Stellenwert der Habilitation heute

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
Wierus
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von Wierus »

johndoe hat geschrieben: ↑24.10.2022, 23:36Was ich immer wieder erschreckend finde beim Thema Uni-Karriere und im erwähnten Artikel auch nochmal mit Zahlen untermauert wurde:

"Das Durchschnittsalter der frisch Habilitierten, die damit eine besondere Befähigung für die Arbeit in Forschung und Lehre nachweisen, lag bei 42 Jahren."

42 und fertig mit der Ausbildung :D das ist doch irre...
Zu berücksichtigen wäre allerdings, dass hier die Medizin mit 56% aller Habilitation besonders ins Gewicht fällt -- und in Medizin ist das Durchschnittsalter bei Promotion und Habilitation weit niedriger als in anderen Fächern. Klammert man also Medizin aus, könnte der Altersdurchschnitt weit darüber liegen, vielleicht sogar bei über 45!

Zum Thema "Ausbildung":
Sehe ich jetzt nicht ganz so eng. Bei dem fast schon expontiellen Wissenszuwachs in unserer digitalen Informations- und Wissensgesellschaft braucht es ja immer länger, um sich in einem Forschungsbereich einigermaßen den Überblick zu verschaffen. Außerdem: In der Wissenschaft geht es um Distanz, Objektivität und sachliche Argumentation. Manch einer muss wohl erst die 40 überschritten haben, um sich mit Blick auf Statussymbole, Geld etc. wirklich nichts mehr beweisen zu müssen. Dann können "große Forschungsprojekte" in den Vordergrund rücken, während Familie, Freunde, Hausbau oder 'das Leben genießen' im Vergleich dazu an Bedeutung verlieren (natürlich nur relativ betrachtet).
johndoe
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von johndoe »

Wierus hat geschrieben: ↑25.10.2022, 00:34
Zum Thema "Ausbildung":
Sehe ich jetzt nicht ganz so eng. Bei dem fast schon expontiellen Wissenszuwachs in unserer digitalen Informations- und Wissensgesellschaft braucht es ja immer länger, um sich in einem Forschungsbereich einigermaßen den Überblick zu verschaffen.
Naja überproportionalen Wissenszuwachs gab es früher auch schon, zb im MINT-Umfeld des 19. Jahrhunderts. Dennoch wurden viele zu der Zeit schon mit Mitte 20 Professor. Ich glaube, dass da schon viel Overhead mitgeschleppt wird heutzutage.
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von donkeydoeshisphd »

Hoffe nicht zu offtopic, aber hier eine Aufschlüsselung des Durchschnittsalters bei Habil nach Fächergruppe:
https://www.datenportal.bmbf.de/portal/ ... 2.5.67.pdf

Datengrundlage ist die Destatis Habilitationsstatistik.

Tatsächlich scheint die Medizin den Durchschnitt erkennbar zu senken. Bei Sport ist es erstaunlicherweise am höchsten.
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von Wierus »

Interessant ist auch, dass das Durchschnittsalter seit 1985 stetig angestiegen ist und im Jahr 2021 seinen bis dato höchsten Wert erreicht hat.

Es dürften hier also wissenschaftspolitische, strukturelle, demografische und soziokulturelle Faktoren zusammenspielen.
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von donkeydoeshisphd »

Wierus hat geschrieben: ↑27.10.2022, 22:53 Interessant ist auch, dass das Durchschnittsalter seit 1985 stetig angestiegen ist und im Jahr 2021 seinen bis dato höchsten Wert erreicht hat.

Es dürften hier also wissenschaftspolitische, strukturelle, demografische und soziokulturelle Faktoren zusammenspielen.
Ja. Bemerkenswert finde ich auch, dass die Habil dann auch fast immer ins typische Familiengründungsalter fällt. Ich kenne kaum Habilitierende, frage mich aber, wie diese damit umgehen. Ist ja maximal ungünstig eigentlich: anspruchsvolle und sehr aufwändige Forschungsarbeit, gepaart mit unsicherer beruflicher Zukunft, wenn es nicht gerade eine Medizin-Habil o.ä. ist.
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von johndoe »

donkeydoeshisphd hat geschrieben: ↑28.10.2022, 18:56
Wierus hat geschrieben: ↑27.10.2022, 22:53 Interessant ist auch, dass das Durchschnittsalter seit 1985 stetig angestiegen ist und im Jahr 2021 seinen bis dato höchsten Wert erreicht hat.

Es dürften hier also wissenschaftspolitische, strukturelle, demografische und soziokulturelle Faktoren zusammenspielen.
Ja. Bemerkenswert finde ich auch, dass die Habil dann auch fast immer ins typische Familiengründungsalter fällt. Ich kenne kaum Habilitierende, frage mich aber, wie diese damit umgehen. Ist ja maximal ungünstig eigentlich: anspruchsvolle und sehr aufwändige Forschungsarbeit, gepaart mit unsicherer beruflicher Zukunft, wenn es nicht gerade eine Medizin-Habil o.ä. ist.
Wobei man das auch außerhalb der Uni sieht. Familienplanung konkurriert oft mit Karriere im Unternehmen und wird auch da entsprechend hinten angestellt.
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von donkeydoeshisphd »

johndoe hat geschrieben: ↑30.10.2022, 09:33
donkeydoeshisphd hat geschrieben: ↑28.10.2022, 18:56
Wierus hat geschrieben: ↑27.10.2022, 22:53 Interessant ist auch, dass das Durchschnittsalter seit 1985 stetig angestiegen ist und im Jahr 2021 seinen bis dato höchsten Wert erreicht hat.

Es dürften hier also wissenschaftspolitische, strukturelle, demografische und soziokulturelle Faktoren zusammenspielen.
Ja. Bemerkenswert finde ich auch, dass die Habil dann auch fast immer ins typische Familiengründungsalter fällt. Ich kenne kaum Habilitierende, frage mich aber, wie diese damit umgehen. Ist ja maximal ungünstig eigentlich: anspruchsvolle und sehr aufwändige Forschungsarbeit, gepaart mit unsicherer beruflicher Zukunft, wenn es nicht gerade eine Medizin-Habil o.ä. ist.
Wobei man das auch außerhalb der Uni sieht. Familienplanung konkurriert oft mit Karriere im Unternehmen und wird auch da entsprechend hinten angestellt.
Da hast du einerseits recht, andererseits sind da zumindest große Unternehmen aktiver im Halten von Müttern/Vätern geworden. Zudem schützt einen die eigene Berufserfahrung in der freien Wirtschaft vor Arbeitslosigkeit, zumindest in vielen Jobs - zur Not kann man ausserdem oft noch "umsatteln", wenn das auch im ländlichen Raum mit einem Umzug verbunden sein mag. Nach der Habil, die meist mit befristetem Vertrag zusammenfällt, steht häufig immer noch die Professur oder eine schlechtbezahlte, unsichere berufliche Zukunft und dazwischen ist nicht soo viel.
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von daherrdoggda »

Wie viele Publikationen in welcher Autorenposition und in wie hoch 'angesehenen' journals (leider wohl immer noch JIF) muss man eigentlich fuer die Habil haben? In den Habilordnungen, die ich mir mal angeschaut hab, steht nix genaueres drin, nur dass man eine Publikationsliste abgeben muss. Aber wie kann man abschaetzen, ob man 'genug' auf der Liste hat, um eine Habil anzufangen?
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von donkeydoeshisphd »

Teilweise sind die "Zusammenfassungen" (glaube Kumulus heißen die?)veröffentlicht, in denen alle Publikationenen dargestellt und ein roter Faden herausgearbeitet werden. Das gibt einem für eine spezifische Uni mit einem spezifischen Fach und einem speziellen Betreuer vllt eine ganz gute Orientierung, was Anzahl und Qualität der Artikel angeht. Wenn du mir eine PM mit deinem Fachbereich schickst, schicke ich einen Link mit einem Beispiel einer großen Uni. Will das aus Anonymitätsgründen nicht öffentlich posten
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Re: Stellenwert der Habilitation heute

Beitrag von echolot »

daherrdoggda hat geschrieben: ↑04.11.2022, 00:56 Wie viele Publikationen in welcher Autorenposition und in wie hoch 'angesehenen' journals (leider wohl immer noch JIF) muss man eigentlich fuer die Habil haben? In den Habilordnungen, die ich mir mal angeschaut hab, steht nix genaueres drin, nur dass man eine Publikationsliste abgeben muss. Aber wie kann man abschaetzen, ob man 'genug' auf der Liste hat, um eine Habil anzufangen?
Das ist aus meiner Wahrnehmung sehr fach- und hochschulspezifisch. Da würde ich im Einzelfall den jeweiligen Betreuer nach den internen Regularien oder Faustregeln fragen. Einige wenige Fakultäten arbeiten mit Punkteschemas auf Basis der Einstufungen in Rankings, d.h. eine A-Publikation bekommt X Punkte, eine B-Publikation Y Punkte usw. Für Ko-Autorenschaften werden dann oft Formeln zur Berechnung des Anteils gegeben. Dann gibt es u.U. noch Anforderungen an das maximale Alter von Publikationen, die Anzahl von verschiedenen Outlets, die Anzahl von Allein- oder Erstautorenschaften sowie Anzahl von englischsprachigen Publikationen. Diese Regeln stehen aber z.T. NICHT in der HabilO, sondern in ergänzenden "Richtlinien", "Ausführungsbestimmungen" oder "Hinweisen".

Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften weiß ich von den Universitäten Münster, Darmstadt, Stuttgart, Rostock, Berlin (FU) und Siegen, die solche Punktesysteme verwenden, um eine "Mindestanforderung" an Habilitationsschriften zu formulieren. Als Grundlage wird dort in der Regel auf das VHB JourQual3-Ranking verwiesen. Das kann sicher schon einen ersten Anhaltspunkt geben, ist aber im Zweifel nur sehr bedingt auf andere Fächer übertragbar.
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