Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

... und die Fragen, die sich davor und dabei ergeben.
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circles
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Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von circles »

Vllt hat hier jmd Erfahrungswerte: kurz die Facts:

Ich und mein DV haben ein Drittmittelprojekt durchgeführt, wobei er primär für Antrag und Ausrichtung etc. zuständig war, die empirischen Erhebungen (Umfrage und Qualis) habe ich alle alleine gemacht, da sie auch für meine Diss verwendet wurde, so weit, so gut. Die Erhebungen haben wir über den Abschlussbericht hinaus gemeinsam in ein paar Sammelbänden und policy papers veröffentlicht. Vor ein paar Wochen sehe ich, dass er alleine einen Artikel in einem (für unser Feld sehr hochrangigen) Journal veröffentlicht hat - ausschließlich mit den Daten aus unserem Forschungsprojekt. Er dankt mir in einer Fußnote für die Erhebung der Daten.

(nicht so ausschlaggebend, aber etwas, das für mich ein Gschmäckle hat: Er hatte mir vorab nicht von dem Artikel erzählt, dabei hatten wir uns eigtl regelmäßig über sowas auf dem Laufenden gehalten. Er hat mich sonst alle englischsprachigen Texte vorab Korrektur lesen lassen, da ich Englisch-Muttersprachlerin bin - nur bei diesem Artikel nicht. Es kommt mir sneaky vor, aber vllt bilde ich mir das auch nur ein).

Wie würdet ihr das empfinden? Ist eine Nennung in der Fußnote ausreichend, wenn es "meine" Daten aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt sind? Ich beende bald die Diss und arbeite dann woanders, es ist für mich nicht super wichtig, aber irritiert hats mich schon, daher wollte ich mal hören, was da so der Tenor ist.
Cybarb
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von Cybarb »

Hallo,

es gibt diverse Einrichtungen/Organisationen, die Kriterien für Autorschaft formuliert haben. Beispiele findest du hier:

Uni Münster

DFG

ICMJE

Zwischen den einzelnen Kriterienkatalogen mag es Unterschiede geben, aber eine Gemeinsamkeit ist, dass Datenerhebung allein nicht ausreicht, um Autorschaft zu begründen. In diesem Falle wird eine Erwähnung in der Danksagung empfohlen.

Dein DV hat also - wenn man diesen Kriterienkatalogen folgt - korrekt gehandelt.

Edit:
Ist eine Nennung in der Fußnote ausreichend, wenn es "meine" Daten aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt sind?
Ohne Details zu kennen oder mich aufs juristische Glatteis begeben zu wollen. Das sind schon fette Anführungszeichen, denn m. E. sind es nicht deine Daten, sondern die Daten der Forschungseinrichtung.

Gruß
Cyb
Grounded
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von Grounded »

@Cybarb: Die Aussagen der Autorschaft der DFG in den Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis (2019, S. 19f., Herverhebungen von mir) lesen sich aber anders:
"Autorin oder Autor ist, wer einen genuinen, nachvollziehbaren Beitrag zu dem Inhalt einer wissenschaftlichen Text-, Daten- oder Softwarepublikation geleistet hat. Alle Autorinnen und Autoren stimmen der finalen Fassung des Werks, das publiziert werden soll, zu. [...]
Erläuterungen:
Der Beitrag muss zu dem wissenschaftlichen Inhalt der Publikation geleistet werden. Wann ein Beitrag genuin und nachvollziehbar ist, ist in jedem
Einzelfall gesondert zu prüfen und hängt von dem betroffenen Fachgebiet ab. Ein nachvollziehbarer, genuiner Beitrag liegt insbesondere vor, wenn
eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler in wissenschaftserheblicher Weise an
• der Entwicklung und Konzeption des Forschungsvorhabens oder
• der Erarbeitung, Erhebung, Beschaffung, Bereitstellung der Daten, der Software, der Quellen oder [...]
mitgewirkt hat.
Reicht ein Beitrag nicht aus, um eine Autorschaft zu rechtfertigen, kann diese Unterstützung in Fußnoten, im Vorwort oder im Acknowledgement
angemessen anerkannt werden. "

Mit einer Erwähnung in einer Fußnote ist es dann doch definitv nicht getan, wenn circles die Daten wie angegeben komplett alleine erhoben hat.
Cybarb
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von Cybarb »

@Grounded: Vielen Dank für die Korrektur!

In dieses Dokument hatte ich nicht geschaut. Dann muss ich meine Einschätzung natürlich teilweise revidieren. Und da die DFG für den deutschsprachigen Raum sehr maßgeblich ist, ist es sinnvoll, sich an dieser Publikation zu orientieren.

(Interessant allerdings, dass es da doch so unterschiedliche Einschätzungen gibt. Die DFG verknüpft die einzelnen Kriterien mit "oder", zwei der von mir erwähnten Quellen mit "und" - woraus dann ja deutlich schwächere bzw. stärkere Anforderungen entstehen.)
circles
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von circles »

Danke euch beiden jetzt schon mal für die Rückmeldung, es scheint ja tatsächlich eher ein Graubereich zu sein. Ich hatte auch noch in unseren Antrag bzw. den Vertrag zu dem Projekt geschaut, aber da nicht unbedingt eine Klausel dazu gefunden, wem die Daten gehören. Vllt schaue ich dann auch nochmal auf der Seite unserer Uni, interessehalber - verfolgen werde ich das vermutlich erstmal ohnehin nicht.

Kolleginnen hatten in einem Gespräch mit einer Ombudsperson (zu einem anderen, aber verwandten Thema) mein Beispiel genannt, die meinte, es sei wissenschaftlich hochgradiges Fehlverhalten, aber ich war mir nicht sicher, ob meine Kolleginnen den Fall richtig geschildert hatten.
Grounded
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von Grounded »

Den Leitlinien zufolge hat die Ombudsperson recht: klares Fehlverhalten, kein Graubereich.
daherrdoggda
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von daherrdoggda »

circles hat geschrieben: ↑08.03.2023, 18:28 Die Erhebungen haben wir über den Abschlussbericht hinaus gemeinsam in ein paar Sammelbänden und policy papers veröffentlicht. Vor ein paar Wochen sehe ich, dass er alleine einen Artikel in einem (für unser Feld sehr hochrangigen) Journal veröffentlicht hat - ausschließlich mit den Daten aus unserem Forschungsprojekt.
Demnach wurden die Daten ja bereits vorher veroeffentlicht. Ist der neue Artikel ein Review? Er kann ja nicht das selbe nochmal publizieren. Entweder also ein Review, oder was neues mit nur reproduzierten oder leicht veraenderten Abbildungen. In allen diesen Faellen muss nur das Original zitiert werden.
circles
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von circles »

daherrdoggda hat geschrieben: ↑09.03.2023, 01:29 Demnach wurden die Daten ja bereits vorher veroeffentlicht. Ist der neue Artikel ein Review? Er kann ja nicht das selbe nochmal publizieren. Entweder also ein Review, oder was neues mit nur reproduzierten oder leicht veraenderten Abbildungen. In allen diesen Faellen muss nur das Original zitiert werden.
Kein Review - es waren qualitative Interviews + quantitative Erhebung, die Publikationen hatten immer einen etwas anderen "Blickwinkel" oder thematischen Fokus, da der Datensatz recht reichhaltig war.
circles
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von circles »

Grounded hat geschrieben: ↑08.03.2023, 21:18 Den Leitlinien zufolge hat die Ombudsperson recht: klares Fehlverhalten, kein Graubereich.
Hm okay, dann setze ich mich nochmal persönlich mit der Ombudsperson in Verbindung. Wisst ihr denn, was dann weiter passieren würde? Eine Abmahnung vermutlich erstmal? Da ich bei ebenjenem DV diesen Sommer noch abgeben und verteidigen muss, ist das auch etwas, was ich erst nach der Disputation ansprechen würde..
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von daherrdoggda »

Und die Originalarbeit mit den Daten wird nicht zitiert?
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