Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

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TogiTu

Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

Beitrag von TogiTu »

Hallo zusammen,
ich suche ein wenig Inspiration für das Verfassen einer geisteswissenschaftlichen Diss. Konkret geht es um die richtige Einschätzung und Bündelung von Arbeitsschritten zu kleinen "Paketen" die man tage-/wochenweise abarbeiten und abhaken kann - und hieraus Motivation ziehen kann.

In der Phase der Forschungsstanderfassung hatte ich ein gutes System: Pro Tag 2-3 Paper gelesen und die Erkenntnisse in Übersichtsblätter pro gesichteter Literatur festgehalten. Das war strukturiert, hat mir gut den Fortschritt verdeutlicht und mich motiviert. Sicher gab es solche und solche Tage, aber im Kern hat es funktioniert.

Wenn es nun an das Verfassen von u.a. Forschungsstand, Theorie und auch einem Exposé geht brauche ich einen neuen Ansatz: Ich habe eine riesige Struktur/Inhaltsverzeichnis und es geht an das Schreiben... Hierbei ist es öfters passiert, dass ich versucht habe meine Woche/Tage vorzuplanen und es am Ende absolut nicht aufgegangen ist. Man schreibt vor sich hin, kommt von Hölzchen auf Stöckchen, biegt in Diskurs XY ab, das Zusammenschreiben dauert doch länger etc. - und man stellt am Ende fest, dass man die Zeitplanung nochmal neu aufsetzen bzw. anpassen muss. Bisher habe ich versucht mit Wörteranzahlen oder inhaltlichen Aspekten pro Tag/Woche zu arbeiten, aber die Planungen gingen eben oftmals nicht auf.

Gewissermaßen stehe ich an der Schwelle zwischen Rezeption und Produktion, so wie spirograph sie auch bereits im August beschrieben hat:
Zum Einen besteht jede Art von Arbeit, gerade sowas wie Dissen aus Rezeption und Produktion. Das sind zwei verschiedene Modi. Bei ner Diss rezipiert man erst, selbst so eine Erhebung ist noch Rezeption von Daten, die in irgendeiner Weise geordnet werden, erst später, jetzt, folgt der Ergebnisbereicht, die Produktion. Ist wie beim Schreibenlernen von den Kids: erst Rezeption (so sieht n ´A´ aus, Affe, Ampel, Ananas, dann Nachschreiben, also irgendwann Produktion von einzelnen Wörtern, dann eigen ausgedachten Wörtern, Wortgruppen, Sätzen, Texte...), dann Produktion. Wir beiden sind on the edge of production! :-) Bei dem Wechsel braucht es ein wenig, es ist so, dass es naturally zäh geht an dieser Gelenkstelle. Das Geballte Aufgenommene muss vorab nochmal besonders behandelt, strukturiert, portioniert, geordnet werden, um sich in einzelnen Kapiteln dann zu produzieren bzw. produziert zu werden. Ist so ein Transitstadium, nicht ganz Rezeption, noch-nicht-Produktion. Aber ohne dass würde das zu-Produzierende, nun, länger dauern im Sinne, dass es dann evtl noch ein, zwei Schleifen gehen müsste, um den Informationsreichtum zu erhalten (quasi damit gespcikt zu werden), den es gehabt hätte, wenn man dies gleich vor-ab-mitgedacht-hätte.
Es ist schon klar, dass dies auch Teil des Prozesses ist, ich merke nur dass mich das "ins Blaue schreiben" zunehmend runterzieht und ich weniger motiviert bin als in der vorherigen Phase. Einige sagten mir bereits, dass sie bei ihrer Diss nie einen aufgehenden Zeit-/Arbeitsplan hatten bzw. in der Hinsicht nix geklappt hat bis man in der Endphase ist und die benötigte Zeit realistisch einschätzen kann... Ich will mich nicht ganz damit abfinden und suche Wege mir diese Phase zumindest etwas mehr zu strukturieren und die Zeit realistisch zu planen. Im Idealfall würde ich gerne nicht nur tages-/wochenweise sondern auch größere Arbeitsphase planen können.

Freue mich auf Eure Erfahrungen und Tipps!

Viele Grüße und besten Dank!
caipirinha11085
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Re: Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

Beitrag von caipirinha11085 »

Ich finde, es hilft, wenn man sich immer wieder vor Augen führt, was man mit seiner Diss eigentlich aussagen möchte und was der Leser dafür wissen muss. So lässt sich der rote Faden ganz gut halten. "Diskurse" habe ich zu extra Punkten erhoben, die ich für mich selbst als "Spaß-Kapitel/Punkte" gekennzeichnet habe: Ich habe sie aufgenommen, weil ich sie da haben wollte, nicht, weil sie für die Arbeit unerlässlich waren. Daher habe ich mich damit auch erst am Schluss befasst und einige sind dann auch wieder geflogen, weil sie als Aufsatz besser aufgehoben waren/wären.

Nimm dir doch jeden Themenkomplex/Unterpunkt einzeln vor. Es klingt, als hättest du in einem ersten Schritt die ganze Literatur gesichtet und zusammengefasst und willst es jetzt runterschreiben. Das wäre mir sehr schwer gefallen und ich würde mir vor dem Schreiben jedes Unterpunktes noch einmal Zeit nehmen, die jeweiligen Paper/Monographien mit deinen Zusammenfassungen in Ruhe durchzulesen. Nicht-notwendige Unterdiskussionen oder Diskurse kannst du vielleicht auch als "nice to have" markieren und dann an späterer Stelle dazu zurück kommen. Mit etwas Abstand merkt man mMn gut, ob dieser Diskurs wirklich zielführend ist, oder ob man sich nur verheddert und das große Ganze aus den Augen verloren hat.
spirograph
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Re: Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

Beitrag von spirograph »

Hallo TogiTu,

jaja, spiro, die weise, olle Bergpaviansilberrückendame...Na, Du weißt schon genau, WO Du gerade stehst. DAS ist schon mal was. Du bist gerade in der Gelenkstelle, im Transit. Nicht mehr ganz am on-set des Ganzen, aber auch noch nicht durch. Du siehst, das, was vor Dir liegt in seiner Länge u Abfolge u Gesamtheit u Du wünschst Dir Struktur. Nur: Diese Struktur kommt nicht deduktiv, von außen, sondern entwickelt sich als <Eindruck>, beim Tun, induktiv. Am Tun quasi, am Schreiben, mit dem Schreiben.

Es ist ein Vorgehen in >Schleifen>. Du hast schon geschrieben, kommst vom Stein ins Stöckchen. Verzettelst Dich ggf sogar? Hier ist es gut, wie der andere Beitrag schon schrieb, konsequent vom Ende zu denken. Die Ente (=Diss) kackt am Ende! Was soll der Leser lesen, was bedarf es in dem Kapitel dazu gesagt zu werden? Jedes Kapitel hat eine bestimmte Funktion, vervollständigt einen bestimmten Denkschritt, eine Denkrichtung: Problemstellung wirft das Problem auf u gibt ggf. die Diskursgeschichte des Problems wieder. Das wars. Forschungsstand gibt den mehr oder weniger aktuellen Stand des Wissbaren über dein Thema/dein Problem wieder. Theoretischer Hintergrund: Anbindung an darunter/dahinterliegende Theorien, Grundfolie/Grundsockel auf dem dein Thema/dein Vorgehen fußt. U c what I am saying?

So: Denke vom Ende her: Was soll ich, wenn ich dein Kapitel lese, daraus mitnehmen? Was braucht es - pragmatik! - alles am Gesagtem, um in dem Kapitel zu meinem Thema/meiner Frage ausreichend und gesättigt beizutragen? Kernpunkte in ihrer konsekutiven Seilschaft :-) herausschälen. Allen Kikki erstemal weglassen (Fußnoten! Spaßdiskurschen kannmer immer noch machen!). Ggf. liest sich dein Betreuer das nochemal durch und gibt Korrektur an. Aber die Kernpunkte in ihrem logischen Verbund werden davon bestimt grundständig nicht angetastet.


So: Dieses Denken vom Ende, ganz pragmatisch, ganz kalkülhaft, klar GIBT Dir deine Struktur. DU musst nur wissen, WAS wichtig ist und was nicht (so) wichtig ist. Priorisiere! :-) Du bist Experte, Du kannst das begründet (!) auswählen, die wichtigsten Punkte. :-)

Und so angespitzt, gehste da ran! Volle Härte. Kikki kann man immernoch inne Fußnote droppen. Nur: Abgeschilft von allen Stöckchen u Steinchen muss deine Diss immernoch "stehen" können. Also: Einmal jetzt bis zum Ende denken und dann vom Produkt her zum Thema denkend. Wennde das so durchdenkst immer hin und her...hast Du deine wichtigsten Punkte, hast Du deine Struktur.

Diese Struktur, die sich Dir, denke ich, schreibend und reflektierend darüber ergibt, kannst Du dann auf den Gesamtprozess extrapolieren. :-)

Die dann in Häppchen bündeln. Ich schreibe pro Tag durchschnittlich - neben ner Vollzeitstelle mit vollem Lehrdeputat - 1,5 bis 2 Seiten. Die für mich stehen. Das sind alles Kernpunkte. Wenn man die wegnimmt, kann man es seinlassen. Jeden Tag zum Thema des Kapitels eine Kernaussage formulieren. Einen Denkschritt abformulieren; und für morgen schon den nächsten sich stichpunktartig "hinrotzen", dass man das nicht vergisst. :-)

Mein Freund hat immer zu mir gesagt in dem Transit: Bleib ma schön im Schlüpper. Vertraue. Du bist so weit gekommen. Es ist >natürlich> dass es jetzt rattert u knackt u man laviert u es hin u her geht, a-b-e-r : be-ginne u höre nich uff! Also: begonnen haste schonne, höre nu nich uff. Sondern mache weiter, reflektiere aber drüber ohne negativ u kritisch oder "quängelig" mit Dir zu werden. Es dauert manchmal bis der Groschen fällt. Ist be de Kids und dem Schreibenlernen och nich anders. Da ordnen sich neuronale Systeme! Da knistert´s! Kann man manchmal beinahe hören. Geduld. Und weitermachen u nich aufhören. Auch nich ungeduldig werden mit sich. Sondern gut u bestärkend von sich denkend: "Boah, bin isch weit jekomme, datt fette ich nu jetzt och noch!". :-)

Letztlich orientieren sich meine (!) Arbeitspaket am für mich in einer Zeit mit meiner Kraft machbarem. Du schreibst schon: ein Tag mal so, ein anderer Tag so. Ist normal. Aber deine Pakete sollen für Dich realistisch "machbar" sein. Alles andere - is ja klar - führt zu Frust. Das muss ja gar nicht sein. Du musst es so machen, dass es machbar und dadurch für Dich freudvoll, voller Erfolg ("Ich habe das Paket heute toll geschafft, nu Pizza bestellen u mich feiern!") ist. Der Weg, der Prozess des Tuns gibt Dir/formt Dir deinen Weg. Und das dauert so lange, wie es dauert. Lieber zu "wenig" ansetzen, als von vornherein zu viel. Plus: Im Tun katalysiert sich dein Tun. On the road wirst Du "schneller"!!! Ist wie überall: Es graut einem vor einer Aufgabe. Anfangen, tun, und dann ist es fast vorbei, sei es Abwasch, Betten beziehen oder Diss schreiben! :D Nur nicht Gedanken über das Tun verwenden, die organisatorischer Natur sind "Wie lange noch?", Tun und im Tun aufgehen. Armzug. Beinzug. Wie Beppo von Momo! Kennste? https://www.youtube.com/watch?v=3aOO3oBZnAY

Gerade: das Schreiben, die Fusion aus allem zuvor, das Pressen von Dingen in eine Form, mit der andere was anfangen können, ist das Ding bei ner Diss. Ein heiliges Tun quasi. Da ist alles ok, aber keine Ungeduld. Es ist wie ein Dienst am Thema, wie Gottesdienst quasi, dort machen die och kinne Hektik. Denn: Alles, was es braucht an Zeit u Material, braucht es. Weder gut noch schlecht. Es ist einfach (so). Wenn man das sehr reflektiert und voller Bewusstsein tut, kann man viel über sich lernen. Man wird quasi zum Pädagogen an sich selbst. Man versteht Lernprozesse ganz anders, nur btw.

Aber: denk um Himmelswillen pragmatisch u vom Ende u vom Zweck deiner Kapitel/der Gesamtarbeit her. :-)

VIEL ERFOLG!

spiro :blume:
Zuletzt geändert von spirograph am 22.11.2018, 16:44, insgesamt 1-mal geändert.
Wie groß ist das Wort Claudels: „La vie, c’est une grande aventure vers la lumiere“ (Das Leben ist ein großes Abenteuer zum Lichte hin)
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Re: Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

Beitrag von Phia123 »

Ich habe in meiner Schreibphase genau die gleichen Erfahrungen wie du gemacht. Ich habe mir inhaltliche Vorgaben gegeben, wie z.B. heute schreibst du Unterkapitel x zu Ende. Es ging zeitlich nie auf. Ich war nur noch frustriert. Jeden Tag wieder das Ziel verrissen.
Mein Mantra war irgendwann: Schreiben dauert immer länger als man denkt.
Dahinter steckt, dass es ok ist, dass die Planung nicht aufgeht. Das hat es wesentlich erträglicher gemacht.

Um mich zu motivieren habe ich schließlich mit der Pomodoro-Technik gearbeitet. Das kannst du bei Google mal nachschauen. Man nimmt sich pro Tag eine bestimmte Zeit vor, die man arbeiten möchte. Z.B. heute möchte ich 6 Tomaten erarbeiten (1 Tomate=30 Minuten). Das lässt sich viel besser realisieren als eine Vorgabe der Seitenzahl oder die Fertigstellung eines Kapitels. Ich konnte meine Zielvorgaben wieder erreichen und war wieder motivierter. Es half mir auch zu verstehen, dass der Weg und nicht das Ergebnis wichtig ist: Der Weg ist das Ziel (es ist also wichtig dass ich überhaupt ins Schreiben reinkomme und arbeite, nicht wie viele Seiten am Ende fertig sind).

Es ist außerdem total hilfreich schon Stichpunkte stehen zu haben, wenn man anfängt den Text zu schreiben. Sobald dir ein guter Gedanke kommt, schreib ihn einfach lose in das Kapitel. Dann hast du auch den Kopf wieder frei um an deinem eigentlichen Textstück weiterzuarbeiten.

Und dann ist es tatsächlich ein Prozess: Ah nein, dieses Kapitel schiebe ich jetzt doch vor das andere. Jetzt brauche ich noch zusätzlich eine Überleitung. Jetzt steht Kapitel y so alleine da. Hmm, wo ist hier die Verknüpfung zu meiner eigentlichen Arbeit. Da brauche ich noch eine inhatlichen Schritt dazwischen.
Ich glaube deshalb kann man es nicht inhaltlich Schritt für Schritt planen. Dann bremst man sich in seinen kreativen Lösungswegen aus. Du findest an dem Tag vielleicht eine Lösung für Kapitel z, obwohl auf deinem Plan steht Kapitel x zu bearbeiten.

Wozu brauchst du diese genaue Planung eigentlich? Sitzt dir die Zeit im Nacken?
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Re: Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

Beitrag von SSCI »

Ich frage mal etwas provokativ: Was glaubt Ihr eigentlich, wie genau Doktorväter und -mütter Eure DIssertation lesen?

Korrekturen dauern nicht deshalb mehrere Monate, weil die Arbeit rauf und runter gelesen wird, sondern weil sie erstmal monatelang liegengelassen wird. Unter Zeitdruck wird dann innerhalb weniger Tage ein Gutachten (oft mit vorgefertigten Textbausteinen) angefertigt.

Deshalb - und flankierend zu spiros kluger Empfehlung: Kümmert Euch sorgfältig und die graphische und tabellarische Aufbereitung z.B. Eurer Ergebnisse, Eures Research Frameworks etc. Serviert dem Gutachten mundgerechte Häppchen, die sich auf einem Blick erschließen. Keiner interessiert sich für eine qulitative Inhaltsanalyse nach Mayring oder Kuckartz, wenn er sie sich aus 50 Seiten Fließtext und 13 Tabellen erschließen muss. Die "Mastertabelle", aus der die Ergebnisse komprimiert und aggregiert auf einer Seite hervorgehen, DIE sieht sich der Gutachter genau an. Feilt daran. Optimiert den Abstract. Poliert das Inhaltsverzeichnis. Stellt am Ende der Arbeit konkret dar, worin der eigene Beitrag besteht, was Ihr zum vorhandenen body of knowledge hinzugefügt habt und welchen Mehrwert Eure Arbeit für die Praxis oder Theorieentwicklung bietet.

Den ganzen Rest liest doch ohnehin keiner...einiges wird bestenfalls überflogen, durchgescrollt...genau gelesen wird nur ausschnittweise, stichproebnartig und auch nur um zu vermeiden, dass man sich nachher für de Bewertung rechtfertigen muss (daher kommt auch die Noteninflation...über ein magna beschwert sich keiner...zieht keine nervige Dynamik nach sich).

Betrachtet Eure Probleme in der Schreibphase also nicht nur aus Eurer Sicht oder aus der des redlichen interessierten Wissenschaftlers, sondern auch aus der des ausbaufähig interessierten Gutachters...dieser will hauptsächlich mit wenig Aufwand begutachten. Der steigt nicht in die einzelnen Verästelungen Eurer Argumentation ein, sondern liest oder scrollt darüber hinweg, wenn es nicht maximal leserfreundlich ist.

Eure Bringschuld ist die Aufbereitung...so wie Ihr Euer Auto auch putzt, bevor Ihr es verkauft...so, wie Ihr Euch duscht vor dem Date...so, wie Ihr Euch einen Anzug vor dem Vorstellungsgespräch anzieht...alles nur, damit der Gutachter vom (Schau-)Fenster (Aussehen, Aufbereitung) auf den Inhalt des Ladens (Eure Kompetenz, Eignung, Qualität der Arbeit etc.) schließt.
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Re: Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

Beitrag von Cybarb »

Hallo SSCI,

die entscheidende Frage ist nun: Woher weißt du das alles?

Gruß
Cyb
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Re: Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

Beitrag von SSCI »

Aus eigener Erfahrung. Meine Perspektive ist die des Professors und Gutachters.

Das betrifft studentische Qualifikationsarbeiten und eingereichte Manuskripte mehrerer angesehener Zeitschriften. Mein Feld: Managment Science

Senior scholars haben (auch) deshalb so großen Publikationserfolg, weil sie genau wissen, wie ein Beitrag sprachlich und formal auszusehen hat, um im Reviewer maximales Wohlbehagen auszulösen. Man braucht meist nur wenige Minuten, um zu sehen, ob ein Aufsatz von einem PhD-Kandidaten oder einem veröffentlichungserfahrenen Forscher eingereicht worden ist...und man kann selbst nicht umhin, letzteren bevorzugt zur major revision einzuladen, den anderen (obwohl da hin und wieder auch ungeschliffene Diamanten dabei sind) aber mit einem desk reject zu enttäuschen.

Eines meiner Geschäftsfelder ist es, aufstrebende Forscher aus emerging economies zum Veröffentlichungserfolg zu bringen. Sehr kluge Köpfe aber in der scientific community unbeschriebene Blätter, die bis dato eher in zweifelhaften Zeitschriften publiziert haben und jetzt - weil sie dies z.B. als Kriterium erfüllen müssen, um ihren Abschluss zu machen - eine Zeitschrift mit imact factor anpeilen. Es funktioniert genau so, wie eben beschrieben.

Das alles heißt übrigens nicht, dass es eine Schmalspurarbeit sein soll. Keinesfalls. Ihr sollt hier keine Blender sein und das befürworte ich auch nicht. Aber: Es wird extrem viel Aufwand betrieben, den Euch keiner lohnt. Die "Aufbereitung" einer Arbeit ist häufig ein weißer Fleck und kann etwas mehr Aufmerksamkeit vertragen. Wenn also das Schaufenster toll dekoriert ist, dann dürfen ja trotzdem auch hochwertige Produkte im Laden sein. Das eine schließt das andere nicht aus.
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Re: Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

Beitrag von Grounded »

Hallo TogiTu,

okay, ich habe verstanden, dass du eine geisteswissenschaftliche Diss schreibt. Handelt es sich dabei um eine a) theoretische Arbeit - was ich anhand der Infos aus dem Text vermute - oder b) um eine empirische Arbeit?
Ich kann etwas zum Fall b) beitragen und würde ich dir auf der Basis guter Ratschläge meines DV, Schreibberatern und meinen eigene Erfahrung raten: Befasse dich zuerst mit deiner Forschung und danach mit den dazu passenden Diskursen - natürlich, nachdem dein Exposé steht ;-)
Oder, falls du nach der Qualitativen Inhalsanalyse (z. B. Mayring) vorgehst: lies nicht mehr als nötig.
Sonst verzettelst du dich und/oder du reproduzierst in deiner Forschung bloß das, was du gelesen hast.
Ansonsten kann ich auch nur bestätigen, was andere hier auch schon geschrieben haben: Ich habe mir einen tollen Plan gemacht, und er ist nicht aufgegangen. Das lag nicht an meiner Unfähigkeit, mich einzuschätzen, sondern an der - naja, nicht Unmöglichkeit, aber schon an der Problematik einzuschätzen, wie lange die Interviewauswertung benötigt. Mittlerweile weiß ich in etwa, wie lange ich für einen Sequenz in einer bestimmten Länge brauche. Es hat aber etwa ein Jahr gedauert, bis ich das einschätzen konnte. Und (das gilt vermutlich auch für dich): Du wirst im Schreibprozess schneller werden, weil du sicherer werden wirst und auch deine Fähigkeiten wachsen werden.
Also: das wird! :blume:

Liebe Grüße
Grounded
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Re: Realistische Arbeitspakete/-plan für Schreibphase erstellen

Beitrag von Phia123 »

/SSCI:
Ich glaube das ist (zum Glück) nicht der Anspruch der meisten Doktoranden. Es ist mir egal, ob der DV die Diss am Ende nur überfliegt oder vor allem die Überblickskapitel liest. Die Arbeit muss insgesamt stimmig sein. Ich selbst muss damit zufrieden sein. Es geht um den eigenen Anspruch. Der entspannte Gesichtsausdruck und das Glühen auf den Wangen, wenn die Kapitel endlich stimmig sind, Übergänge gelungen sind, der rote Faden da ist und ein starkes Fazit die Sache abrundet. Dafür lohnt sich der quälende Weg in der sich wie eine Ewigkeit anfühlenden Schreibphase. Irgendwann ist es geschafft und dann ist man einfach nur stolz. Es spielt keine Rolle ob der DV nur überfliegt. Muss er doch wissen was er da verpasst :D
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