Angst vor Fertigstellung/Abgabe

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baboo
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Angst vor Fertigstellung/Abgabe

Beitrag von baboo »

Hallo zusammen,

nachdem ich schon fleißig hier im Forum mitgelesen habe und mich in vielen Beiträgen wiedergefunden habe, habe ich mich dazu entschlossen mich auch anzumelden und meine Sorgen und Ängste in Bezug auf die Diss von der Seele zu schreiben. Ich habe in den Naturwissenschaften promoviert. War nach meinem Masterabschluss aber erst für paar Jahre in der Industrie tätig und hatte dort das Gefühl nicht voranzukommen bzw. auch nicht wertgeschätzt zu werden. Hatte auch schon länger mit dem Gedanken an eine Promotion gespielt, diesen aber direkt nach der Masterarbeit verworfen, da ich danach nur noch weg wollte von der Uni und einfach was anderes sehen und machen. Dann ergab sich ein anfangs recht spannendes Forschungsprojekt an dem Lehrstuhl, an dem ich bereits meine Masterarbeit geschrieben hatte und so bin ich für die Promotion wieder an der Uni gelandet. Das wissenschaftliche Schreiben , Datenauswertung etc. macht mir an sich Spaß, allerdings hatte ich ziemliche Probleme während des 3-jährigen Projektes mit der Methodik, dem Thema an sich, den aus meinen Augen nichtssagenden und banalen Ergebnissen und dem auf sich allein gestellt sein. Habe mehrfach ans Abbrechen gedacht, wobei mir von außen immer geraten wurde es durchzuziehen. So habe ich die Zähne zusammengebissen und unter relativ großem Leidensdruck meine Paper veröffentlicht. Nachdem ich dann psychische Probleme bekommen hab, hatte ich mich entschieden die Uni zu verlassen. Dies war dann auch eh zum Projektende. Meine Betreuer waren immer sehr zufrieden mit mir und hatten mir sogar eine Post-Doc-Stelle angeboten. Die Fertigstellung der Dissertation habe ich mir offen gelassen, weil ich die Anforderungen der Promotionsordnung an sich erfüllt habe. Ich muss "nur" noch die Klammer der kumulativen Diss. schreiben. Ich bin allerdings so sehr von Selbstzweifeln und Ängsten geplagt, dass ich die meiste Zeit denke, dass ich so einen Mist nicht abgeben kann und es mir peinlich ist so eine Arbeit einzureichen und zu verteidigen. Ich selbst sehe nämlich die größten Schwächen und Fehler. Zum Teil bekomme ich schon Panik, wenn ich nur durch meine Paper scrolle und male mir aus, was daran alles falsch ist und wie ich damit bald auffliege. An anderen Tagen schaffe ich es auch mal eine halbe Seite an meiner Klammer zu schreiben. Im Endeffekt ist mir der Titel&Abschluss persönlich gar nicht wichtig, würde aber gerne das ganze Thema Promotion einfach mal hinter mit lassen. Kämpfe also jeden Tag damit, das Ding einfach irgendwie noch fertig zu machen und in den Ring zu werfen, egal was schlussendlich bei rauskommt (entweder geht durch oder nicht) oder abzubrechen.
So, jetzt fühle ich mich schon irgendwie besser, nachdem ich das hier runtergeschrieben habe.
johndoe
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Re: Angst vor Fertigstellung/Abgabe

Beitrag von johndoe »

"Remember: it's only a PhD"

Das sagte unser Dozent im Doktorandenseminar einst. Und ich finde das nach wie vor treffend, va wenn ma sich selbst scheinbar unerreichbare Anforderungen auferlegt und sich dadurch selbst sabotiert.

Atme mal durch, vll brauchst du auch etwas Abstand (Urlaub?) und dann geh das ganze entspannt und realistisch an. Das gute an kumulativer Promotion ist doch gerade, dass du bereits die Bestätigung von unabhängigen Reviewern hast, dass deine Papers ausreichend signifikant sind.

Und ich glaube jeder kennt das Gefühl, dass man irgendwann so tief drinsteckt, dass einem die eigenen Ergebnisse banal vorkommen. Aber das kommt va von der verzerrten Wahrnehmung, weil du zum Experten gereift bist.
flip
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Re: Angst vor Fertigstellung/Abgabe

Beitrag von flip »

baboo hat geschrieben: ↑05.05.2022, 09:49 Hallo zusammen,
War nach meinem Masterabschluss aber erst für paar Jahre in der Industrie tätig und hatte dort das Gefühl nicht voranzukommen bzw. auch nicht wertgeschätzt zu werden. Hatte auch schon länger mit dem Gedanken an eine Promotion gespielt, diesen aber direkt nach der Masterarbeit verworfen, da ich danach nur noch weg wollte von der Uni und einfach was anderes sehen und machen. Dann ergab sich ein anfangs recht spannendes Forschungsprojekt an dem Lehrstuhl, an dem ich bereits meine Masterarbeit geschrieben hatte und so bin ich für die Promotion wieder an der Uni gelandet. Das wissenschaftliche Schreiben , Datenauswertung etc. macht mir an sich Spaß, allerdings hatte ich ziemliche Probleme während des 3-jährigen Projektes mit der Methodik, dem Thema an sich, den aus meinen Augen nichtssagenden und banalen Ergebnissen und dem auf sich allein gestellt sein. Habe mehrfach ans Abbrechen gedacht, wobei mir von außen immer geraten wurde es durchzuziehen. So habe ich die Zähne zusammengebissen und unter relativ großem Leidensdruck meine Paper veröffentlicht. Nachdem ich dann psychische Probleme bekommen hab, hatte ich mich entschieden die Uni zu verlassen. Dies war dann auch eh zum Projektende. Meine Betreuer waren immer sehr zufrieden mit mir und hatten mir sogar eine Post-Doc-Stelle angeboten. Die Fertigstellung der Dissertation habe ich mir offen gelassen, weil ich die Anforderungen der Promotionsordnung an sich erfüllt habe. Ich muss "nur" noch die Klammer der kumulativen Diss. schreiben. Ich bin allerdings so sehr von Selbstzweifeln und Ängsten geplagt, dass ich die meiste Zeit denke, dass ich so einen Mist nicht abgeben kann und es mir peinlich ist so eine Arbeit einzureichen und zu verteidigen. Ich selbst sehe nämlich die größten Schwächen und Fehler.
Joa, ich stimme mal meinem Vorredner zu. Es kann durchaus sinnvoll sein, im Leben einmal kurz inne zu halten und mit Abstand auf das zu schauen, was man bisher erreicht hat. Dass du in erster Linie die "Fehler" in der Diss siehst, ist normal. Das ist der natürlichste Progress in der Wissenschaft, denn es ein konstanter Lernprozess in der Hinsicht, dass man es besser machen kann.
Dir hat die Arbeit Spaß gemacht, du hast Artikel veröffentlicht (bzw. eingereicht) und dir wurde einw Postdoc-Stelle angeboten. So etwas kommt ja nicht von ungefähr und du bist damit weiter, als 90-95% der Doktoranden.

Schreib die Klammer, denk nicht weiter darüber nach was noch alles schiefgehen kann, sondern reiche ein. Niemand will dir was böses.
Grounded
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Re: Angst vor Fertigstellung/Abgabe

Beitrag von Grounded »

Es gibt Gründe für deine Abschlusskrise, beispielsweise zu hohe und unrealistische Anforderungen an die eigene Arbeit. Wenn du die kennst, weißt du auch um Möglichkeiten, damit produktiv umzugehen. Daher möchte dich auf wichtige Informationen zum Theme Promotionskrisen hinweisen. Google diesen Begriff, oder suche gleich die Seite zu "Krisen in der Promotionszeit" der Uni Jena. Oder lies diesen Artikel: Werner Fiedler/Eike Hebecker: Promotionskrisen und ihre Bewältigung, in: Franziska Günauer et al.: GEW-Handbuch Promovieren mit Perspektive. Ein Ratgeber von und für DoktorandInnen. 2. Aufl. Bielefeld 2012, S. 257–272.
Viel Erfolg :)
klausm
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Re: Angst vor Fertigstellung/Abgabe

Beitrag von klausm »

Es wurde schon viel Gutes geschrieben.
Von mir eine persönliche Erfahrung:

Ich fand das Thema am Anfang spannend. Hätte ich an manchen Stellen mehr und an anderen weniger auf die Beratung vom DV gehört, wäre die Arbeit deutlich besser geworden. So ist sie leider nichts halbes, nichts ganzes.

Die Diss abzugeben, nicht kumulativ, sondern als Buch, war die erste große Befreiung. Wurde auch besser als erwartet bewertet. Die Dispu vorzubereiten war nochmal emotional belastend, weil ich vieles Revue passieren ließ und den Kern der Arbeit nicht fand. Aber inhaltliche Hilfe von anderen Docs und Außenstehende hat mich getragen. Am Ende hatte ich sogar ein wenig Gelassenheit, weil ich mich in der Dispu auf einen Teilbereich fokussiert habe, den ich gut fand.
Das Buch dann zu veröffentlichen ging mechanisch. Ich merkte wieder, wie ich große Teile der Arbeit blöd fand, aber andere fanden die Arbeit ja hilfreich, wie Noten, Paper, Konferenzen gezeigt hatten. Also einfach raushauen das Ding. Und das ging dann auch erstaunlich gut, weil mir viele Feinheiten wie z.B. der genaue Klappentext vom Verlag nicht mehr so wichtig waren, dass ich mich daran aufgerieben hätte.
Mittlerweile ist die Arbeit ne Weile veröffentlicht und ich fühle mich berechtigt als Doktor und bin mir bewusst, dass überall nur mit Wasser gekocht wird. Mal besser, mal schlechter, aber so lange es ein paar Rezipienten gibt, die es gut finden, ist es doch in Ordnung.

Ich hoffe, das hilft etwas. Nimm das positive Feedback vom Betreuer als Ansporn; vielleicht sieht er den Ertrag Deiner Arbeit aktuell besser als Du ihn sehen kannst.
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