Prof an Privater FH

Fragen und Antworten rund um die FH-Professur
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johndoe
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Prof an Privater FH

Beitrag von johndoe »

Hi,
ich wollte mal einen Thread zum Thema private FHs eröffnen, da ich aktuell diese Alternative für mich auslote. Leider finde ich keine richtig guten Infos via Google, daher hoffe ich auf Erfahrungsträger hier im Forum. Und vielleicht gibt's ja noch weitere interessierte Mitforisten.

Fragen, die mich gerade umtreiben:
  • Wie frei und unabhängig ist wann wirklich in der Lehre oder generell Arbeitsgestaltung?
  • gibt es überhaupt ein Umfeld zum forschen (bringt ja kein Geld ein)?
  • ich sehe oft, dass es weniger Semesterferien als an staatlichen gibt. Gleichzeitig gelten auch 18sws deputat. Hat man also automatisch mehr Lehraufwand?
  • wie hörig muss man den zahlenden Studis sein? (Kunden...)
Soviel für's erste :dr) freu mich auf den Austausch!
Wierus
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Re: Prof an Privater FH

Beitrag von Wierus »

Hallo,

leider kann ich speziell zu deinem Anliegen wenig Konstruktives antworten, daher schonmal ein 'Sorry' im Voraus.

Von meiner Seite aber dies:
Ich hoffe, dass es in Deutschland bis dato, wenn überhaupt, nur sehr wenige private FHs gibt. Wir brauchen keine weitere Teilprivatisierung des (Hoch-)Schulwesens wie in den USA. Das würde auch bei uns bedeuten, dass Fördergelder schrittweise immer mehr in Richtung einiger weniger "Elite"-Hochschulen gelenkt werden, während die Mehrheit der öffentlichen Einrichtungen immer weiter abgehängt wird. Irgendwann muss doch mal Schluss sein mit der 'Amerikanisierung' aller unserer Lebensbereiche.

Wie du ja selber schon anmerkst, ist es mit dem hehren Ideal einer "unabhängigen Forschung" an solchen privaten Einrichtungen nicht weit her. Dieser graduelle Rückgang freien Forschens ist mittlerweile leider überall zu beobachten, denn alle Fächer sind heutzutage angehalten, sogenannte "Drittmittel" einzuwerben. Mehr davon muss wirklich nicht sein und die "private Hochschule" ist in meinen Augen der (Orwellsche) Endpunkt dieser Entwicklung.

Und zu der von dir angeschnittenen Arbeitssituation: Weniger Ferien, mehr Lehrdeputat, kaum forschungspraktische Unabhängigkeit? Na dann viel Spaß an der Arbeit in so einem Bildungsunternehmen!
johndoe
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Re: Prof an Privater FH

Beitrag von johndoe »

@wirus, da stimme ich dir prinzipiell zu - und im weiteren Sinne könnte man den fortschreitenden Kapitalismus per se kritisieren. Aber der Bedarf ist wohl da und viele große Bildungsanbieter halten sich teils seit mehreren Jahrzehnten.

Anyway, meine Motivation für diesen Thread ist eher darin begründet, dass mich mein Konzernjob immer mehr ankäst. Allerdings sind passende W2-Professuren im pendelbaren Umkreis rar gesät und die Konkurrenz groß. Daher überlege ich, ob private Prof-Stellen eine Alternative wären. D.h. ich vergleiche weniger staatliche vs. private FH als private FH vs. Konzerndasein. Auf W2-Stellen kann man sich ja weiter bewerben. Ich habe auch schon einige Vitas von FH-Profs gesehen, die einen Privat-FH-Background haben. Ein Wechsel scheint also eine realistische Option zu sein.
cheffe112
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Re: Prof an Privater FH

Beitrag von cheffe112 »

Moin, ich bin als nebenberuflicher Lehrbeauftragter an einer der großen privaten FHs tätig. Wie es mit den Profs dort aussieht, kann ich leider nicht sagen, aber zu diesen beiden Fragen kann ich ein bisschen Input geben:

> Wie frei und unabhängig ist wann wirklich in der Lehre oder generell Arbeitsgestaltung?
Was den Inhalt der Veranstaltungen betrifft, gibt es es wie üblich ein Modulhandbuch, das zentral erstellt wird (da dies eine FH mit vielen Standorten ist). Auf dieses kann insofern Einfluss genommen werden, als dass es einen Modulleiter gibt, der angesprochen werden kann und (zumindest in meinem Fall) auch aktiv um Input bittet. Beispielsweise wurde die Modulbeschreibung kürzlich grundlegend überarbeitet, wobei alle Lehrenden um Mithilfe gebeten wurden.

Es gibt ein Orientierungsskript des Modulleiters, das alle Themen grob abdeckt. Dieses darf und soll aber je nach Bedarf angepasst werden. Bezüglich der genauen Ausgestaltung des Moduls hat man ziemlich freie Hand, darf also nach Belieben Themen vergrößern, verkleinern, hinzufügen,... im Prinzip alles, was man mit ein bisschen gutem Willen in die Modulbeschreibung hineininterpretieren könnte. Auch die Schwerpunktsetzung und didaktische Ausgestaltung ist komplett frei.

Stundenplanung ist vermutlich das gleiche Optimierungsproblem wie an jeder anderen Hochschule... es wird aber versucht, alle Wünsche zu erfüllen und das hat bisher immer problemlos geklappt.

> wie hörig muss man den zahlenden Studis sein? (Kunden...)
Bisher ist mir nicht aufgefallen, dass das großartig anders wäre als an anderen Hochschulen. Der wesentliche Unterschied ist, dass organisatorische Abläufe, Ausstattung usw. grundsätzlich besser sind, aus genau diesem Grund. Das ist auch als Lehrender ganz angenehm, weil (zumindest wenn Präsenzlehre möglich ist) die Vorlesungsräume immer topp in Schuss sind, alle Technik funktioniert, immer Mitarbeiter zur Unterstützung da sind usw.

Ein kleines Problem sehe ich in der Qualität der Ausbildung in berufsbegleitenden Studiengängen wie in meinem Fall, da die Studis einfach zeitlich deutlich mehr eingeschränkt sind als Vollzeitstudenten. Daher ist es eigentlich nicht möglich, die Zeitvorgaben pro ECTS zu erfüllen (wobei die Frage ist, wo das wirklich eingehalten wird). Das ist vermutlich aber eher ein grundsätzliches Problem berufsbegleitender Studiengänge.
johndoe
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Re: Prof an Privater FH

Beitrag von johndoe »

Danke schon mal fürs Teilen dieser Einblicke, Cheffe!

Ich interpretiere das so, dass man als Dozent ebenso wie an staatlichen Hochschulen seine Vorlesungen und Skripten so gestaltet, wie man es für richtig erachtet, sofern es in den Rahmen des Moduls passt. Das ist schon mal gut. Ich hatte nämlich bei der IUBH-Jobbörse mal Stellen gesehen, die für mich klangen wie akademische Ghostwriter für Dozenten. Weitergedacht hätte das für mich geheißen, dass mir jemand ein fertiges Skript unter der Tür durchschiebt, welches ich dann 1:1 als menschliches Wiedergabegerät im Hörsaal abspule. Das mag für manche attraktiv sein, weil die Vorbereitungszeit drastisch reduziert wird, aber ich fände das äußerst demotivierend, nicht meine eigenen Schwerpunkte setzen zu können.

Bzgl. Studenten-Erwarten:
Ich hatte als LB an einer staatlichen FH den Eindruck gewonnen, dass von einer Klausur erwartet wird, dass sie nicht nur locker schaffbar ist, sondern dass eine 1,0 standardmäßig erreicht werden sollte. Und vielleicht auch mit Recht, weil die Noteninflation andernorts ebenfalls vorherrscht - man will ja nicht schuld sein, dass "seine" Studenten später keinen adäquaten Job finden. Daher könnte ich mir vorstellen, dass Bezahl-Studenten noch fordernder sind bzw. das seitens der Hochschule aus Imagegründen sogar unterstützt wird (wer kennt nicht die Werbeslogans a la "88% unserer Absolventen haben 3 Monate nach Abschluss einen Job" etc., allerdings auch bei staatlichen Hochschulen). Aber wo ich gerade so drüber schreibe und auch nochmal kurz recherchiert habe, wird mir klar, dass dieses Problem wahrscheinlich keines aus der Kategorie "privat vs. staatlich" ist, sondern eine flächendeckend Pest, von der letztlich keiner was hat (wenn jeder 1,0 hat, sticht auch keiner mehr heraus).
cheffe112
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Re: Prof an Privater FH

Beitrag von cheffe112 »

Ich bin nicht an der IUBH, aber definitiv kann ich sagen, dass von mir bisher nicht erwartet wurde, ein Wiedergabegerät zu sein. :D Von dem her wäre mir bisher kein Unterschied zu staatlichen FHs aufgefallen.

Auch bei der Notengebung bzw. Klausurstellung hatte ich immer freie Hand. Habe versucht, bei der Noteninflation nicht mitzuspielen und bisher auch keine negativen Reaktionen der Studis erhalten. Mein Eindruck war aber auch, dass (wegen den Gebühren und durch weniger freie Zeit wegen des berufsbegleitenden Studiums) großteils einigermaßen effizient gearbeitet wurde, d.h., wer an der Klausur teilgenommen hat, hatte auch immer ein gewisses Mindestniveau. Das waren dann auch diejenigen, die üblicherweise in den Veranstaltungen aufgetaucht sind.

Somit gibt es einerseits die kompletten "Karteileichen", die niemals in der Veranstaltung oder der Klausur auftauchen und andererseits aber Studis, die einigermaßen eine Normalverteilung 1.0-4.0 erreichen und dann auch zur Klausur antreten - keine "Gelegenheits-Studenten mit Durchfallgarantie".
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