Betreuung und Konfliktgespräch

... und die Fragen, die sich davor und dabei ergeben.
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Herbert67
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Betreuung und Konfliktgespräch

Beitrag von Herbert67 »

Hallo zusammen,

ich bin heute auf dieses Forum gestoßen, als ich mich auf ein Konfliktgespräch mit meiner DM vorbereiten wollte. Nachdem ich mir nun ein paar Referenzbeispiele hier im Forum durchgelesen habe, möchte ich nun meine Situation auch zum Besten geben und erhoffe mir so Rat von euch.

Ich habe, wie viele von euch, eine 50%-Stelle. Meine Uni erwartet hierbei, dass ich die halbe Professor*innen-Lehrleistung erfülle. Das heißt: Vorlesungen, Praktika, Studierendenbetreuung und Leistungsbeurteilung werden vollständig von mir durchgeführt und das teilweise mit erheblichen Mehraufwand sowohl in Form von Überstunden als auch in Form von Deputat. Vertraglich ist davon natürlich nur ein Bruchteil nötig - es handelt sich um eine nie ausgesprochene Vereinbarung, ohne die ich andernfalls vermutlich keine Stelle bekommen hätte. Es ist deshalb keine Seltenheit, dass die Promotionsvorhaben an meiner Uni die Regelzeit bei weitem übersteigen.

Inhaltlich kennt sich meine DM nicht mit meinem Thema aus. Gespräche bleiben oberflächlich und es geht hauptsächlich um die Frage, wann ich fertig werde. Ich kämpfe einen Einzelkampf, habe keine Arbeitsgruppe und keine Kontakte in die Wissenschaft, da ich auf diesem Weg bisher auch noch keine Veröffentlichung erreicht habe, mit der ich andere Wissenschaftler auf mich hätte aufmerksam machen können. Ich investiere dabei viel Zeit in die Erstellung einer ersten Veröffentlichung und brauche hierfür vor allem den nötigen Raum, der jedoch immer wieder durch oberflächliche Treffen, Aufgaben und meine Lehrtätigkeit unterbrochen wird. Hinzu kommen einige grenzwertige Aussagen und Aktionen meiner DM (die ich hier zwecks Anonymität etwas abgeschwächt und geändert habe). So zum Beispiel:
- Die Frage, wieviel Zeit ich in eine bestimmte private Angelegenheit stecke
- Die Empfehlung, mich bei den Entscheidungsträgern der Uni wegen einer Weiterfinanzierung gut zu stellen
- Deutliches Abraten (d.h. effektiv verbieten) des Besuchs eines wiss. Austauschforums obwohl in diesem Jahr nichts anderes geplant und auch keine Alternative verfügbar war
- Alles was ich tue, soll nur noch einen quantitativen Effekt auf meine Dissertation haben
- Nominierung in meinem Namen für Aufgaben ohne mich vorher zu fragen (jede weitere Aufgabe verzögert meine Forschung ...)
- Loben von anderen Doktoranden im Gespräch mit anderen Gutachtern in meiner Anwesenheit (ich habe hingegen noch nie ein Wort des Lobs gehört)

Neben dem kommt leider auch noch hinzu, dass ich eine Kollegin habe, die viel weniger leisten muss, da Ihre Finanzierung aus einem anderen Topf kommt. So muss sie nur den vertraglich offiziellen Anteil leisten und betreut damit auch nur Praktika (was die Lücke zwischen der Realarbeit noch vergrößert). Ihr Thema ist auch viel näher an dem meiner DM, weshalb sie hier auch eine qualitativere Betreuung erfährt.

Nun möchte ich das Konfliktgespräch mit meiner DM suchen, da mich einige Punkte an den Rand der Verzweiflung gebracht haben. Ursprünglich habe ich eine wissenschaftliche Karriere angestrebt und bin mit einer sehr hohen intrinsischen Motivation an die Promotion herangegangen - letztendlich brenne ich für mein Thema und sehe in meiner bisherigen Arbeit hier einen Mehrwert für die Wissenschaft. Mittlerweile bin ich aber vor allem durch meine DM so demotiviert worden, dass ich sogar mit dem Gedanken des Abbruchs spiele und nach meiner Promotion auf keinen Fall an meiner Uni bleiben möchte (vermutlich auch nicht mehr in der Wissenschaft).

Meine Erwartung an eine Betreeung sind dabei eigentlich:
- Nicht bei jedem Treffen quantitativen Druck machen. Natürlich ist ein "Schubser" mal notwendig, aber ich berichte immerhin oft von inhaltlichen Fortschritten und halte Schubser allein deshalb für nicht nötig, da ich wegen meiner Stelle ohnehin schon mehr als genug arbeite. Hilfreicher wäre z.B. ein konstruktiver Alternativvorschlag für das Vorgehen, statt die Frage "Wann bist du fertig?" (oder wenigstens ein Unterlassen dieser Frage).
- Grenzwertige Aussagen zu meiner Freizeit unterlassen
- Aufgaben wenigstens vorher mit mir besprechen (wenn ich schon keine Wahl habe), bevor ich für sie nominiert werde
- Mehr Fokus auf Qualität, statt Quantität. Letzteres vermittelt mir das Gefühl, dass ich nicht mein Potential ausschöpfen kann und eine wiss. Karriere unmöglich ist, da es nur darum geht, dass ein/e weitere/r Doktorand*in vom Fließband geht.
- Alles in allem: Ich möchte, dass meine DM sich entweder mehr aus meinem Vorgehen heraushält oder konstruktiv etwas dazu beiträgt.

Nun wüsste ich gerne von euch: Sind diese Erwartungen überzogen? Ich habe oft das Gefühl, den Bezug zur Realität verloren zu haben. Ich kann mittlerweile nicht mehr einschätzen, was noch normal und i.O. ist. Natürlich möchte ich in dem Konfliktgespräch meiner DM auch nicht übel aufstoßen, da ich die Promotion immer noch erfolgreich beenden will und in der üblichen Abhängigkeit zu ihr stehe. Habt Ihr Vorschläge, Ratschläge und Tipps, wie ich ein solches Gespräch möglichst konstruktiv, aber doch bestimmt angehen könnte? Was sind eure Erfahrungen?

Ich danke euch,
euer Herbert
NLPDG_Guy
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Re: Betreuung und Konfliktgespräch

Beitrag von NLPDG_Guy »

Hi Herbert,

es ist immer schwierig bei solchen Schilderungen Position zu ergreifen, da man die andere Seite nicht gehört oder gelesen hat. Aber sei es drum, ich denke, wir leben in einem Land, in welchem man seinem Vorgesetzten in anständigem Deutsch erklären kann, womit man ein (persönliches) Problem hat. Deine DM wird dich schon nicht gleich auffressen. Mir ist schon klar, dass die Leute einen schlechtreden können, oder anderweitig die Reputation angreifen, weil Menschen eben neidisch, einfach böse, ungefällig und so weiter, sein können. Falls man sich daran jedoch aufhängt, ist eine Diskussion überflüssig, weil man ja eben nichts machen kann.

Ich würde ihr deine genannten Punkte in einem Vieraugengespräch in Ruhe erklären. Vielleicht ist ein Sandwichargument nützlich (irgendwas loben, was sie gemacht hat, dann Kritik und dann wieder Lob, oder so ähnlich).

Das sind meine zwei Cent...

Viele Grüße
Maik
Zuletzt geändert von NLPDG_Guy am 06.09.2023, 14:24, insgesamt 2-mal geändert.
03.11.2023: Offiziell Doktorand - Wohoooo! :prost:
Florina
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Re: Betreuung und Konfliktgespräch

Beitrag von Florina »

Hi Herbert,

ein Gespräch... gerade bei so übergriffigen Aussagen gehen bei mir die Alarmglocken an - auch Fragen, die gerade ins Reservoir deiner DM (Fertigwerden) greifen, sind Red Flags. Ein klärendes Gespräch ist meiner Erfahrung nach nur ein Ansatz, dem du nicht zu viel Hoffnung beimessen solltest. Tut mir leid, das so zu schreiben. Das klingt nach einem Machtmenschen, der Kritik weder will, gewohnt ist oder gar positiv darauf reagieren wird. Diese Menschen behandeln jeden anders und sind unreflektiert ihrem eigenen Handeln gegenüber.
Aus meiner Erfahrung würde ich dir raten, dich auf deinen Vertrag zu berufen, was Lehrtätigkeiten betrifft. Es gibt dort normalerweise klare Stundenzahlen und genau das hast du zu tun. Eine Aussage ala - das schaffe ich leider nicht, weil xy noch ansteht - könnte helfen. Könnte (!) Du kannst am Ende nur deine Einstellung ändern oder dir eine andere Betreuung suchen. Das musste ich jetzt auch hart lernen. Ich hoffe sehr, dass es bei dir anders ist.
Versuche, Abstand zu gewinnen, Fragen zum Privatleben ausweichend bis gar nicht zu beantworten, den Konflikt - Arbeit für die Diss vs. Lehraufgaben - zu betonen und hau einfach mal zurück. Klingt blöd, aber vielleicht schiebt das der ein oder anderen übergriffigen Frage den Riegel vor.

Sonst kann ich dir nur empfehlen, zu einem Coach zu gehen. Bei uns gibt es ein Graduiertenkolleg mit geschulten und zur Verschwiegenheit verpflichteten Mitarbeitern, die schon viel gehört haben und dir zumindest Sicherheit in der Wahrnehmung vermitteln können. Das ganze ist kostenlos und vertraulich.

Achso. Ein positives habe ich rausgelesen: Deine DM will, dass du fertig wirst und das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass du promovieren wirst.
Man muß daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muß man erreichen, koste es, was es wolle. - Marie Curie
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