Von der großen Angst, Fehler zu machen
Verfasst: 01.06.2020, 22:27
Liebe alle,
ich habe eine Frage, zu der sich vermutlich die eine oder der andere auch schonmal Gedanken gemacht hat, weshalb ich sie gerne teilen möchte.
Es geht um die Angst, dass sich im Manuskript einer Monografie unentdeckt gravierende fachliche Fehler einschleichen.
Kurz die Hardfacts: Ich bin in der finalen Schreibphase, wenige Monate vor der Abgabe. Ich promoviere in einem leider recht komplexen kulturhistorischen Thema. Hinzu kommt, dass ich fachfremd in das Projekt gestartet bin und mir über die Zusammenarbeit im Graduiertenkolleg und natürlich über Literaturrecherche einiges (ehrlich gesagt ganz schön viel) anlesen konnte und in den letzten 3 Jahren enorm viel gelernt hab. Meine beiden Gutachter sind im Thema ebenfalls fachfremd, weshalb ich da mit wenig korrigierendem Input rechnen kann. Das ist gut für die Benotung, aber uU fatal für die Drucklegung!
Das ganze Promotionsprojekt ist in ein großes thematisches Verbundprojekt eingegliedert, was dazu führt, dass wir da zwar aktiv mitmachen, letztlich aber vom ersten Tag an nur eine 'so-halb-passende' Disziplin sind. Das ist leider ein Problem, aber das kann ich jetzt in diesem Stadium auf keinem Fall mehr reflektieren geschweige denn ändern. Mein Zweitbetreuer hat durchaus Ahnung von der Materie, ist aber umgekehrt derart kritisch, dass ich gerade jetzt, wo ich so unter Hochdruck stehe, Angst vor Kontaktaufnahme habe, weil es nicht das erste Mal wäre, dass ich dadurch ins Schlingern gerate, was gerade jetzt, in dieser krisenhaften Endphase, schwierig werden könnte. Die Leute haben da einfach keine Empathie, die blasen Dir eine halbe Stunde lang Zeugs von Kant und Goethe ins Telefon und hinterher ist dein Magenkrampf dreimal so schlimm wie vorher.
Also, ich sitze also da und schreibe den Kontextteil meines Manuskriptes. Dabei fällt mir auf, dass ich mich trotz der intensiven Auseinandersetzung in einigen Bereichen wissenstechnisch auf dünnem Eis bewege. Ich habe im Moment nicht mehr die Zeit, jeden einzelnen Satz tagelang in Bibliotheken gegenzuprüfen und ja - vermutlich fange ich da auch teilweise an, etwas schlampig zu arbeiten. In diesem Moment schleicht sich eine große Angst ein, falsche Dinge zu schreiben.
Es geht nicht um das Interpretament oder die Thesen an sich, die dann evtl. kritisch gewürdigt werden - vor so etwas habe ich gar keine Angst, im Gegenteil, eine fachliche Auseinandersetzung schätze ich sehr. Worum es mir geht ist, dass ich Sorge habe, aus Unwissenheit heraus etwas zu formulieren, von dem ein Experte bzw. Rezensent später einmal sagt: Das ist so schlicht und ergreifend falsch!
Plakatives Beispiel: "Der zweite Weltkrieg dauerte von 1939 bis 1946." So schlimm ist es nicht und es handelt sich um Kulturgeschichte des 19. Jh., da sind die Semantiken und Epochen ohnehin nicht trennscharf zueinander. Es geht auch nicht um Menschenleben oder um Kita-Öffnungen in Coronazeiten, aber dennoch denke ich, verliert eine Arbeit maßgeblich an Wert, wenn fachliche Unsauberkeiten entdeckt werden. Erfahrungsgemäß sagt dann niemand, "na gut, er ist fachfremd", sondern "hier irrt er, hier finden sich merkwürdige Unkorrektheiten, die die Sorgfalt dieser Arbeit in Frage stellen" usw.
In guten Momenten denke ich: Es sind nur 2-3 Seiten eines Kontextteils, es muss überhaupt erstmal jemand lesen, dann muss er es konzentriert lesen und dann muss er sich auch noch auskennen und dann muss er es erstmal noch rezensieren.
In schlechten denke ich: Wenn das einer liest, qualifiziert er meine Arbeit schon im ersten Viertel ab und dann sitz ich da und schäme mich. Ganz abgesehen davon, dass ich es natürlich selbst nicht möchte, dass ich in meinem Buch falsche Dinge schreibe.
Ja, ich weiß: Man selbst ist der größte Experte und man selbst entdeckt Schwächen, die keinem auffallen. Aber ganz so einfach ist es ja auch wieder nicht, die Leute sind ja nicht auf den Kopf gefallen.
Kennt ihr dieses Problem? Habt ihr es vielleicht schon überstanden und könnt Erfahrungen teilen? Wie geht ihr damit um?
Ich danke Euch herzlich fürs Lesen! Viele Grüße
C
ich habe eine Frage, zu der sich vermutlich die eine oder der andere auch schonmal Gedanken gemacht hat, weshalb ich sie gerne teilen möchte.
Es geht um die Angst, dass sich im Manuskript einer Monografie unentdeckt gravierende fachliche Fehler einschleichen.
Kurz die Hardfacts: Ich bin in der finalen Schreibphase, wenige Monate vor der Abgabe. Ich promoviere in einem leider recht komplexen kulturhistorischen Thema. Hinzu kommt, dass ich fachfremd in das Projekt gestartet bin und mir über die Zusammenarbeit im Graduiertenkolleg und natürlich über Literaturrecherche einiges (ehrlich gesagt ganz schön viel) anlesen konnte und in den letzten 3 Jahren enorm viel gelernt hab. Meine beiden Gutachter sind im Thema ebenfalls fachfremd, weshalb ich da mit wenig korrigierendem Input rechnen kann. Das ist gut für die Benotung, aber uU fatal für die Drucklegung!
Das ganze Promotionsprojekt ist in ein großes thematisches Verbundprojekt eingegliedert, was dazu führt, dass wir da zwar aktiv mitmachen, letztlich aber vom ersten Tag an nur eine 'so-halb-passende' Disziplin sind. Das ist leider ein Problem, aber das kann ich jetzt in diesem Stadium auf keinem Fall mehr reflektieren geschweige denn ändern. Mein Zweitbetreuer hat durchaus Ahnung von der Materie, ist aber umgekehrt derart kritisch, dass ich gerade jetzt, wo ich so unter Hochdruck stehe, Angst vor Kontaktaufnahme habe, weil es nicht das erste Mal wäre, dass ich dadurch ins Schlingern gerate, was gerade jetzt, in dieser krisenhaften Endphase, schwierig werden könnte. Die Leute haben da einfach keine Empathie, die blasen Dir eine halbe Stunde lang Zeugs von Kant und Goethe ins Telefon und hinterher ist dein Magenkrampf dreimal so schlimm wie vorher.
Also, ich sitze also da und schreibe den Kontextteil meines Manuskriptes. Dabei fällt mir auf, dass ich mich trotz der intensiven Auseinandersetzung in einigen Bereichen wissenstechnisch auf dünnem Eis bewege. Ich habe im Moment nicht mehr die Zeit, jeden einzelnen Satz tagelang in Bibliotheken gegenzuprüfen und ja - vermutlich fange ich da auch teilweise an, etwas schlampig zu arbeiten. In diesem Moment schleicht sich eine große Angst ein, falsche Dinge zu schreiben.
Es geht nicht um das Interpretament oder die Thesen an sich, die dann evtl. kritisch gewürdigt werden - vor so etwas habe ich gar keine Angst, im Gegenteil, eine fachliche Auseinandersetzung schätze ich sehr. Worum es mir geht ist, dass ich Sorge habe, aus Unwissenheit heraus etwas zu formulieren, von dem ein Experte bzw. Rezensent später einmal sagt: Das ist so schlicht und ergreifend falsch!
Plakatives Beispiel: "Der zweite Weltkrieg dauerte von 1939 bis 1946." So schlimm ist es nicht und es handelt sich um Kulturgeschichte des 19. Jh., da sind die Semantiken und Epochen ohnehin nicht trennscharf zueinander. Es geht auch nicht um Menschenleben oder um Kita-Öffnungen in Coronazeiten, aber dennoch denke ich, verliert eine Arbeit maßgeblich an Wert, wenn fachliche Unsauberkeiten entdeckt werden. Erfahrungsgemäß sagt dann niemand, "na gut, er ist fachfremd", sondern "hier irrt er, hier finden sich merkwürdige Unkorrektheiten, die die Sorgfalt dieser Arbeit in Frage stellen" usw.
In guten Momenten denke ich: Es sind nur 2-3 Seiten eines Kontextteils, es muss überhaupt erstmal jemand lesen, dann muss er es konzentriert lesen und dann muss er sich auch noch auskennen und dann muss er es erstmal noch rezensieren.
In schlechten denke ich: Wenn das einer liest, qualifiziert er meine Arbeit schon im ersten Viertel ab und dann sitz ich da und schäme mich. Ganz abgesehen davon, dass ich es natürlich selbst nicht möchte, dass ich in meinem Buch falsche Dinge schreibe.
Ja, ich weiß: Man selbst ist der größte Experte und man selbst entdeckt Schwächen, die keinem auffallen. Aber ganz so einfach ist es ja auch wieder nicht, die Leute sind ja nicht auf den Kopf gefallen.
Kennt ihr dieses Problem? Habt ihr es vielleicht schon überstanden und könnt Erfahrungen teilen? Wie geht ihr damit um?
Ich danke Euch herzlich fürs Lesen! Viele Grüße
C