Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

... und die Fragen, die sich davor und dabei ergeben.
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Lara774
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Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von Lara774 »

Ich stehe 2 Monate vor der Verteidigung und ärgere mich total, dass ich den ganzen Stress auf mich nahm.
Mein Grund für die Promotion war, dass mir wissenschaftliche Arbeit und Datenanalyse Spaß macht und die Promotion an sich hat auch Spaß gemacht. Ich sehe mich allerdings überhaupt nicht in einer Leitungsfunktion und alle Jobs, die mich irgendwie ansprechen, setzen lediglich eine Ausbildung voraus. Als PostDoc (habe ich so Gefühl) ist man auch eher für das Management zuständig und weniger für die Datenbearbeitung. Ich will nicht mehr ständig was Neues machen müssen, Projekt managen, zu Meetings gehen; sondern einfach nur von 9 bis 17 Uhr gängige Arbeiten erledigen, die am besten jeden Tag gleich sind. Ich habe Angst, dass ich keinen solchen Job kriege, weil ich für die als überqualifiziert gelten werde. Auch spüre ich Druck, dass ich Karriere machen muss. Ich wünsche aber mir einen ganz einfachen Job in z.B. einem Reisebüro, unbefristeten Arbeitsvertrag, und eine Familie, die ich bis jetzt nicht gründen wollte, weil ich studierte und befristeten Arbeitsvertrag hatte. Ich denke, ich wäre mit einer Ausbildung viel glücklicher, dann wäre ich jetzt mit 28 viel weiter im Leben.
Grounded
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Re: Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von Grounded »

Das tut mir leid für dich.
Was ich mich frage: Mit welcher Intention schreibst du das hier?
Lara774
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Re: Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von Lara774 »

Ich weiß nicht, ich hatte keine bewusste Intention und es tut mir Leid, dass es für die anderen kein Mehrwert bringt. Ich befinde mich grade in einer anstrengenden Phase, hinterfrage alles und ich denke, ich wollte einfach meinen Gedankenkarussell einmal aufs Papier bringen und mit jemandem teilen.
Wierus
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Re: Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von Wierus »

Ich verstehe nicht ganz, was die Promotion damit zu tun hat.

Wenn du in einem Reisebüro arbeiten wolltest, wie du sagst, hättest du -- im Idealfall -- irgendwann ab der fünften Klasse auf eine Real- bzw. Wirtschaftsschule abbiegen müssen und dir damit den Umweg Abi + Studium erspart. Dann hättest du schon ab etwa 18 Jahren deinen Nine-to-Five-Job gehabt. Für den Job im Reisebüro bist du im Prinzip auch mit einem Bachelor überqualifiziert.

Dazu würde ich allerdings anmerken, dass du mit dem was du jetzt hast eindeutig besser fährst, als mit einer Ausbildung zum Bürokaufmann. Wer weiß wie lange es diese Jobs im Zeitalter der Digitalisierung überhaupt noch gibt...
Grounded
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Re: Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von Grounded »

Lara774 hat geschrieben: ↑12.02.2023, 13:54 Ich weiß nicht, ich hatte keine bewusste Intention und es tut mir Leid, dass es für die anderen kein Mehrwert bringt. Ich befinde mich grade in einer anstrengenden Phase, hinterfrage alles und ich denke, ich wollte einfach meinen Gedankenkarussell einmal aufs Papier bringen und mit jemandem teilen.
Ich frage, weil ich in deinem posting diesen Diskurs um „Akademikerschwemme“ und „Azubimangel“ herausgelesen habe. Dachte schon, du willst uns „Macht besser eine Ausbildung“ oder etwas in diese Richtung mitteilen.
Wierus
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Re: Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von Wierus »

Grounded hat geschrieben: ↑12.02.2023, 15:07
Lara774 hat geschrieben: ↑12.02.2023, 13:54 Ich weiß nicht, ich hatte keine bewusste Intention und es tut mir Leid, dass es für die anderen kein Mehrwert bringt. Ich befinde mich grade in einer anstrengenden Phase, hinterfrage alles und ich denke, ich wollte einfach meinen Gedankenkarussell einmal aufs Papier bringen und mit jemandem teilen.
Ich frage, weil ich in deinem posting diesen Diskurs um „Akademikerschwemme“ und „Azubimangel“ herausgelesen habe. Dachte schon, du willst uns „Macht besser eine Ausbildung“ oder etwas in diese Richtung mitteilen.
Tja, wir leben auch in dieser Hinsicht in völlig verrückten Zeiten. Einerseits gibt es diese Angstmache zur "Akademikerschwemme", andererseits bricht die reinste Panik wegen ChatGPT aus, weil das angeblich schon bald viele einfache (Büro-)Jobs zunichte mache.

Ich bin trotz allem der Meinung, dass man, so lange es der eigene Lebenswandel zulässt, immer den besten Bildungsabschluss mitnehmen sollte.
Florina
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Re: Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von Florina »

Nabend,
vielleicht ist dir einfach gerade alles zu viel? Panik vor der Verteidigung, Leere nach der Abgabe, Angst vor der Zukunft... der Wunsch nach Einfachheit und klaren Strukturen ist verständlich.
Dir hilft es vielleicht in dich zu gehen und herauszufinden, warum du überhaupt studieren wolltest. Was war dein Antrieb?
Mit 28 Jahren hat man noch alle Zeit der Welt zur Familiengründung. Also gar nicht so schlimm, dass du eins nach dem anderen machst.
Als fertiger Doktor musst du auch nicht in eine Führungsposition wechseln. Es gibt in verschiedenen Forschungsinstituten wohl bald Fachexpertenstellen, in denen man ganz Nerd sein soll. Und wenn das nichts für dich ist, nimm einfach einen für deine Qualifikation unterbezahlten Job an und werd glücklich. Dein Leben - deine Regeln.

Du hast noch zwei Monate zur Verteidigung. Was hältst du von einem zwei- bis dreiwöchigen Urlaub? Einfach mal raus, Seele baumeln lassen und leben.
Man muß daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muß man erreichen, koste es, was es wolle. - Marie Curie
Papierturm
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Re: Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von Papierturm »

Tief durchatmen :) .

Ich kenne viele, die das Gefühl kurz vor und kurz nach der Promotion hatten. Mir ging es auch so.

Es geht vorüber. Und irgendwann bemerkt man die Türen, die einem Studium und Promotion öffnen bzw. geöffnet haben. Oder bemerkt einfach nur, auch beim Ausbildungsweg gibt es mehr als genug Tücken (z.B. auch dort teils sehr unsichere Beschäftigungsverhältnisse.

Oh. Und Unterforderung stresst auch - vergisst man gerne, ist aber auch ein Risikofaktor.
johndoe
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Re: Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von johndoe »

Lara774 hat geschrieben: ↑12.02.2023, 02:19 ..., dann wäre ich jetzt mit 28 viel weiter im Leben.
Dazu möchte ich nur anmerken, dass man mit 28 für nichts zu alt ist. Andere starten da erst mit der Promotion, andere starten da erst im Job nach dem Masterstudium.

Und andere merken nach ein paar Jahren im Job, dass es nicht passt und suchen auch nach Alternativen.

Wichtig ist, wie schon jmd schrieb, dass du mit deinem Werdegang ohne viel Aufwand skalieren kannst, während jmd mit Berufsausbildung-only erst mal äußerst viel Energie für eine höhere Qualifizierung investieren muss.
caipirinha11085
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Re: Ich wünsche mir ich hätte nicht promoviert

Beitrag von caipirinha11085 »

Ich denke, dass du mit diesem Wunsch nach einem geruhsamen Job nicht allein bist. Gerade in schwierigen Phasen finde ich den verstärkten Wunsch nach scheinbar besonders einfachen Tätigkeiten und der Stabilität, die damit einhergeht, normal.
Ich lege dir nahe erst einmal die Promotion abzuschließen und dann in Ruhe zu schauen, wo es dich hin verschlägt. Es gibt doch grad in Konzernen sehr viel promovierte Experten ohne Führungsverantwortung, die - wenn sie wollen - sehr lange im selben Job bleiben können mit allen Annehmlichkeiten eines Konzerns.

Nach meiner Beobachtung romantisieren viele Akademiker vermeintlich "einfache" Jobs und übersehen, dass man dort genauso Stress haben kann und seinen Ärger mit nach Hause nehmen kann (im Reisebüro zB Stress mit Kunden...). Und umgekehrt kann man halt auch in "Akademikerjobs" eine ruhige Kugel schieben.
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