Abbrechen oder Durchhalten?

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fletti
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Abbrechen oder Durchhalten?

Beitrag von fletti »

Hallo ihr Lieben,
die im Betreff genannte Frage hat sich wahrscheinlich fast jede(r) schonmal im Laufe der Promotion gestellt. Da diese Frage bei mir aber gar nicht mehr wegzudenken ist, möchte ich mich nach langem Hin und Her, in diesem Forum "öffnen".

Ãœber mich: Vor gut einem Jahr habe ich im durchschnittlich jungen Alter meine Promotion begonnen. Innerhalb des Instituts hebe ich mich durch eine andere Wissenschaft von meinen KollegInnen ab.

Seit Tag 1 mache ich mir fast täglich Gedanken, ob ich mit der Entscheidung, die Promotionsstelle anzunehmen, jemals glücklich werde kann. Mein gesundheitlicher Zustand hat sich erheblich verschlechtert. Neben psychischen Beschwerden wie Angst, Panik, und Schlafstörungen, nehme ich erhöht körperliche Symptome von Langzeitstress wahr. Und das beinahe täglich... Bezüglich Ersterem suche ich mir bereits professionelle Hilfe.
Die Gründe sind vielseitig: familiäre Schicksalsschläge und Probleme; 0 Selbstbewusstsein; ich kann mich nicht mit meinem Institut identifizieren und wohl nie aus dem Teufelskreis ausbrechen. Nachdem ich an einigen kleineren Zwischenprojekten mitgewirkt habe, reißt mich das eigentliche Thema ehrlich gesagt auch nicht mehr vom Hocker...
Ich habe außerdem vor Kurzem meinem Doktorvater geäußert, dass ich unzufrieden bin und Maßnahmen/Ideen vorbereitet, die Gesamtsituation zu verbessern. Auch wenn ich keine hohen Erwartungen hatte, war seine Reaktion ziemlich ernüchternd und weniger konstruktiv. Das macht die Situation nicht besser. Während ich total unzufrieden und frustriert bin, habe ich Angst, dass mein Doktorvater auch bald so über mich denkt.

Ich würde von euch gerne wissen, wie ihr mit solchen Gedanken umgeht? Ich habe mich mit dem Gedanken, zu kündigen angefreundet, habe aber Angst diese Entscheidung in Zukunft bereuen zu können.
So wie es jetzt ist und ich mich fühle, kann ich aber unmöglich weitermachen.

LG fletti
astridmaren
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Re: Abbrechen oder Durchhalten?

Beitrag von astridmaren »

Hi Fletti,

ich bin ganz neu hier und wollte mir eigentlich grad selber hier Hilfe holen, also vielleicht bin ich nicht die ideale Person um Tipps zu erteilen...ABER ich möchte Dir trotzdem ganz dringend davon abraten in dieser Situation zu bleiben. Ob Du abbrechen musst um aus der Situation heraus zu kommen, kannst letzendlich nur Du selbst wissen, niemand kennt die genauen Umstände... ABER so kann es auf keinen Fall weiter gehen. Im Ernst, nichts "Zähne zusammen beißen" oder "Augen zu und durch", Du bist offensichtlich todunglücklich grad, daran muss sich etwas ändern.

Darüber hinaus würde ich es komplett verstehen, wenn Du den Abbruch als einzige (oder als einfachste) Option siehst um aus der Situation heraus zu kommen. Ich denke außerdem dass man nach einem Jahr noch nicht zu viel investiert hat, als dass es "zu schade" wäre. Du bist noch jung und findest sicher eine andere Stelle. Dass einem wissenschaftliches Arbeiten nicht liegt, nicht gefällt oder man einfach vom Thema oder der Arbeitsgruppe enttäuscht ist, sind doch gängige Gründe um abzubrechen. Aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen: WENN Du abbrechen möchtest, dann JETZT. Nicht erst in einem weiteren halben Jahr oder Jahr.

Du kannst sicher auch später und woanders erneut einen Versuch starten wenn Dir danach sein sollte.

Vor allem aber kannst Du mal überlegen, was Du wirklich gut kannst und Dir darin einen Job suchen. Das stärkt erstmal Dein Selbstwertgefühl und von da aus gehst Du dann alles weitere an.


Es gibt bestimmt auch Möglichkeiten das Ding durch zu ziehen und den Titel mitzunehmen. Aber dafür braucht man wirklich Ausdauer und Motivation. Man muss schon einen guten Grund haben um eine Doktorarbeit, die einem so viele Probleme bereitet zu Ende zu bringen und ich finde in Deinen Worten leider keinen.

Ich wünsch Dir alles Gute!
Florina
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Re: Abbrechen oder Durchhalten?

Beitrag von Florina »

fletti hat geschrieben: ↑07.10.2021, 18:02 ich kann mich nicht mit meinem Institut identifizieren
Hallo,

erst einmal Hut ab, dass du so mutig bist, dass alles auf den Tisch hier und auch bei deinem DV zu bringen!

Für mich ist der Satz plus dein Desinteresse gegenüber dem Thema das Entscheidende.

Eine Zukunft an dem Lehrstuhl hast du aus meiner Sicht nicht. An unserer Uni kommt es schon mal vor, dass ein Doktorand das Fachgebiet wechselt und damit auch den DV/die DM. Das ist möglich und soweit ich weiß, gab es auch keinen Groll. Das wäre also eine Möglichkeit. Du kannst auch die Uni, den Ort, das Land wechseln. Willst du promovieren? Willst du forschen? Das sind so die Fragen, die du zu allererst beantworten solltest und für dich auch musst.
Der nächste Schritt ist aus den Antworten Entscheidungen abzuleiten.
Vielleicht tut es dir auch gut, einfach mal ein Auslandsjahr als Trainee, auf einer Projektstelle oder als Work-and-Traveller zu machen. Einfach raus. Zeit für dich, etwas neues und Zeit dich selbst kennen zu lernen und Kraft zu tanken. Zeit, in der du keiner Person Rechenschaft über deine Entscheidungen schuldig bist. Wenn du entscheidest, dass du im Ausland für einige Zeit arbeiten willst, bist du zwar von der Arbeit dort abhängig, du kannst aber jederzeit kündigen und gehen.
Dein Fall ist auch etwas für die Ombudsstelle oder eine Studienberatung für Doktoranden. Das gibt es an jeder größeren Forschungseinrichtung. Diese sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Rede mit deinen Freunden und deiner Familie. Geh zum Hausarzt, schildere dem oder der deine jetzige Situation und lass die Person über deine Arbeitsfähigkeit entscheiden.

Du bist jung. Was macht da ein Jahr? Was machen da zwei Jahre, wenn du so viel zu gewinnen hast?

Ich wünsche dir ganz ganz viel persönlichen Erfolg und Kraft, deinen Weg zu gehen.
Man muß daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muß man erreichen, koste es, was es wolle. - Marie Curie
fletti
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Re: Abbrechen oder Durchhalten?

Beitrag von fletti »

Lieben Dank @Florina und @astridmaren, für eure Mühe, mir hier so ausführlich zu antworten. Das weiß ich sehr zu schätzen. :heart:
Außerdem hilft es mir sehr, so ungefiltert und anonym, einfach mal konstruktives und ehrliches Feedback zu erhalten!

Noch immer bin ich mit meinen Gedanken hin- und hergerissen. Auch wenn ich ab und zu einen Lichtblick sehe, überwiegen die schlechten Tage. Gefühlt bin ich jedem Rechenschaft schuldig. Bin ich schlechter, schwächer, oder antriebsloser als andere? Mag sein. Aber das möchte ich natürlich nur ungern meinem Gegenüber unter die Nase reiben. Die gesundheitlichen/mentalen Gründe aber auch nicht. Selbst das Reden mit anderen über mein Vorhaben fällt mir schwer, da ich das Gefühl habe, meine Gründe "reichen" nicht aus, eine so große Chance aufzugeben.

Ich hoffe mir im nächsten Monat die Frage selbst beantworten zu können. Als Ziel habe ich mir die "6 Wochen zum Quartalsende" Kündigungsfrist gesetzt...
Florina
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Re: Abbrechen oder Durchhalten?

Beitrag von Florina »

Hallo fletti,

so eine Deadline hilft wirklich!

Mein Tipp für die nächsten 6 Wochen für dich:

Probier mal aus, dich gar nicht mehr zu rechtfertigen. Versuch den Impuls, mehr zu sagen als nötig zu ignorieren. Schweige notfalls. Das ist wirklich ein tolles Werkzeug.


Für Gespräche, bei denen du dich unwohl fühlst oder nicht weißt, was los ist, hier 10 Möglichkeiten zum Durchatmen:

Die sieben goldenen Gegenfragen (Ball zurück spielen):
Wie meinen Sie das?
Wie soll ich das verstehen?
Worauf genau zielt Ihre Frage ab?
Wie denken Sie selbst darüber?
Welche Antwort erwarten Sie von mir?
Aus welchen Gründen fragen Sie mich das?
Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter...?
Diese Gegenfragen sind als Notbremse zu verstehen. Sie ermöglichen Ihnen z. B. bei Killerphrasen einen zusätzlichen Augenblick zum Nachdenken.
Wenn Sie eine dieser Gegenfragen einsetzen, geben Sie gleichzeitig positive Signale: Stimme (freundlich), Körpersprache (zugewandt), Gesichtsausdruck (offen, verbindlich). Ich habe die Fragen auf den Notizen auf dem PC-Bildschirm, sodass ich sie verstecken, aber leicht finden kann.

Frage dich auch immer: Muss ich mich gerade vergleichen? Was bringt mir das jetzt?

Letzter Tipp: Mach eine Fortbildung zum Zeit- und Stressmanagement der Uni/FH mit. Es gibt an jeder Uni ganz viele tolle Fortbildungsangebote, auch vom Graduierten Colleg. Mach es einfach, rechtfertige dich nicht. Mach jetzt, worauf du wirklich Lust hast und schau einfach, was passiert. Entschudligen kann man sich immer noch ;)

Viel Kraft wünsch ich dir!
Man muß daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muß man erreichen, koste es, was es wolle. - Marie Curie
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