Promotion oder zweites Standbein?

Gesperrt
Carolus
Beiträge: 2
Registriert: 23.03.2022, 12:22

Promotion oder zweites Standbein?

Beitrag von Carolus »

Hallo Leute,

Ich darf kurz meine Situation schildern:
kürzlich habe ich meinen Master in Geschichte abgeschlossen und könnte mich nun auf eine Promotionsstelle bewerben, wobei ich wüsste, dass ich bei der Bewerbung gute Karten hätte die Stelle auch zu erhalten. Da mir die Richtung des Dissertationsthemas zusagt und ich auch wirklich viel Freude am wissenschaftlichen Arbeiten habe, könnte ich es mir auf jeden Fall vorstellen zu promovieren.
Nun zum eigentlichen Problem: Bei allen Freuden, die eine Prae-Doc Stelle mit sich brächte, liegt mir die Zeit danach jetzt schon etwas im Magen. Ein Leben als Post-Doc kann ich mir momentan aufgrund der Bedingungen (keine Planungssicherheit durch Befristungen, hohe Mobilität etc.) nicht vorstellen.

Nun frage ich mich natürlich, ob eine Promotion (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt) überhaupt Sinn macht und ob ich stattdessen nicht lieber der Berufserfahrung wegen eine Projektstelle o. Ä. suchen sollte. Auch hätte ich noch ein Zweitstudium (ebenfalls geisteswissenschaftlich; die Lehramts-Option stünde mir theoretisch auch noch offen), dass ich abschließen könnte, um beruflich ein zweites Standbein zu haben. Ebenso würde mir in diesem Fall die Promotion ja nicht davonlaufen, falls mich das nach ein paar Jahren in der Praxis immer noch interessieren sollte.
Andererseits reizt mich die Promotionsstelle und ich hätte zumindest die nächsten paar Jahre eine zufriedenstellende Situation. Auch rein statistisch gesehen findet man mit einem Geschichte Doktorat früher oder später auch außerhalb der Uni einen Job. Mache ich mir hier einfach zu viele Gedanken?

Natürlich erwarte ich nicht, dass mir die Entscheidung hier abgenommen wird. Trotzdem wäre ich für eure Meinungen und Erfahrungen sehr dankbar!

Liebe Grüße
Carolus
Wierus
Beiträge: 1100
Registriert: 11.05.2009, 20:43
Status: Dr. phil.
Hat sich bedankt: 38 Mal
Danksagung erhalten: 79 Mal

Re: Promotion oder zweites Standbein?

Beitrag von Wierus »

Carolus hat geschrieben: ↑23.03.2022, 14:38Ebenso würde mir in diesem Fall die Promotion ja nicht davonlaufen, falls mich das nach ein paar Jahren in der Praxis immer noch interessieren sollte.
In meinen Augen wäre es ein großer Fehler, dich darauf zu verlassen.

Sorry, aber wie kommst du auf die Idee, dass dir eine Möglichkeit zur Promotion 'ja nicht davonlaufen' kann, wenn ich fragen darf?
johndoe
Beiträge: 414
Registriert: 31.12.2018, 12:57
Status: Prof. Dr.
Hat sich bedankt: 14 Mal
Danksagung erhalten: 80 Mal

Re: Promotion oder zweites Standbein?

Beitrag von johndoe »

Es läuft vll nicht davon, aber es wird auch nicht leichter. Spätestens mit Partnerschaft und Familie wird es dann eng, finanziell hat man sich an ein gewisses Niveau gewohnt, der Job ist unbefristet, etc

Wer dann nochmal alles hinwirft und als WiMA befristet in ein ungesundes Abhängigkeitsverhältnis mit wenig Worklife-Balance anfängt, ist entweder irre oder braucht dringend nen Tapetenwechsel.

Und Extern promovieren ist auch kein Spaß.

Also mach es am besten jetzt, wenn du es willst, oder verabschiede dich davon. Das ist mein Rat als ebenfalls "später berufener".
Denkerin
Beiträge: 571
Registriert: 10.04.2021, 12:59
Status: stecke mittendrin
Hat sich bedankt: 15 Mal
Danksagung erhalten: 8 Mal

Re: Promotion oder zweites Standbein?

Beitrag von Denkerin »

Ich sehe das vielleicht ein bisschen anders. Meine Herangehensweise wäre (und war es auch bei mir): Wenn du jetzt direkt an der Uni bleibst (was natürlich verlockt), hast du wohl keinerlei Berufserfahrung in der freien Wirtschaft (in der Praxis). Ergo: Die Wahrscheinlichkeit, dass du irgendwann aus dem Wissenschaftskarussell herausfällst und in die freie Wirtschaft musst, ist ja nicht gerade gering (Stichwort: Wissenschaftszeitgesetz). Das würde ich immer mit bedenken, wenn dir ein bisschen Sicherheit wichtig ist. Da muss man dann die richtige Abwägung für sich treffen. Ich hab das mit ner externen Promotion parallel zu einem Butter-und-Brot-Job gemacht und bin ganz glücklich damit, wenngleich das natürlich auch echt anstrengend ist und ich nicht in 3 Jahren wie ein Vollzeitpromovend fertig sein werde.
Das soll nur eine Perspektive sein, die es wert ist, vielleicht auch berücksichtigt zu werden.
flip
Beiträge: 1166
Registriert: 02.11.2012, 02:50
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 46 Mal

Re: Promotion oder zweites Standbein?

Beitrag von flip »

Hm, das ist alles sehr vage geschrieben.

1. Was für Modalitäten hat die Stelle?
2. Willst du wirklich Lehrer werden? Wenn ich mich recht entsinne, dann ist deine Kombi wenigstens genauso risikoreiche wie der Post-Doc.
3. Was sind die Alternativen, also diese "Praxis", von der du sprichst.
Eva
Beiträge: 9240
Registriert: 06.07.2007, 17:35
Status: Dr. phil.
Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 26 Mal

Re: Promotion oder zweites Standbein?

Beitrag von Eva »

Wäre es denkbar, die Promotionszeit auch für den Abschluss des Zweitstudiums zu nutzen? Sofern das deine Chancen auf einen Berufseinstieg nach der Diss erhöht.

Sonst - und eigentlich in jedem Fall! - würde ich dir raten, während der Promotionsjahre den Berufseinstieg in einem dich interessierenden Feld vorzubereiten. Als Historiker wären die klassischen Bereiche ja Archiv, Bibliothek, Museum. Käme etwas davon für dich in Frage? Dann empfehlen sich Praktika, Nebenjobs, freie Mitarbeit, denn zwischen Promotion und erster "ordentlicher" Stelle stünde dann ja noch Volontariat oder Referendariat, für das man auch erstmal angenommen werden muss (und die Konkurrenz ist groß). Hast du schon konkrete Vorstellungen, wo es dich beruflich hinzieht?

Oder geht es dir grundsätzlicher um die Frage "Soll ich überhaupt promovieren, wenn ich nachher sicher nicht in der Wissenschaft bleiben möchte?" Ich würde dir antworten: Ja, wenn die Promotion etwas ist, das dich persönlich sehr reizt und für dich eine persönliche Herausforderung darstellt. Etwas, das dir wert ist, Lebenszeit damit zu verbringen, unabhängig von der beruflichen Verwertbarkeit. Ich vermute, du bist Mitte 20? Dann wäre auch nach der Promotion immer noch genug Zeit für den Berufseinstieg. Solltest du fachnah tätig sein wollen (s.o.), wäre die Promotion nicht mal "vertane Zeit", sondern etwas, das in diesen Bereichen immer noch durchaus üblich ist. Es geht aber auch ohne, daher: Prüfe dich selbst und deine Motivation für eine Diss. Wenn du richtig Lust darauf hast, dann mach's, ohne das Danach währenddessen komplett aus den Augen zu verlieren. Wenn dir weitere Jahre des wissenschaftlichen Arbeitens als Selbstzweck aber eh nicht so interessant erscheinen, dann geh lieber jetzt den Berufseinstieg an.
Wierus
Beiträge: 1100
Registriert: 11.05.2009, 20:43
Status: Dr. phil.
Hat sich bedankt: 38 Mal
Danksagung erhalten: 79 Mal

Re: Promotion oder zweites Standbein?

Beitrag von Wierus »

Eva hat geschrieben: ↑25.03.2022, 10:12 Sonst - und eigentlich in jedem Fall! - würde ich dir raten, während der Promotionsjahre den Berufseinstieg in einem dich interessierenden Feld vorzubereiten. Als Historiker wären die klassischen Bereiche ja Archiv, Bibliothek, Museum. Käme etwas davon für dich in Frage? Dann empfehlen sich Praktika, Nebenjobs, freie Mitarbeit
Dazu noch eine Ergänzung meinerseits: Zur Zeit ist es sehr leicht, im Erziehungswesen einzusteigen. Ein Student aus meiner Fakultät hat schon während seines Studiums, irgendwann kurz vor Corona, einen Job als Erzieher in einer Ganztagesschule gefunden. Mittlerweile ist er externer Doktorand und arbeitet weiterhin dort.

Neben dem recht passablen Gehalt sind vor allem die Arbeitszeiten sagenhaft: Irgendwas zwischen 12 und 16 Uhr, wobei Ganztagesschulen Freitags geschlossen sind. Das ist in meinen Augen fast perfekt für Studium, Promotion & Co. Außerdem dürfte sich das später im Lebenslauf ziemlich gut machen, wenn man seine vier, fünf oder mehr Jahre Promotion mit so einer Tätigkeit finanziert hat. Das wären dann schließlich viele Jahre Arbeitserfahrung in einem krisensicheren Berufsfeld.

Und wenn man Glück hat, findet man sogar einen Job an einer gymnasialen Ganztagsschule, kann dort also u.U. sogar fachnahe Nachmittagsbetreuung in Geschichte, Politik oder Sozialkunde anbieten. Sind ja immerhin Kinder/Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren. Das könnte sogar ein guter Startpunkt für den Quereinstieg ins Lehramt sein, in Museen oder sonstige pädagogisch orientierte Bildungsunternehmen.

Als ich das ganze Drumherum gehört habe, bin ich richtig neidisch geworden -- warum ist mir das nicht selbst eingefallen, damals? :evil:
Carolus
Beiträge: 2
Registriert: 23.03.2022, 12:22

Re: Promotion oder zweites Standbein?

Beitrag von Carolus »

Erstmal vielen Dank an alle für die hilfreichen Gedanken! Ich werde mal versuchen auf ein paar Dinge gesammelt einzugehen.

Nochmal zu meiner Grundhaltung, da diese stellenweise nicht ganz klar wurde. Salopp gesprochen: Wenn ich irgendeine andere Ausbildung hätte, auf welche ich notfalls zurückgreifen könnte oder ein paar Millionen auf dem Konto hätte, würde ich nicht zögern den Weg einer Promotion einzuschlagen. Nach der Fertigstellung der Diss wäre eine universitäre Karriere aufgrund der damit verbundenen Lebensumstände und Unsicherheiten aber nicht mein Ziel.

Mein Zweitstudium neben der Promotion fortzusetzen wäre daher - ebenso wie Praktika etc. - eine Option. Hier stellt sich mir aber die Frage, ob sich das alles gleichzeitig unter einen Hut bringen lässt. Ein kleiner Nebenjob in einem (wenn möglich) fachnahen Bereich erscheint mir gerade am praktikabelsten, aber auch Varianten wie die von Wierus vorgestellte halte ich nicht für unklug.

Grundsätzlich lese ich aus euren Antworten heraus die Promotion besser früher als später anzugehen. Ich selbst habe den Eindruck, dass sich die von mir erwähnte Stelle hierzu am besten eignet.

Das wär so der aktuelle Stand. Für weitere Anregungen/Gedanken/Erfahrungen wäre ich nach wie vor sehr offen und dankbar.
Gesperrt
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag