschehen, dass er irgendwie an der Begutachtung deiner Dissertation oder Disputation beteiligt ist. (Inwieweit das realistisch ist, musst du einschätzen. Hängt an seiner fachlichen Nähe zum Thema, an seiner Vernetzung an der Uni usw.) Und solche Konstellationen eignen sich perfekt dafür, dass er im Schlussspurt seine Rachegelüste an dir auslebt.

Gruß
Cyb
Sabina
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Re: Keine freie Wahl bei der Diss.-Betreuung?

Beitrag von Sabina »

Florinas Einschätzung kann ich absolut unterschreiben. Sobald es "menschelt" und der Konflikt schon zu Beginn sich abzeichnet, kannst du davon ausgehen, dass darüber definitiv kein Gras wachsen wird. Sowas kocht im Laufe der Zeit mehrfach hoch und Job nebst Dis unter einen Hut zu kriegen ist immer mit Belastung verbunden. Obendrauf einen (schwelenden) Konflikt zu satteln ist nicht zielführend.
teilchenphysik196
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Re: Keine freie Wahl bei der Diss.-Betreuung?

Beitrag von teilchenphysik196 »

Sehe es wie Sabina. Konflikte, die schwelen, können später hochkochen. Ich hatte sowas auch. Zwar haben sich mein Erst- und Zweitbetreuer gut verstanden. Doch bei der Disputation war noch ein dritter Professor anwesend, der alles daran setzte, mich in schlechtem Licht erscheinen zu lassen. Dahinter stand ein Konflikt zwischen ihm und meinem Erstprüfer. War bei mir nicht absehbar, dass es so kommen würde, aber wenn Du jetzt schon sehen kannst, dass her Ungemach droht, treffe lieber eine andere Wahl ...
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