Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Wierus
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Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von Wierus »

Ein Youtuber hat vor kurzem ein Skandalvideo produziert, in welchem er sich über eine gefälschte "Dr. rer. nat"-Urkunde den Doktorgrad in den Ausweis eintragen lässt.

https://www.youtube.com/watch?v=-5G4UBUv0oY

Ich halte die gesamte Aktion für unglaubwürdig, da so eine Urkunde ein elektronisches Wasserzeichen besitzt und dazu im Regelfall vom jeweiligen Sachbearbeiter im Bürgeramt abgescannt werden muss.

Reaktionen der Boulevardmedien:
https://www.berliner-kurier.de/berlin/f ... -li.107204
https://www.bild.de/news/inland/news-in ... .bild.html
https://www.focus.de/digital/internet/o ... 44497.html

Jetzt meine eigentliche Frage:
Der 'listige' Marvin hatte sich vorher kundig gemacht und 'zur Sicherheit' diverse Angaben über Uni, DV und Thema frei erfunden, um laut eigener Aussage den Tatbestand der Urkundenfälschung nicht zu erfüllen. Ich bin zwar kein Jurist, aber so einfach dürfte man doch aus dieser Aktion nicht herauskommen; denn die Urkundenfäschung beruht hier im wesentlichen auf der unrechtmäßigen Erschleichung eines akademischen Grades "Dr. rer. nat." und dessen Eintragung im Ausweis (der ebenfalls eine Art Urkunde darstellt). Demnach müsste es im Prinzip egal sein, inwieweit diese Straftat auf Fantasieangaben beruht, oder?
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Re: Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von daherrdoggda »

In Koeln hat sowas auch geklappt, in Muenchen nicht:
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/j ... 42596.html
https://www.youtube.com/watch?v=fXZ-4VwBJ2E

Wo soll denn im Papier ein "elektronisches Wasserzeichen" sein?
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Re: Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von Nomen Nescio »

Mir sind lediglich -aus dem "Vertraulich/Streng geheim"-Bereich- elektronisch (als Synonym für softwareseitig) erzeugte meist als "canary traps" bezeichnete Kennungen bekannt. Dabei wird beim Druck ein fast unmerkliches Detail im Schriftstück verändert, z.B. ein Satzzeichen um Bruchteile von mm versetzt, um whistleblower, etc. zu orten. Bei Urkunden ist mir solches nicht bekannt, da es dort in erster Linie um Prüfung der Glaubwürdigkeit geht, was deutlich einfacher zu bewerkstelligen ist, Abgleich mit entspr. Datenbanken o.ä..
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flip
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Re: Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von flip »

Wierus hat geschrieben: ↑31.10.2020, 16:42
Jetzt meine eigentliche Frage:
Der 'listige' Marvin hatte sich vorher kundig gemacht und 'zur Sicherheit' diverse Angaben über Uni, DV und Thema frei erfunden, um laut eigener Aussage den Tatbestand der Urkundenfälschung nicht zu erfüllen. Ich bin zwar kein Jurist, aber so einfach dürfte man doch aus dieser Aktion nicht herauskommen; denn die Urkundenfäschung beruht hier im wesentlichen auf der unrechtmäßigen Erschleichung eines akademischen Grades "Dr. rer. nat." und dessen Eintragung im Ausweis (der ebenfalls eine Art Urkunde darstellt). Demnach müsste es im Prinzip egal sein, inwieweit diese Straftat auf Fantasieangaben beruht, oder?
Glücklicherweise gibt es ja auch Juristen auf YT.
https://www.youtube.com/watch?v=VWHn1l74UAc&t=1s
Wierus
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Re: Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von Wierus »

daherrdoggda hat geschrieben: ↑01.11.2020, 05:56Wo soll denn im Papier ein "elektronisches Wasserzeichen" sein?
Hätte mich klarer ausdrücken sollen: "elektronisch erkennbares Wasserzeichen"

Das geht über verschiedene Wege wie (1) mehrlagiges Papier mit Inserten, (2) Papier mit Mikropartikeln und (3) Druckertinte mit Mikropartikeln. Gerne auch eine Kombination aus (1), (2) und (3). Liegt doch eigentlich auf der Hand und ehrlich gesagt finde ich es im Jahr 2020 schon verdammt seltsam und geradezu erschreckend, dass sich diese Wasserzeichentechnik nicht schon überall in Deutschland eingebürgert hat, zumal in Berlin!

Wer weiß, vielleicht war an dem Tag des Marvin-Videodrehs ja der Scanner im Bürgeramt Neukölln kaputt?

Wie dem auch sei: Die jeweilige Uni muss nur wollen. Zumindest meine Alma Mater will. 8)
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Re: Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von Nomen Nescio »

Hast du irgendeinen Beleg dafür, dass Promotionsurkunden in die Klasse von Dokumenten fallen, die ggflls im Original vorzulegen sind und bei denen eine beglaubigte Kopie nicht ausreicht bzw prinzipiell nicht rechtskräftig (z.B. AFAIK Geburts-, Heiratsurkunde, Handlungsvollmachten, Testamente, etc.) wäre? Ansonsten halte ich deinen Vorschlag für definitiv nicht durchführbar. Auch und besonders in Coronazeiten gibt es dringendere Aufgaben als flächendeckend sämtliche Schiedspersonen und Pfarrbüros auf Kompatibilität zur DIN-Norm für Dokumentenscanner abzuklopfen.
Trollschutzerklärung: Ich halte mich aus threads mit erhöhtem Trollpotential heraus. Im Fehlerfall möge der Troll bitte "NEIN, ich bin nicht einverstanden." drücken.
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Re: Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von Wierus »

Nomen Nescio hat geschrieben: ↑01.11.2020, 20:46 Hast du irgendeinen Beleg dafür, dass Promotionsurkunden in die Klasse von Dokumenten fallen, die ggflls im Original vorzulegen sind
Ja. Als ich meinen Doktorgrad vor nicht allzu langer Zeit in den Personalausweis habe eintragen lassen, wollte die Dame vom Bürgeramt ausdrücklich die Originalurkunde haben, die sie dann auch einscannen musste. So zumindest ihre Aussage. Ich habe nicht weiter nachgefragt, denn meine Ansicht zu dem Zeitpunkt war und ist bis heute, dass jegliche Einträge in den Personalausweis hochoffzielle Vorgänge sind. Der Personalausweis ist ja immerhin selbst eine ganz zentrale Urkunde in diesem (und jedem anderen) Staat.

Oder bist du der Meinung, es sollte jeder erstmal nach Belieben als z.B. "Bruder Pius [Ordensname] Dr. [Namenszusatz] Franz Mustermann, genannt J.K. Rowling [Künstlername]" firmieren dürfen und erst im Zweifelsfall, sowie nach umständlicher behördlicher Feststellung der Tatsachen, als Hochstapler entlarvt werden können?
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Re: Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von johndoe »

Das Thema ist auch nur existent, weil um den Dr als Titel so ein Theater gemacht wird.

Ich möchte nicht wissen, wie viele normal- Akademiker sich in Xing als Dipl-Ing bezeichnen, obwohl eigentlich ein(FH) dazu gehört oder sie originär einen Master haben. Nur weils keine andere Auswahl gibt. Aber da entsteht komischerweise bei niemandem Puls...ist vll Fälschung_light, aber unterm Strich der gleiche Schwindel.
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Re: Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von Wierus »

flip hat geschrieben: ↑01.11.2020, 14:50Glücklicherweise gibt es ja auch Juristen auf YT.
https://www.youtube.com/watch?v=VWHn1l74UAc&t=1s
Ja, aber dieser Anwalt sagt nur etwas über den Vorgang der Urkundenfälschung in Bezug auf das Unizeugnis.
Leider verliert der gute Mann aber kein Wort darüber, wie das Eintragen Lassen in den Ausweis als einer weiteren Urkunde zu werten ist. Demnach wären ja dann zwei Urkunden gefälscht bzw. mit unwahren Angaben angefertigt worden, oder?

johndoe hat geschrieben: ↑02.11.2020, 10:33 Das Thema ist auch nur existent, weil um den Dr als Titel so ein Theater gemacht wird.
Hm, vielleicht. Aber wenn ich an die USA denke, wo der "PhD" ebenfalls sehr prestigeträchtig ist, dann relativiert sich das wieder.
Bekannte Medienfiguren wie Sam Harris oder Jordan B. Peterson gehen ja regelrecht mit ihren PhDs hausieren, um Vertrauen und Aufmerksamkeit zu generieren.
flip
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Re: Fall Marvin Wildhage - rechtliche Konsequenzen?

Beitrag von flip »

Wierus hat geschrieben: ↑02.11.2020, 14:18
flip hat geschrieben: ↑01.11.2020, 14:50Glücklicherweise gibt es ja auch Juristen auf YT.
https://www.youtube.com/watch?v=VWHn1l74UAc&t=1s
Ja, aber dieser Anwalt sagt nur etwas über den Vorgang der Urkundenfälschung in Bezug auf das Unizeugnis.
Leider verliert der gute Mann aber kein Wort darüber, wie das Eintragen Lassen in den Ausweis als einer weiteren Urkunde zu werten ist. Demnach wären ja dann zwei Urkunden gefälscht bzw. mit unwahren Angaben angefertigt worden, oder?
Doch, tut er - am Ende des Videos, ab 08:30.
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