Lehramt und Promotion

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Matthias2022
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Lehramt und Promotion

Beitrag von Matthias2022 »

Hallo alle zusammen,

ich habe 2007 mein Diplom in Physik gemacht und bin dann quer in den Schuldienst eingestiegen, da mir die Lehre sehr Spaß macht. Nach mittlerweile 14 Jahren im Schuldienst vermisse ich jedoch mehr und mehr fachliches Niveau. Um genau zu sein, würde ich sehr gerne meine Lehrerfahrung wieder an der Uni (Tutorien, etc.) einbringen. In meiner Freizeit beschäftige ich mich gerne freiwillig mit dem Lesen und Studieren akademischer Literatur.
Damit befriedige ich sozusagen das Verlangen und den Anspruch an ein gewisses Niveau.

Leider bietet der Schuldienst in diese Richtung keine Möglichkeiten. Ich fürchte, dass eine Abordnung, wie oft im Forum beschrieben, an die Uni im besten Fall nur Praxissemester betreuen und Ansprechpartner für Lehramtsstudenten sein , bietet. Diese Richtung wäre nicht in meinem Sinne.

Um nun alles unter einen Hut zu bekommen, bin ich sehr angetan von der Idee zu promovieren. Allerdings bin ich mit 43Jahren auch schon 16J aus der Uni raus.
Aufgrund der aktuellen finanziellen Lage könnte ich meinen Schuldienst auf 2 Tage reduzieren und die anderen 3 Tage an der Uni arbeiten, lehren, forschen - das wäre mein absoluter Wunsch. Aber dazu muss ich erstmal einen Prof. überzeugen.

Ich würde auch echt gerne nur Tutorien halten, um aus dem Schulalltag mal raus akademisches Niveau zu genießen. Diese Möglichkeit ist aber für externe und somit nicht-Studenten nicht gegeben.

Habt Ihr einen Rat für mich? (oder eine Idee, die ich übersehen habe?)
Ich möchte mal wieder wie damals kovariante Ableitungen an die Tafel hauen, ohne dass mich die Leute ankucken, wie eine Kuh wenns blitzt.


Liebe Grüße
Wierus
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Re: Lehramt und Promotion

Beitrag von Wierus »

Hallo,

also wenn du es fachlich wirklich noch drauf hast, dann kontaktiere doch mal eine dieser neuen "Hochschulen für Angewandte Wissenschaften" (HAW). Die suchen händeringend nach Dozenten. Wenn man viel Lehrerfahrung mitbringt (in deinem Fall vorzugsweise gymnasiale Kollegstufe, Berufsoberschule, Fachoberschule oder Abendschule), dann braucht man an solch einer privaten HAW tatsächlich keinen Doktorgrad, um als Professor/Dozent eingestellt zu werden. Die Promotion ist natürlich von großem Vorteil, aber ein absolutes Muss ist sie nicht.

Siehe hier: https://www.academics.de/ratgeber/profe ... bilitation
HAW-Professur in Ausnahmen auch ohne Promotion möglich

Auch bei HAW-Professuren müssen Wissenschaftler:innen in aller Regel promoviert sein. In einigen, vor allem künstlerisch ausgerichteten Fächern ist aber eventuell eine Professur ohne Doktortitel möglich, wie zum Beispiel in der Architektur, Musik, bildender Kunst oder Design. In diesem Fall werden Praxiserfahrung, Auszeichnungen, Preise oder erfolgreiche Ausstellungen stärker gewichtet.

Allerdings können Professor:innen an Fachhochschulen nur berufen werden, wenn sie mindestens fünf Jahre Berufserfahrung haben – davon in der Regel drei Jahre außerhalb der Hochschule. Das ist in den Landeshochschulgesetzen (z.B. in §36 des Landeshochschulgesetzes NRW) festgeschrieben. Auch die Veröffentlichung eines anerkannten und viel gelesenen Fachbuchs kann an der Hochschule für angewandte Wissenschaften im Ausnahmefall geeignet sein, die Promotion zu ersetzen.
Es mag schwierig sein, ganz besonders in MINT-Fächern, aber eben nicht unmöglich.

Eine damit verbundene Option wäre natürlich, zunächst nur in Teilzeit an einer HAW zu lehren und gleichzeitig eine Promotion zu beginnen. Dann könnte dir die HAW bei der Suche nach einem Betreuer helfen.
johndoe
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Re: Lehramt und Promotion

Beitrag von johndoe »

Wierus hat geschrieben: ↑27.11.2023, 21:22 Hallo,

also wenn du es fachlich wirklich noch drauf hast, dann kontaktiere doch mal eine dieser neuen "Hochschulen für Angewandte Wissenschaften" (HAW). Die suchen händeringend nach Dozenten. Wenn man viel Lehrerfahrung mitbringt (in deinem Fall vorzugsweise gymnasiale Kollegstufe, Berufsoberschule, Fachoberschule oder Abendschule), dann braucht man an solch einer privaten HAW tatsächlich keinen Doktorgrad, um als Professor/Dozent eingestellt zu werden. Die Promotion ist natürlich von großem Vorteil, aber ein absolutes Muss ist sie nicht.
Dozent ja, Professor nein. Da muss man schon eine beeindruckende Praxis-Vita liefern oder einschlägig publiziert haben, um die Promotion zu ersetzen. Selbst bei den Nachwuchsprofessuren schauen wir da sehr genau hin, wie wahrscheinlich eine noch nicht abgeschlossene Promotion bis Stellenantritt beendet sein wird. Und die sind sogar nur befristet.

Und ganz ehrlich, FHs brauchen Praktiker, keine Theoretiker. Zumindest ist das mein Standpunkt.

Aber um positiv abzuschließen: @TE, wenn es dir nur ums unterrichten auf höherem Niveau geht, dann wäre ein Lehrauftrag an einer FH tatsächlich eine schnell zu erreichende Option.
Matthias2022
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Re: Lehramt und Promotion

Beitrag von Matthias2022 »

Danke für die Rückmeldungen, aber HAW und FH kommen nicht un Frage. Ich bin kein Praktiker, kein Mechatroniker und auch kein Maschinenbauer, sondern ich habe den theoretischen, mathematisch physikalischen Weg damals eingeschlagen.
In diese Richtung möchte ich gerne Ausschau halten, finde aber leider keine Option.
Dennoch bin ich für Eure Vorschläge dankbar.
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Re: Lehramt und Promotion

Beitrag von deen_everstin »

Finde ich super, dass du dich nach neuen Wegen für mehr berufliche Erfüllung erkundigst (so etwas hätte ich mir früher von meinen Lehrkräften gewünscht, die zum Teil schon innerlich gekündigt hatten). Bei mir ist es so, dass ich ebenfalls parallel zu meinem eigentlichen Beruf noch eine akademische Weiterqualifikation in Form der Promotion angestrebt habe. Nach einiger Suche habe ich vor knapp zwei Jahren dann die Gelegenheit erhalten, bei meinem jetzigen Doktorvater extern promovieren zu dürfen. Er hatte von sich aus dann im letzten Jahr angefragt, ob ich an seinem Institut auch einen Lehrauftrag übernehmen würde, was ich bejaht habe und seitdem habe ich dort meine eigene Veranstaltung.

Wenn du also auf der Suche nach einer Promotion und Lehre an der Uni sein solltest und das mit der Abordnung tatsächlich nicht funktionieren sollte, wäre das vielleicht ja auch eine Option für dich? In jedem Fall könntest du das mit der/dem Prof für deine zukünftige Diss sicherlich transparent machen und jemand mit deiner immensen didaktischen sowie pädagogischen Vorerfahrung in der Lehre wird sicherlich sehr gerne als Lehrbeauftragter/Dozent genommen. Wünsche dir viel Erfolg bei deinem Vorhaben!
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Re: Lehramt und Promotion

Beitrag von Wierus »

Matthias2022 hat geschrieben: ↑28.11.2023, 11:44 Danke für die Rückmeldungen, aber HAW und FH kommen nicht un Frage.
Gut, aber das böte dir weit bessere Chancen, als wild von extern anzufragen. Wie von johndoe bestätigt, suchen private Hochschulen auf jeden Fall Dozenten. Ich denke, Grundlagen- und Wiederholungsseminare in (höherer) Mathematik gibt es auch an solchen Bildungseinrichtungen, da dürfte also eine Nachfrage bestehen.

Solltest du als HAW/FH-Dozent (vorzugsweise in Teilzeit) unterkommen, würde man dir an deiner Hochschule ganz sicher bei der Suche nach einem Doktorvater helfen, allein schon aus dem Eigeninteresse, auf diese Weise einen (in Zukunft) promovierten Forscher dauerhaft an sich zu binden. Und deine Tätigkeit wäre auch ein gutes Argument im Vorstellungsgespräch, solltest du lieber auf eigene Faust nach einem Promotionsbetreuer deiner Wahl suchen wollen.
Matthias2022
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Re: Lehramt und Promotion

Beitrag von Matthias2022 »

deen_everstin hat geschrieben:
> Finde ich super, dass du dich nach neuen Wegen für mehr berufliche
> Erfüllung erkundigst (so etwas hätte ich mir früher von meinen Lehrkräften
> gewünscht, die zum Teil schon innerlich gekündigt hatten). Bei mir ist es
> so, dass ich ebenfalls parallel zu meinem eigentlichen Beruf noch eine
> akademische Weiterqualifikation in Form der Promotion angestrebt habe. Nach
> einiger Suche habe ich vor knapp zwei Jahren dann die Gelegenheit erhalten,
> bei meinem jetzigen Doktorvater extern promovieren zu dürfen. Er hatte von
> sich aus dann im letzten Jahr angefragt, ob ich an seinem Institut auch
> einen Lehrauftrag übernehmen würde, was ich bejaht habe und seitdem habe
> ich dort meine eigene Veranstaltung.
>
> Wenn du also auf der Suche nach einer Promotion und Lehre an der Uni sein
> solltest und das mit der Abordnung tatsächlich nicht funktionieren sollte,
> wäre das vielleicht ja auch eine Option für dich? In jedem Fall könntest du
> das mit der/dem Prof für deine zukünftige Diss sicherlich transparent
> machen und jemand mit deiner immensen didaktischen sowie pädagogischen
> Vorerfahrung in der Lehre wird sicherlich sehr gerne als
> Lehrbeauftragter/Dozent genommen. Wünsche dir viel Erfolg bei deinem
> Vorhaben!

hallo deen,

danke für deine Antwort. Das finde ich sehr attraktiv.
Ãœber eine Promotion denke ich sehr oft nach. Problem ist nur
Hauptverdienst und Zeit für die Promotion+Lehrstuhlaufg+Familie zusammenzubringen.
Wie ist Beruf und Lehrauftr/Promo bei Dir anteilig verteilt?

Beste Grüße
Matthias
deen_everstin
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Re: Lehramt und Promotion

Beitrag von deen_everstin »

Hey Matthias,

tatsächlich ist es so, dass mein Dienstherr mir keinerlei Verringerung der Arbeitszeit zugebilligt hat. Ich bekam lediglich die Erlaubnis, überhaupt promovieren und lehren zu dürfen - in meiner "Freizeit" und nur unter dem Vorbehalt, dass es meine Arbeitsleistung nicht tangiert. Ich habe daher 100% Arbeit + Promotion, Lehre und Frau/Familie/Freunde/Sport/weitere Nebentätigkeiten in alternierender Frequenz und Reihenfolge. Ist schon ne recht hohe Auslastung, zumal ich bis April 2025 fertig sein muss, da mein Prof dann in Pension geht und mir zu Beginn ganz klar gesagt hat, dass er mich nur als Doktorand nimmt, wenn ich vorher fertig werde und ihn nicht im Ruhestand nerve. Der Vorteil daran ist allerdings, dass ich dadurch weiß, dass dieses Pensum "nur" noch 1 - 1,5 Jahre da ist und es dann auch wieder entspannter wird. Außerdem mache ich es ja für mich selbst und es erfüllt mich auch. :)
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Re: Lehramt und Promotion

Beitrag von Wierus »

deen_everstin hat geschrieben: ↑03.12.2023, 16:10Ich habe daher 100% Arbeit + Promotion, Lehre und Frau/Familie/Freunde/Sport/weitere Nebentätigkeiten in alternierender Frequenz und Reihenfolge.
Wenn ich so etwas lese, zerfrisst mich wirklich der Neid -- da will ich ganz ehrlich mit euch sein und nichts beschönigen. Unter solchen Umständen eine Promotion innerhalb von etwas über drei Jahren durchzuziehen sollte imho nicht nur mit einem Doktorgrad, sondern auch mit dem Nobelpreis belohnt werden. Ich habe nebenbei in Teilzeit gearbeitet und trotzdem über sieben Jahre lang an der Dissertation geschrieben. Obendrauf kam noch Begutachtung, Disputation, Umarbeitung und Veröffentlichung.

Aber wie dem auch sei, ich wünsche allen Beteiligten auf jeden Fall weiterhin viel Erfolg!
deen_everstin
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Re: Lehramt und Promotion

Beitrag von deen_everstin »

@Wierus: Falls es sich so gelesen hat, dass ich damit prahlen/flexen wollte, dann möchte ich mich dafür entschuldigen, weil das absolut nicht meine Intention ist.
Wenn ich meine Stunden hätte reduzieren können und/oder mehr Zeit für die Fertigstellung der Diss zugesprochen bekommen hätte, dann wäre mir das sehr entgegen gekommen. Da ich aber nun mal den starken Wunsch hege, mich aus persönlichen sowie beruflichen Gründen weiter zu qualifizieren und ich mittlerweile auch schon Mitte 30 bin, habe ich mich dazu entschlossen, die Strapazen auf mich zu nehmen und sehr viele Nachtschichten einzulegen. Um das Ganze eventuell noch etwas besser einordnen zu können, möchte ich ergänzen, dass sich das Thema meiner Dissertation mit meiner beruflichen Tätigkeit inhaltlich überschneidet, sodass ich diese Praxiserfahrungen in mein Promotionsvorhaben mit einfließen lassen kann. Ich habe aus diesem Grund - hoffentlich - auch etwas größere Chancen auf einen Feldzugang, der sich sonst als äußerst schwierig darstellt (u.a. möchte ich in den kommenden Wochen junge Menschen im Strafvollzug interviewen) und das Ganze im Mixed-Method-Ansatz erforschen.

Insofern ist es vielleicht noch etwas früh für den Nobelpreis, aber es mir schon sehr ernst, trotz der Kürze der Zeit und der widrigen Umstände eine qualitativ gute sowie gleichermaßen wissenschaftlich fundierte Arbeit mit einem gesellschaftlichen Mehrwert zu verfassen. Ob das Endergebnis dann auch alle, die es begutachten werden, überzeugen wird, muss sich natürlich auch erst noch zeigen. Ich nehme deine Wünsche daher sehr gerne an und wäre offen für weitere! :mrgreen:
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