praktikum hat geschrieben: ↑02.06.2020, 01:42
HIer nur ein paar Anmerkungen:
Auf Ratschläge mit dem Problem zu Deinen Kollegen zu gehen und diese unter Umständen noch zu irgendetwas in Richtung Deiner Betreuerin animieren, würde ich an Deiner Stelle nicht hören. Du bist vor Ort das schwächste Glied und hast dann den Stempel des Störenfrieds, wenn Du jetzt plötzlich damit ankommst. Dieser Ton herrscht dort wohl schon länger und Du hast Dich bisher nicht beschwert, also brauchst Du jetzt nicht mehr damit anzufangen. Deine andere beiden Betreuern werden sich - so kurz vor Deinem Vertragsende - auch nicht mehr aus dem Fenster lehnen.
Ja, möglicherweise könntest Du die Situation dort verbessern, aber nicht mehr für Dich. Dein Vertrag läuft einfach aus und dann bist Du weg. Abgesehen davon sollte man auf seiner letzten Stelle keine verbrannte Erde hinterlassen.
Das genau ist auch meine Hauptbefürchtung - dass niemand einem Kollegen in die Suppe spucken wird, nur zu Gunsten eines Doktoranden, dessen Zeit sich dort eh dem Ende neigt. Außerdem ist im Institut ein Gerücht im Umlauf, dass meine Cheffin die Institutsleitung übernehmen will, was wohl noch zusätzlich viele Kollegen davon abbringen wird, sich mit ihr anzulegen. Und wie du sagst, muss ich auch an eine künftige Anstellung denken. Dass ich ein hervorragendes Arbeitszeugnis bekomme, kann ich mir wahrscheinlich abschminken, allerdings muss ich die Situation nicht noch überspitzen.
Du musst für Dich in Ruhe einfach mal zusammenfassen, am besten zu Hause nur für Dich aufschreiben:
- Kommst Du mit dem Arbeitsklima vor Ort noch bis zum Ende irgendwie klar?
- Wie wahrscheinlich sind die einzelnen Veröffentlichungen jeweils unter den jetzigen Vorgaben?
- Gibt es mögliche Herangehensweisen oder Erweiterungen/Änderungen, diese Veröffentlichungen (teilweise) noch anders realistisch zu schaffen? Kannst Du mir Deiner Betreuerin darüber sprechen, ohne die Situation eskalieren zu lassen?
- Siehst Du für das Gesamtprojekt Promotion irgendein Licht am Ende des Tunnels oder kannst Du noch ein paar Stützbalken einbauen oder ist der Tunnel hoffnungslos mehrfach eingestürzt?
Danach nochmal darüber schlafen und mögliche Handlungen erarbeiten. Im Zweifelsfall nochmal zur Beratung mit jemanden persönlich reden, der den Forschungsbetrieb zumindest ein bisschen kennt.
Ich habe mir die Punkte durch denk Kopf gehen lassen. Und auch nach einer Nacht komme ich zu den folgenden Schlüssen:
- Ich bin in der Lage, so einiges zu tolerieren. Ich habe schon zwei Jahre unter ihr durchgehalten. Wenns nur ihre Art und ihr Umgang wäre, sähe ich kein Problem. Doch neulich hat sie nach einer Korrekturrunde meines Papers wortwörtlich gesagt, dass, wenn es nicht besser wird, sie das Paper in die Tonne haut.
- Das Review Paper: Allmählich immer unwahrscheinlicher. Es steckt immer mehr Arbeit drin, aber nach jeder Korrektur findet meine Cheffin noch weitere Kritikpunkte, zum Teil an Stellen, an denen ich ihren Wortlauf übernommen habe (sie korrigierte also ihren eigenen Vorschlag) oder welche seit mehreren Versionen in Ordnung waren und unverändert blieben (es fiel ihr spontan auf, dass dort etwas nicht passt). Dass sie meinen Wortlaut und Stil korrigiert, ist für mich auch schon unerhört, da 1. dies nicht ihre Aufgabe geschweige denn Befugnis ist, 2. ich meine Terminologie und meinen Schreibstil an die Literatur anlehne, welche ich verwende (zum Teil hat sie Ausdrücke kritisiert, welche auch in der Fachliteratur vorkommen) und 3. mir von allen, die bisher von mir Texte gelesen haben, mindestens ein guter Schreibstil attestiert wurde (bis auf höchstens einen Hang zu langen, verschachtelten Sätzen, wie dieser Satz wohl auch bezeugt). Die anderen beiden Paper sind, wie gesagt in ihrer Schriftform noch nicht angefangen. Für eines mussten wir die Methodik kurzfristig radikal umstrukturieren, doch da sehe ich mittlerweile Hoffnung. Das dritte könnte Problematisch sein, hauptsächlich aber wegen eines Tools, welches ich zur Auswertung nutze.
- Siehe oben. Die Methodik der Thematik eines Papers habe ich bereits modifiziert. Das dritte wird sich wohl auch etwas ändern müssen. Ein persönliches Gespräch fürchte ich mittlerweile schon immer. Zumindest auf die modifizierte Methodik hin hat sie mit "klingt gut" geantwortet, was für mich schon das höchste der Gefühle ist.
- DAS ist wirklich eine schwierige Frage. Ich für meinen Teil finde es schwierig, hier zwischen Wunsch, Hoffnung und Aussicht zu unterscheiden. Die Zweifel sind jedenfalls sehr groß. Wobei ich eingestehen muss, dass ich größtenteils einer negativen Motivation nachgehe, sprich nicht möchte, dass die letzten zwei Jahre umsonst waren; wohingegen ich anfänglich unbedingt die Promotion aus Neugier und Forschungsdurst machen wollte.
daherrdoggda hat geschrieben: ↑02.06.2020, 07:41
[...]
Die Kollegen haben sich ja bereits dazu geaeussert:
[...]
Die Frage ist jetzt, ob die Chefin irgendjemanden von der Gruppe respektiert, der dein Projekt fuer wichtiger haelt als sie den Anschein macht. Sachlicher Rat kann da viel ausmachen. Hat die Postdoktorandin eigentlich von sich aus aufgehoert, zB weil es da das gleiche Problem gab?
Ich sag mal so: Zwei Kolleginnen haben mich mal drauf aufmerksam gemacht, dass meine Cheffin in Gruppendiskussionen immer dazu neigt, das letzte Wort haben zu wollen und auf ihr nicht passende Aussagen oft mit "das ist doch Schwachsinn" reagiert. Für mich deutet es eher darauf hin, dass sie ihre Meinung über die von anderen stellt.
Die Postdoktorandin hat aufgehört, weil sie schwanger wurde. Doch wie ich mitbekommen habe, wurde ihr das Angebot unterbreitet, nach dem Mutterschutz wieder unter meiner Cheffin weiterzuarbeiten, was sie aber abgelehnt habe. Allerdings habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr.
daherrdoggda hat geschrieben: ↑02.06.2020, 07:41
praktikum hat geschrieben: ↑02.06.2020, 01:42
Im Zweifelsfall nochmal zur Beratung mit jemanden persönlich reden, der den Forschungsbetrieb zumindest ein bisschen kennt.
Wer kaeme da ausser den Kollegen in dieser Gruppe bzw diesem Institut noch in Frage?
Tatsächlich ein ehemaliger Kollege. Er hatte mit meiner Cheffin in der Vergangenheit schonmal gearbeitet und eine Vertretungsstelle bekommen und sich mit mir das Büro geteilt. Mittlerweile arbeitet er hier nicht mehr. Persönlich kamen wir super miteinander klar, weshalb ich auch schon überlegt hatte, mit ihm darüber zu reden/schreiben.