Frisch gestartet - Arbeitsbelastung - Arbeitseffizienz - Lehre

... und die Fragen, die sich davor und dabei ergeben.
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Markus0765
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Frisch gestartet - Arbeitsbelastung - Arbeitseffizienz - Lehre

Beitrag von Markus0765 »

Hallo,

ich bin seit Anfang des Jahres wissenschaftlicher Mitarbeiter und somit ganz neu gestartet. Ich arbeite im Moment sehr viel, mit Sicherheit 50 Stunden die Woche und erhoffe mir etwas Rat. Dabei geht es um die Frage der generellen Arbeitsbelastung, als auch um die Vorbereitungszeit für die Lehre. Ich verstehe mich sehr gut mit meinem Chef und Doktorvater, aber möchte ihm nicht direkt alles auf die Nase binden. Meine Fachbereich ist dabei eine Querschnittswissenschaft und keine reine Natur- oder Sozialwissenschaft.

Im Rahmen meiner Lehrverpflichtung muss ich ein Seminar gestalten und ab und zu eine Vorlesung in Vertretung geben. Thematisch befindet sich meine Lehre leider in einem Bereich, den ich im Studium kaum belegt hatte. Daher bin ich fachlich leider überhaupt noch nicht drin und muss mich extrem lange und viel vorbereiten. Ich stelle mir aber tatsächlich gerade die Frage und habe Selbstzweifel, ob diese lange Einarbeitungszeit womöglich auf meine Unfähigkeit zurückzuführen ist. Mag blöd klingen, ist aber vollkommen Ernst gemeint.
Für das Vorbereiten einer Vorlesungssitzung brauche ich inklusive Vorbereitung der Folien, Erstellung von Skript/Notizen und dann natürlich die fachliche Einarbeitung/Rechereche im Vorfeld mit Sicherheit 40-50 Stunden. Mir macht die Arbeit viel Spaß, aber langsam habe ich Angst, dass ich über meine Belastungsgrenze gehe - mit der Diss hab ich noch nicht mal richtig angefangen und meine gesamte offizielle Arbeitszeit (2/3 Stelle) geht eigentlich in die Lehre.

Wie sieht es bei euch mit den Vorbereitungen von den Lehrveranstaltungen aus?
Sind meine 40-50 Stunden halbwegs normal, wenn man noch gar keine Ahnung vom Thema hat?

Wie ist insgesamt eure Arbeitszeit bei einer 2/3 Stelle? Sind 50 Stunden da "normal"? (mir ist klar, dass das vermutlich stark je nach Fachbereich variiert..)

Viele Grüße
daherrdoggda
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Re: Frisch gestartet - Arbeitsbelastung - Arbeitseffizienz - Lehre

Beitrag von daherrdoggda »

Bei uns gab es keine Lehraufgaben und wir hatten 40-60 Wochenstunden bei 50% Stellen.
Die mit 40% haben mit 0-2 paper und magna oder cum laude abgeschlossen, die mit 60 hatten am Ende 3-5 paper, summa, und DIss-Preis. Eine meiner Betreuerinnen hat zu ihrer Zeit 80 h gearbeitet und fand alles darunter "Eierschaukeln" :D
Florina
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Re: Frisch gestartet - Arbeitsbelastung - Arbeitseffizienz - Lehre

Beitrag von Florina »

Guten Morgen,

für mich klingt das zwischen den Zeilen, als würdest du gerade in der Lehre alles genau wissen und vorbereiten wollen. Den Studierenden ist m.E.n. Authentizität wichtig. Es ist ok und auch gut, nicht alles zu wissen und Mut zur Lücke zu haben. Man kann in einer Lehrveranstaltung immer sagen: "Das ist eine gute Frage. Kennt jemand die Antwort?" oder "Das ist eine gute Frage, die ich so gar nicht beantworten kann. Ich gebe euch nächste Woche/per Mail eine Antwort." Das nimmt dir den Druck. Meine Kolleg:innen haben mir die Strategie näher gebracht und ich fahre damit wirklich gut. Zur Zeit muss ich auch eine Veranstaltung vorbereiten, die ich selbst nicht belegt habe. Durch Corona haben wir Lehrvideos, die ich nebenbei ansehen kann - das bringt aber nicht so viel ;) Mein Ziel ist nur ein Stückchen mehr zu verstehen als die Studis. (Die Erfahrung zeigt, dass das gar nicht so schwer ist und aus dem eigenen Selbstverständnis und Naturell automatisch passiert.)
Versuch lieber in der Veranstaltung bei dir zu bleiben, nicht allzu nervös zu werden und einen ordentlichen Job zu machen.
Zur Arbeitsbelastung: Es gilt Vertrauensarbeitszeit und am Ende zählt nicht die Zahl der Stunden, sondern ob du mit deiner Leistung zufrieden bist und ob es für eine Promotion reicht. Mit einem Magna und Summa stehen dir die Türen zur Wissenschaft offen. Alles darunter reicht völlig für die Wirtschaft.
Man muß daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muß man erreichen, koste es, was es wolle. - Marie Curie
Meruem
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Re: Frisch gestartet - Arbeitsbelastung - Arbeitseffizienz - Lehre

Beitrag von Meruem »

Die Arbeitsbelastung ist vermutlich wirklich sehr stark von der Fachrichtung, aber auch vom jeweiligen Institut abhängig. Ich selbst bin Ingenieur, habe ca. 15% Lehre gemacht und 85% Forschung. Im Schnitt habe ich meine 40 Stunden Arbeitszeit pro Woche erreicht (100% Stelle) und wurde so auch für jede geleistete Stunde Arbeit voll entlohnt. Bei anderen Instituten an unserer Uni (auch Ingenieure) sind es auch eher 50/50 Forschung/Lehre und Minimum 50 Stunden Arbeitszeit, die auch erwartet werden.

Bei einigen Bekannten in den Naturwissenschaften weiß ich aber auch, dass sie bei 50% Stellen über 50 Stunden arbeiten und davon auch nur die Hälfte für sich selbst/Forschung zur Verfügung haben.

Arbeitszeit und Note müssen nicht unbedingt korrellieren - bei mir hats auch für ein summa cum laude gereicht.

Aber zur Vorbereitung selbst: Am Anfang ist es wirklich sehr aufwändig. Für neue Vorlesungen/Übungen gehen gerne mal einige Tage und Wochen drauf. 40-50 Stunden halte ich da für absolut realistisch.

Solange es dir Spaß macht, finde ich Überstunden nicht so furchtbar kritisch.
Pass einfach auf, dass du noch einen Freizeitausgleich findest, sonst brennt man schnell aus.
deen_everstin
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Re: Frisch gestartet - Arbeitsbelastung - Arbeitseffizienz - Lehre

Beitrag von deen_everstin »

Finde ich erstaunlich, wie sehr das als normal angesehen wird, 50 - 66% Teilzeit-Vergütung zu erhalten, gleichzeitig jedoch 40/50/60h wöchentlich auf regulärer Basis zu arbeiten. Also, ich nehm das auch erst mal zur Kenntnis und versuch möglichst wenig zu werten. Es fällt mir allerdings nicht ganz so leicht. Meinem Verständnis nach ist eine Vergütung entsprechend der realen Arbeitszeit, die an die tatsächlichen Bedürfnisse der zu erfüllenden Arbeit gebunden ist, durchaus etwas, wofür man einstehen darf/kann/sollte. Erst recht dann, wenn man - und so lese ich diese Intention heraus - wie der Threadersteller spürt, dass es an den eigenen Ressourcen zehrt und die Frage aufkommt, ob man das als "normal" erachten oder vielleicht sogar mit einer gewissen Resignation hinzunehmen habe.

Ich bin mir dessen bewusst, dass man gewissen Zwängen unterlegen ist und es ein spürbares Machtgefälle gibt zwischen denjenigen, die promovieren und jenen, die sie beurteilen. Insofern ist es leider Usus, diesen Prozess auszutarieren. Allerdings wäre es für mich persönlich kein Qualitätsmerkmal meiner eigenen Resilienz, wenn ich es als Normalität internalisiert habe, regelmäßig 50-60h Stunden pro Woche zu arbeiten und dabei nur einen Bruchteil für meine Diss verwenden zu können und gleichzeitig ebenfalls nur einen Bruchteil davon vergütet zu bekommen. Das wäre für mich ein deutlich spürbares Ungleichgewicht, dem ich mich ein Stück weit entsagen würde. Zumindest soweit, wie es mir möglich ist.

Wenn du also, lieber Markus0765, persönlich der Überzeugung bist, dass du dich derzeit in einem Missverhältnis befindest, dann empfehle ich dir, abzuwägen, an welcher Stelle du umverteilen bzw. Aufgaben abgeben kannst, um dich auf deine Kernaufgaben konzentrieren zu können. Das geht zum Beispiel, indem du deinen Chef/DV bei der nächsten Besprechung, wo die zu erledigenden Aufgaben thematisiert werden, du ihn nach der Priorisierung fragst. Also ganz konkret: Du bekommst eine weitere Aufgabe vom DV. Dann sagst du ihm "Alles klar, neue Aufgabe. Hab ich verstanden. Hier, lieber DV, siehst du meine derzeitige To-Do-Liste, die ich bisher wie folgt priorisiert habe. Was davon soll wohin neu sortiert werden und wo in der Prioliste siehst du die neue Aufgabe? Ich arbeite dann nach und nach ab.". Wenn dein DV nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, wovon ich stark ausgehe, wird er merken, was du ihm dadurch kommunizierst und wenn er ein guter Chef ist, wird er dir dann hoffentlich entweder eine der Aufgaben abnehmen und umverteilen oder dir mehr Zeit geben oder bessere Materialien/Ressourcen zur Verfügung stellen, um die Aufgaben schneller bzw. effizienter erledigen zu können oder auf eine andere Art eine entlastende Unterstützung zukommen lassen. In jedem Fall ist die sachliche und an den vorhandenen Aufgaben hin ausgerichtete Kommunikation der Schlüssel.

Weniger probat wäre die rein emotionale Ebene, weil dann schnell der Eindruck entstehen kann, du seist einfach nur nicht belastbar, überfordert oder gar unfähig und andere vor dir haben das gleiche Pensum ohne Mimimi geschafft und so weiter. Diese Angriffsfläche würde ich gar nicht erst anbieten, denn das entspricht in der Regel auch nicht der Wahrheit. Vielmehr wollen wir ja eine gute Arbeit ableisten, aber eben auch unter vernünftigen Arbeitsbedingungen. Man muss dem Chef allerdings auch die Möglichkeit geben, darauf adäquat reagieren zu können, indem man auf der Sachebene entsprechend kommuniziert und Probleme klar benennt. Dann besteht eine relativ hohe Chance, dass sich die Arbeitslast zumindest etwas verringert.
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