Ertrag von BA-/MA-/Magister- und Diplomarbeiten

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Denkerin
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Ertrag von BA-/MA-/Magister- und Diplomarbeiten

Beitrag von Denkerin »

Liebe Forengemeinschaft,

da gibts eine Frage, die ich mir schon öfter gestellt habe und zu der ich gerne eure Meinungen gehört hätte. Nicht erst seit dem Beginn der Arbeit an meiner Dissertation habe ich mich gefragt, ob es für die eigene Arbeit nicht sinnvoll ist, die Literaturrecherche auch mal auf Master- und Magisterarbeiten (und dergleichen) im relevanten Arbeitsfeld zu erweitern. Bei mir ist das recht einfach, da mein Fach recht klein ist und die Lehrstühle, die infrage kommen, an einer Hand abgezählt werden können.

Dabei bin ich immer wieder auf 2 Probleme gestoßen:
Auf der einen Seite werden universitäre Abschlussarbeiten (also faktisch alles vor der Dissertation) immer wieder quasi als Übungsarbeit, Handwerksstück usw. gesehen, deren Sinn eher darin besteht, dass der Schreibende das Handwerkszeug (das wissenschaftliche Arbeiten) lernt. Die Arbeiten hätten also wenig oder gar keinen Ertrag und würden nichts zum Forschungsstand beitragen, heißt es dann immer wieder. Wie seht ihr das? Ich finde es schade, das pauschal so zu sehen, weil ich durchaus einige MAs kenne, die, wenn vielleicht nicht die großen Sprünge, aber doch interessante Ideen und Ansätze zur Forschung beitragen. Und wenn ich aus der Arbeit nur einen Literaturhinweis entnehmen kann, den ich bisher selbst nicht gefunden habe.

Das zweite Problem (das wahrscheinlich auch eng mit dem ersten verzahnt ist) ist, dass es irgendwie immer schwieriger ist, überhaupt in Erfahrung zu bringen, was für Abschlussarbeiten auf dem eigenen Gebiet geschrieben worden sind. Ich erinnere mich noch an meine Studienzeit, da wurden am Institut Listen mit den Themen und Schreibenden geführt, die auch öffentlich eingesehen werden konnten (und sogar im Internet standen). An einem anderen Lehrstuhl wurden die Listen (zumindest der Master- und Magisterarbeiten) jährlich im Jahrbuch einer Gesellschaft veröffentlicht. Hier scheint es in den letzten Jahren einen Wandel gegeben zu haben: Die Listen sind aus dem Internet verschwunden und auch im Jahrbuch werden die Listen nicht mehr veröffentlicht - aus "rechtlichen Gründen".

Nun ist die Frage: Was ist Huhn und was ist Ei? Sind die Arbeiten wirklich nicht ertragreich genug, um zumindest anderen Forschenden die Möglichkeit zu geben, sie zu finden und eventuell auch einzusehen? Oder wären sie ertragreich, nur man findet sie nicht und darf sie "aus rechtlichen Gründen" auch nicht einsehen, weshalb wiederum der Rückschluss gezogen wird, dass sie wohl eh nicht so ertragreich sind, als dass es sich lohnen würde.

Was denkt ihr hierzu? Habt ihr eine Meinung? Habt ihr für eure Dissertation Einsicht in solche Arbeiten genommen und wenn ja mit welchem Ertrag?
Florina
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Re: Ertrag von BA-/MA-/Magister- und Diplomarbeiten

Beitrag von Florina »

Hallo,

die Frage habe ich mir als Studi und nun auch gestellt. Für einen unserer Studierenden ist die Arbeit in sofern wichtig, als dass sie eine gute Note bringen und für das spätere Arbeitsumfeld relevant sein soll. Interesse ist vorzugsweise auch dabei.

"Ertragreich" sind für mich tatsächlich (fast) alle Abschlussarbeiten, da ich sie selbst betreue, das Thema konzipiere und versuche, dass meine Studis ihr bestes zeigen können. Neue Ideen werden also gelobt und diskutiert; Probleme ernst genommen und den Absolvent:innen auch ein "sicheres" Gefühl vermittelt, dass wir an einem positiven Ergebnis interessiert sind. Ich kann auch Anfragen ablehnen, ohne Konsequenzen zu befürchten, weil ich bspw. zu viel zu tun habe. Selbst wenn eine Arbeit, nicht die eine geniale Idee enthält, hilft mir persönlich der Austausch mit den Studierenden, um meine Gesprächsführung und andere Kompetenzen zu verbessern.

Wir veröffentlichen keine Themen o.ä. Intern gibt es eine Liste mit detaillierten Angaben zu den Arbeiten, aber diese ist vertraulich zu behandeln. Aber als Doktorand:in kann jeder auf alle Arbeiten zugreifen.
Zuletzt geändert von Florina am 20.01.2022, 13:05, insgesamt 2-mal geändert.
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johndoe
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Re: Ertrag von BA-/MA-/Magister- und Diplomarbeiten

Beitrag von johndoe »

Ich kann mich bei meiner eigenen Diss an genau eine Masterarbeit erinnern, über die ich bei meinen Recherchen gestoßen bin, die vom Gehalt her erwähnenswert war. Ich habe es aber dann auch im Text nochmal angesprochen,dass es sich um eine MA handelt. Ansonsten ist mein Vertrauen in Abschlussarbeiten als Literaturgrundlage sehr verhalten.

Aus Betreuungsperspektive (ähnlich wie Florina) sehe ich es so: es gibt Arbeiten, die erfüllen formal die Anforderungen einer Abschlussarbeit und werden womöglich sogar mit 1-2 bewertet, je nach Strenge des Betreuers (gerade an FHs ist mir da schon augefallen,dass auch mal beide Augen zugedrückt werden). Und dann gibt es Arbeiten, die tatsächlich wissenschaftlich signifikant sind. Damit dieser Wert ausreichend gewürdigt wird, kommt aus meiner Sicht nur eines in Frage: der Betreuuer animiert den Studierenden, die Kerninhalte und Ergbnisse als Artikel zu veröffentlichen. Damit kann der "Ertrag" auf übliche Weise zitiert, weiterentwickelt etc. werden.

So handhabe ich das zumindest mittlerweile, auch wenn ich "nur" der Firmenbetreuer bin. Natürlich auch aus Eigennutz, um meine eigene Publikationsliste als Co-Autor zu erweitern ;)
Wierus
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Re: Ertrag von BA-/MA-/Magister- und Diplomarbeiten

Beitrag von Wierus »

Ich habe in der Diss ebenfalls ein paar beachtenswerte Magister- bzw. Masterarbeiten zitiert. Eine davon fand ich vom Anspruch und Umfang klar auf dem Niveau einer Dissertation.

Spätestens in der Endphase der Diss entwickelt man ein Gespür für zitierwürdige Abschlussarbeiten. Manchmal reicht schon ein Blick in das Inhaltsverzeichnis und den Quellenapparat.
doctorbluex
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Re: Ertrag von BA-/MA-/Magister- und Diplomarbeiten

Beitrag von doctorbluex »

Hi,

ich habe in meiner Diss auch mehrere Master Theses zitiert, da gab es im wesentlichen zwei Kategorien:

1) In der Thesis wurde ein Forschungsergebnis praktisch angewandt bzw. weitere Experimente durchgeführt
2) In der Thesis wurden tatsächlich neue Ergebnisse erzielt, meistens gab es dann zu der Thesis auch eine entsprechende Publikation und ich habe die Thesis nur für zusätzliche Zitate zitiert (als Langversion).

Ich fand das aber in beiden Fällen sinnvoll, wenn die Qualität der Arbeit stimmt spricht aus meiner Sicht absolut nichts dagegen.
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