Trotz kurzer Restlaufzeit noch mit Promotionsarbeiten beginnen?

... und die Fragen, die sich davor und dabei ergeben.
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NoMoreMrDoc
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Trotz kurzer Restlaufzeit noch mit Promotionsarbeiten beginnen?

Beitrag von NoMoreMrDoc »

Guten Abend in die Runde,

seit einigen Wochen kämpfe ich mit einer grundlegenden Entscheidungsfrage und hoffe ich hier bei euch um ein paar gute Ratschläge.

Ich habe erst relativ später angefangen zu studieren und aufgrund von verschiedenen Umständen hat mein Studium leider auch viel länger gedauert als erwartet.

Aktuell versuche ich im Ingenieursbereich (Maschinenbau) zu promovieren.

Ich bin Ende 30, seit fast 5 Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter und kämpfe - wie wir alle - gegen allmöglichen Strapazen und Hürden.

Mein erster Promotionsthema habe ich vor 3 Jahren ad acta gelegt, da sich einerseits die Umsetzbarkeit erst spät als schwierig herausgestellt hat und andererseits durch den Wechsel des Doktorvaters beim neuen DV das Thema auch keine große Interesse hervorgerufen hat.

Mitte letztens Jahres habe ich dann ein neues Thema erarbeitet, welches bei meinem DV auf Gegenliebe gestoßen ist.

Aufgrund von Lieferengpässen und -schwierigkeiten von Bauteilen und anderen Komponenten konnte ich jedoch erst diesen Monat meinen Prüfstand fertigstellen.

Da ich aber nur noch ca. 1,5 Jahre bis Vertragsende habe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob es überhaupt noch Sinn macht, mit den Promotionsarbeiten zu beginnen und bin hier hin und her gerissen, da wirklich sehr viel Arbeit bevorsteht (Programmierung, viele und verschiedene Prüfserien mit unterschiedlichen Parametern, etc.).

Eine Vertragsverlängerung ist wohl nicht drin und die Maschinenbau-Promotion werde ich in den 1,5 Jahren Restlaufzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht beenden können, sodass die Post-Doc-Regelung nicht mehr greifen kann.

Einerseits bin ich verärgert, da ich von Anfang mit Projekten und anderen Aufgaben zu bombardiert wurde und so meiner Promotion keine Zeit schenken konnte.
Andereseits bin ich auf mich persönlich sauer, da ich so viel Arbeit und Zeit in diese anderen Aufgaben gesteckt habe und dadurch mein persönliches Promotionsziel immer hinten angestellt habe.

Leider sind wir eine sehr kleine Abteilung, sodass ich ich mich nicht wirklich austauschen kann.


Vielleicht ist die Frage zu allgemein formuliert, aber wie seht ihr das?

Ist zeitlich noch was zu reißen?
Sind Hopfen und Malz schon verloren?
Oder gibt es vielleicht noch andere Wege und Möglichkeiten?


Vielen Dank für eure Ratschläge!
johndoe
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Re: Trotz kurzer Restlaufzeit noch mit Promotionsarbeiten beginnen?

Beitrag von johndoe »

Verzwickte Lage.... Und hinterher ist man immer schlauer. Aber in 1,5 Jahren sehe ich wenig Chancen.

Nun, ich bin kein Experte für das Wissenschaftzeit Gesetz, aber vermutlich wirst du an die Grenzen stoßen, oder? Ansonsten wäre ja die einfache Alternative, dich auf eine andere Stelle zu bewerben und auf grüner Wiese zu promovieren.

Ansonsten kommen spontan überlegt noch infrage:
  • externe Promotion, wobei hier im reinen Maschinenbau wahrscheinlich Ressourcen benötigt werden, die man remote vll nicht nutzen kann... Hier ist wohl ein Thema zu finden, das zu dieser Situation passt. Und vor Doppelbelastung sei gewarnt!
  • Industriepromotion und Orientierung an den Bedürfnissen des Unternehmens
NoMoreMrDoc
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Re: Trotz kurzer Restlaufzeit noch mit Promotionsarbeiten beginnen?

Beitrag von NoMoreMrDoc »

Nach den 1,5 Jahren ist das WissZeitVG bei mir ausgereizt. Aussicht auf Vertragsverlängerung ist sehr gering.

Ich bin am Grübeln, ob es Sinn macht, jetzt noch anzufangen, um wenigstens eine fundierte Datenlage zu haben.

Unser DV sagt uns immer, dass man überall schreiben kann.

Nur weiß ich eben jetzt noch nicht, ob ich nach 1,5 Jahren mit den Experimenten auch wirklich durch bin.

Die Alternative wäre, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden, in die Industrie zu gehen - und mir Fragen anhören, warum ist denn nicht geklappt hat.
deen_everstin
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Re: Trotz kurzer Restlaufzeit noch mit Promotionsarbeiten beginnen?

Beitrag von deen_everstin »

Ich persönlich würde mich definitiv noch daran versuchen, die Promotion jetzt offiziell zu beginnen und so viel wie möglich in den nächsten 1,5 Jahren zu reißen. Wie dein DV schon sagt, kannst du die Diss überall fertig schreiben, nachdem du mit dem methodischen Teil durch bist und je nach Forschungsdesign ist das in 1,5 Jahren machbar bzw. ich würde an deiner Stelle alles daran setzen, ein sinnvolles Forschungsvorhaben zu designen, welches zu deinem Thema und zu deinen zeitlichen Rahmenbedingungen passt. Das kannst du sicherlich mit deinem DV gemeinsam abklären und eine passable Lösung finden. Selbst wenn du dann wirklich keine Verlängerung bekommst, bleibst du ja trotzdem für deine Promotion (zumindest ist das an meiner Uni so) eingeschrieben.

Insofern wäre meine Empfehlung: tu es! Nicht lang schnacken, anpacken und versuch es einfach. Lieber so als es gar nicht erst probiert haben und noch mehr Zeit verstreichen lassen und am Ende vielleicht gar nicht mehr promovieren - und dich dann ewig mit der "was wäre, wenn ..." Frage quälen. Das wäre mein persönliches worst case scenario. Du kannst nur gewinnen! :)
Florina
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Re: Trotz kurzer Restlaufzeit noch mit Promotionsarbeiten beginnen?

Beitrag von Florina »

Ich würde dir auch raten, es zu versuchen. Du hast jetzt schon viel Zeit in die Sache versenkt und wirst dich mit der Thematik auskennen. Daher solltest du so schnell es geht, mit den Versuchen beginnen.
Frage mal in deiner Personalabteilung nach, ob es in eurem Bundesland eine Verlängerung des WissZeitG aufgrund von Corona gibt. Es besteht in manchen Bundesländern die Möglichkeit, um 12 Monate zu verlängern, sofern man zu Beginn der Pandemie eine Haushaltsstelle inne hatte.
Man muß daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muß man erreichen, koste es, was es wolle. - Marie Curie
NoMoreMrDoc
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Re: Trotz kurzer Restlaufzeit noch mit Promotionsarbeiten beginnen?

Beitrag von NoMoreMrDoc »

Zunächst einmal vielen Dank für eure Antworten.

Ich hatte vor Kurzem ein sehr interessantes und vor allem aufschlussreiches Gespräch mit einem "alteingesessenen" Oberingenieur aus einer anderen Abteilung, mit dem ich mich nach all den Jahren das erste Mal so wirklich unterhalten habe.

Dieser berichtete mir, dass er über die Jahre hinweg vom kompletten Promotionsabbruch mit vorzeitiger Kündigung bis hin zur Durchführung der letzten Prüfserie eine Woche (!) vor Vertragsende mit anschließern Fertigstellung der Promotioin direkt im neuen Job quasi alles erlebt hat.

Es hat auch schon ehemalige Mitarbeiter gegeben, die mit dem Schreiben der Dissertation erst nach Vertragsende angefangen und in der vorübergehenden Arbeitslosigkeit diese dann fertiggestellt haben, bevor der neue Job gestartet ist.

Des Weiteren meinte er auch, dass - obwohl im selben Fachbereich - Promotionen sehr unterschiedlich in der Laufzeit ausfallen können.
Je nachdem, was für ein Thema bearbeitet wird, soll es schon Doktoranden gegeben hat, die Ihre Promotion von 0 bis 100 % (Tag der Verteidigung) in unter 2, sogar 1,5 Jahren geschafft haben.
Andere hingegen waren nach 8 Jahren noch nicht immer nicht fertig, da Langzeitversuche mit Auslagerung von Proben.

Auf jeden Fall hat er mir den Rat gegben, keinesfalls aufzugeben und abzubrechen.
Angesichts des Umstands, dass ich schon so viel Zeit und Nerven investiert habe, wäre das einfach nicht richtig und tatsächlich vergeudete Zeit.

Wie bereits mein Doktorvater, sagte auch er, dass die Grundlage jeder ingineurstechischen Promotion die erhobenen und aussagekräftigen Daten sind.

Das Schreiben, die Literaturrecherche, etc. kann ich auch in der Karibik, gar auf dem Mond machen oder eben im neuen Job oder in der Arbeitslosigkeit, dafür braucht man keinen Vertrag am Institut.
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