Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
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Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
Bin gerade am Überlegen, ob eine Doktorarbeit im Bereich Informatik (3-4 Jahre bezahlte Vollzeitstelle) auch für eine langfristige Karriere in der Wirtschaft/Industrie lohnenswert ist oder eher durch Berufserfahrung aufgefüllt werden sollte? (Entsprechende Voraussetzungen hätte ich). Welche Meinung vertretet ihr bzw. welche Erfahrungen habt ihr dbzg. gemacht? War der Doktortitel letztlich ein Karrierebooster oder eher hinderlich (Stichwort: Überqualifizierung, zu hohe Gehaltsvorstellung etc.). Bei Medizin, Physik oder Chemie ist es ja quasi für das Image wichtig. Bei reinen IT-Fachkräften sieht man das eher selten bzw. nur in bestimmten Bereichen. Und was haltet ihr von berufsbegleitender Promotionsgang?
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Re: Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
Hallo Fleischmann, was willst Du denn in der IT machen? Davon hängt ja auch ab, wie die Promotion da hineinspielt. Für einen angestellten Softwareentwickler wäre eine Promotion z.B. eher ungewöhnlich. So wie ich es beobachte, gibt es aber in Bereichen wie IT-Beratung, Produktentwicklung oder auch auf Stabsstellen im Bereich Enterprise-Architektur dann wieder mehr Promovierte.
Vielleicht willst Du uns was zu Deinen Plänen erzählen?
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12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
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Re: Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
Ich glaube, Karrierebooster ist der falsche Begriff. Soweit ich die Studien dazu kenne (Spiegel-Online, Zeit etc.) gibt es zumindest keine negative Auswirkung aufs Gehalt. Nach meiner Erfahrung ist die Promotion in der klassischen Konzern-IT eher selten anzutreffen. Entsprechend dominiert dort auf Chef-Ebene auch ein normaler Studienabschluss, was möglicherweise ein Grund ist für den statistisch geringen Gehaltsabstand.Fleischmann hat geschrieben: 11.06.2020, 18:08 Welche Meinung vertretet ihr bzw. welche Erfahrungen habt ihr dbzg. gemacht? War der Doktortitel letztlich ein Karrierebooster oder eher hinderlich (Stichwort: Überqualifizierung, zu hohe Gehaltsvorstellung etc.). Bei Medizin, Physik oder Chemie ist es ja quasi für das Image wichtig. Bei reinen IT-Fachkräften sieht man das eher selten bzw. nur in bestimmten Bereichen.
Die Frage ist aber m.E., ob in eben jener Konzern-IT eigentlich Arbeit existiert, die wirklich eine Promotion erfordert. Selbst den Architektur-Bereich, wie mein Vorposter schrieb, sehe ich kritisch. Ein guter IT-Architekt definiert sich ja weniger über methodische Genauigkeit oder Nischenexpertise, sondern insb. über a) breites technisches Wissen am Stand der Technik sowie b) breites und tiefgreifendes Wissen über die interne IT-Landschaft. Letzteres nicht zu haben, kann sich eigentlich nur jmd. erlauben, der nicht mehr inhaltlich arbeitet (z.B. Chef der Abteilung). Insofern halte ich praktische Erfahrung in der Konzern-IT wichtiger als Promotion und einen Masterabschluss völlig ausreichend für den wissenschaftlichen/akademischen Anspruch, selbst für Architekten.
Wo wissenschaftliche Herangehensweise wertvoll sein kann: Informatiker im Fachbereich oder RnD außerhalb der IT-Abteilung. Hier wird eher mal konzeptionell, experimentell gearbeitet, gerade in Zusammenarbeit mit Physikern, Biologen etc. Hier kann eine Informatik-Promotion sinnvoll sein. Nachteil: man ist oft Einzelkämpfer, fachlich isoliert und hat daher wenig Aussicht auf Management-Karriere.
Da ich mittlerweile schon vieles dazu hier geschrieben habe, empfehle ich dir, mal nach meinen Posts in diesem Forum zu suchen bzgl. meiner persönliche Erfahrungen/Meinungen.Fleischmann hat geschrieben: 11.06.2020, 18:08 Und was haltet ihr von berufsbegleitender Promotionsgang?
Zuletzt geändert von johndoe am 12.06.2020, 09:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
@johndoe: Ich meinte hier weniger Software-Architektur, als Enterprise-Architektur. Da geht es ja weniger darum, wie ich einzelne Systeme baue, sondern um die Analyse, welche Systemfunktionen auf welche Business-Prozesse einzahlen (im Hinblick auf die gesamte Systemlandschaft), um den Entwurf langfristiger Technologiestrategien, Bebauungsplanung etc. In diesem Umfeld habe ich öfter mit promovierten Kollegen zu tun.
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Re: Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
Ja, die Gruppe hatte ich auch im Sinn. Dennoch sehe ich die Promotion nicht als unmittelbar wichtige Voraussetzung für den Beruf des EA. Die Arbeit ist sicher stark konzeptionell, aber m.E. nicht wissenschaftlich im engeren Sinne.Zwonk hat geschrieben: 12.06.2020, 09:09 @johndoe: Ich meinte hier weniger Software-Architektur, als Enterprise-Architektur. Da geht es ja weniger darum, wie ich einzelne Systeme baue, sondern um die Analyse, welche Systemfunktionen auf welche Business-Prozesse einzahlen (im Hinblick auf die gesamte Systemlandschaft), um den Entwurf langfristiger Technologiestrategien, Bebauungsplanung etc. In diesem Umfeld habe ich öfter mit promovierten Kollegen zu tun.
Aber möglicherweise bringt man als promovierter Informatiker die Fähigkeiten potentiell eher mit, während nicht jeder Master-Absolvent geboren ist für konzeptionelle Arbeit.
Wäre das nicht mal ein Thema für ein Paper? Den Nutzen von Promotion in der Konzern-IT bewerten?
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Re: Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
@johndoe: Dann haben wir da dasselbe Verständnis. Ich glaube auch weniger, dass die Promotion dafür notwendig ist, da dort ja auch viele Skills gefragt sind, die man in der Wissenschaft gar nicht vermittelt bekommen kann. Meine Beobachtung ist nur, dass sich im EA-Bereich mehr Promovierte bewegen, als z.B. in der Softwareentwicklung. Dabei haben die Promovierten dort aber noch nicht einmal alle in Informatik promoviert. Das wäre auch noch zu bedenken.
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Re: Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
Ich glaube das "interne" bzw. "externe" ist der Knackpunkt.Wenn man bereits ein System hat und in diesem Rahmen Entwicklung betreibt, dann bringt die praktische Erfahrung wesentlich mehr. Da braucht es im Zweifel nicht mal einen Master, sondern einen Studienabbrecher, der das schon fünf Jahre macht.
Wenn es aber um etwas neues geht, dann werden die Skills einer Diss sehr wichtig. Beispiel: Als ich damals unser IT-System geplant habe (zusammen mit einem promovierten Informatiker) hat mich das sehr stark an die Promotionsphase erinnert. Weil man betreibt Research, überlegt, was man alles benötigt, schaut was es am Markt gibt, schaut, was man verbessern kann oder abrichten muss. Das war ein Prozess, der über Monate ging und es war natürlich auch klar, dass das nie so recht beendet sein wird. Weil man hat ja immer noch neue strategische Ideen.
Gleichzeitig hat man natürlich auch zig Fragestellungen, die "umgesetzt" werden müssen. Dafür muss ich nicht das große Ganze im Blick haben, sondern dafür reicht Kanban, Scrum, etc. Also der Alltag eines moderne, operativ arbeitenden IT'lers.
Wenn ich in einem Unternehmen bin, das reine Produktweiterentwicklung des bestehenden Systems betreibt (und das ist in praktisch jedem Konzern in >90% der IT-Abteilungen so), dann komme ich ja garnicht in die Position, das "große Ganze" zu ändern. Das ist dann ausgelagert in "Innovation Hubs/Labs" und oder direkt an Spezialfirmen. Und da sitzen dann die Promovierten.
Das ist natürlich nur meine Erfahrung, die ich bisher gemacht habe.
Wenn es aber um etwas neues geht, dann werden die Skills einer Diss sehr wichtig. Beispiel: Als ich damals unser IT-System geplant habe (zusammen mit einem promovierten Informatiker) hat mich das sehr stark an die Promotionsphase erinnert. Weil man betreibt Research, überlegt, was man alles benötigt, schaut was es am Markt gibt, schaut, was man verbessern kann oder abrichten muss. Das war ein Prozess, der über Monate ging und es war natürlich auch klar, dass das nie so recht beendet sein wird. Weil man hat ja immer noch neue strategische Ideen.
Gleichzeitig hat man natürlich auch zig Fragestellungen, die "umgesetzt" werden müssen. Dafür muss ich nicht das große Ganze im Blick haben, sondern dafür reicht Kanban, Scrum, etc. Also der Alltag eines moderne, operativ arbeitenden IT'lers.
Wenn ich in einem Unternehmen bin, das reine Produktweiterentwicklung des bestehenden Systems betreibt (und das ist in praktisch jedem Konzern in >90% der IT-Abteilungen so), dann komme ich ja garnicht in die Position, das "große Ganze" zu ändern. Das ist dann ausgelagert in "Innovation Hubs/Labs" und oder direkt an Spezialfirmen. Und da sitzen dann die Promovierten.
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Re: Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
Richtung IT Datenanalysen und Architektur auf jeden Fall (Zukunftsthemen die auch in der Industrie gefragt sind). Derzeit bin ich schon als Berater unterwegs und könnte mir eine Dissertation prinzipiell schon vorstellen (80% diss / 20% berat). Allerdings bin ich evtl. auch schon zu alt mit 28? Im Schnitt werde ich ja wohl mit ca. 4 Jahren mindestens rechnen müssen, wenn alles ideal läuft. D.h. dann bin ich mitm Dr. im besten Falle 32 Jahre alt. Ist man dann nicht zu "alt" und zu teuer für die Industrie? Die suchen sich doch dann lieber die 26 Jährigen Absolventen aus. Andererseits könnte ich argumentieren das ich trotzdem als Berater noch tätig war und Praxisprojekte betreute, was wiederrum als Berufserfahrung gewertet wird. Schwierige Wahl, andererseits so Doktorandenangebote bekommt man ja auch nicht andauernd, sondern ist eher ne einmalige Gelegenheit.Zwonk hat geschrieben: 12.06.2020, 07:49 Hallo Fleischmann, was willst Du denn in der IT machen? Davon hängt ja auch ab, wie die Promotion da hineinspielt. Für einen angestellten Softwareentwickler wäre eine Promotion z.B. eher ungewöhnlich. So wie ich es beobachte, gibt es aber in Bereichen wie IT-Beratung, Produktentwicklung oder auch auf Stabsstellen im Bereich Enterprise-Architektur dann wieder mehr Promovierte.
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Re: Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
Kann ich so bestätigen. Die einzige Ausnahme sind größere "Upgrades" der IT-Landschaft, die alle paar Jahre/Dekaden aufgrund von Hypes (Big Data, I4.0, ..) oder tatsächlicher Not, die Produktivität zu verbessern, durchgeführt werden. Hier mutiert dann tatsächlich die interne IT zum Innovation Hub - natürlich heillos überfordert mit der Rolle, weil ja sonst v.a. SW-Betreuung und -Weiterentwicklung auf der Agenda steht.flip hat geschrieben: 12.06.2020, 11:49 Wenn ich in einem Unternehmen bin, das reine Produktweiterentwicklung des bestehenden Systems betreibt (und das ist in praktisch jedem Konzern in >90% der IT-Abteilungen so), dann komme ich ja garnicht in die Position, das "große Ganze" zu ändern. Das ist dann ausgelagert in "Innovation Hubs/Labs" und oder direkt an Spezialfirmen. Und da sitzen dann die Promovierten.
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Jedenfalls wäre in diesem Fall eine wissenschaftliche Herangehensweise ratsam, nur fehlt dann tatsächlich oft die methodische Expertise. Das ist dann die Zeit der Consultants. Aber wie du schon sagtest - da ist man als forscher Forscher im Consulting besser aufgehoben (wenn man die Arbeitszeitmodelle und Dienstreisen mag).
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Re: Dissertation lohnenswert auch in der Industrie?
Eine allumfassende Antwort mit Richtigkeitsanspruch wird es kaum geben, nicht mal ein "wenn so, dann ja". Rein anekdotisch wäre meine derzeitige Stelle ohne Promo im passenden (IT-)Bereich kaum greifbar gewesen. Formal war sie nicht als "Promotion: MUST HAVE" ausgeschrieben, aber offenbar wurde in diese Richtung streng gesiebt; ins abschliessende Assessment Center haben es inkl /me 5 ausschreibungsnah promovierte Infs geschafft. Der Job ist allerdings recht speziell, F&E in einem Gebiet, das derzeit nur in Ansätzen existiert.
Trollschutzerklärung: Ich halte mich aus threads mit erhöhtem Trollpotential heraus. Im Fehlerfall möge der Troll bitte "NEIN, ich bin nicht einverstanden." drücken.
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