Hi Reiners Licht,
tut mir leid zu hören, dass Du so eine schwerwiegende Krankheit hattest und dass die Umstände gewissermaßen dazu negativ beitrugen. Gut, dass Du dich wieder gefasst hast - DAS ist das Wichtigste von allem! Das, was Du schreibst, ist zutiefst menschlich. Und zu verstehen, also verstehbar. Ich gehe von mir aus: würde ein Studierender mir in ggf Abschlussphasen etwas derart Abruptes schreiben ala ich-schmeiße-hin (ob mit Nennung von Gründen oder nicht) würde ich stets Überforderung vermuten (mit ggf stärkeren Auswüchsen; aber erstmal nur meine Mutmaßung). Ich würde zurückfragen ganz vorsichtig, sondieren, Hilfe anbieten, Gespräch offerieren: Ist das bei Dir erfolgt oder ließ man Dich "so"ziehen?
In solchen Krankheitsszenarien sollte man keine Entscheidungen treffen, weil man nicht mehr fähig ist, klar zu sein/zu sehen. Aber diese Weisheit kommt zu spät. Ohnehin ist man in solchen Situationen nicht mehr so reflektiert zu sagen: "Ich bin total im Arsch, ich schmeiße den Scheiß hin --- Neeee! Neee! Erstmal noch nicht, das kann ich immer noch machen, erstmal gesund werden!". Ich kann mir vorstellen, dass Du damals die Ursache für deinen Zustand in der Diss/dem DV/dem ganzen Bums gesehen hast - und wie ein Tier aus einer Schnappfalle so schnell wie möglich die Ursache (ggf vermeintliche Ursache) abstellen wolltest, um angstfrei, unbesorgt zu sein!? Wer kann Dir das verdenken!!! Keiner. Vllt. gehst Du mit dieser Klarheit nochmal zu den Leuten, stellst Dich vor und die Umstände, erklärst Dich. Was Dich dazu brachte. Ich würde IMMER meinen Studierenden eine Tür offen lassen, aber ich würde auch niemanden SO ziehen lassen. Ich will alle zu ihrem Erfolg bringen, das ist mein Job (wenn nichts Krasses dagegen spricht). Ich weiß nicht, wie es andere handhaben, womöglich anders, aber Du kannst jetzt, befreit, gesundet doch noch einmal dorthin gehen und sie alle in dein großes Bild setzen und um eine zweite Möglichkeit bitten. Was hast Du - um es mal kaltschnäuzig zu formulieren - zu verlieren? Nichts. Gehe hin, von Mensch zu Mensch. Du wirst auf offene Ohren stoßen.
Und für alle, die jetzt argumentieren ala: "Ja, dann ist die DISS eben nichts für Dich! Wenn Du so schon....Zeichen von Schwäche, blabla!". Die Anfertigung einer Diss, mein Freund, soll barrierefrei sein, für alle möglich, egal ob der/diejeniger, der/die schreibt, eine Krankheit welcher Art auch immer hat. Auch Menschen mit psychischen Bedingungen sollen promovieren dürfen - es kann sein, dass jene länger brauchen (OH MEIN GOTTTTTT! Ironie! LÄNGER als who or what?) oder mehrere Anläufe, EGAL. Es muss möglich sein. Dissen darf nie einegsetzt werden als Selektionkriterium gegen Menschen mit Erkrankungen oder anderen Bedingungen. Das muss echt mal gesagt werden!
Letzteres Jahr hatte ich btw so n krassen ich-schmeiß-den-Rotz-jetzt-hin-Moment. Ich stand vor ner riesigen Erhebung, die es galt zu analysieren. Ab nem gewissen Punkt war es nur noch öde - und da war noch nicht mal die Hälfte geschafft. Ich habs durchgezogen, aber mein meltdown war verständlich. Ich war ne Haaresbreite davor, das rote Telefon zu nehmen und alles abzusagen. Durch Krisensitzungen mit korrekten Leuten ging es dann aber. Ich habe gelernt, dass ich nur noch die Arbeit von einem Tag sehe. Nicht das Große. Nur noch heute und was ich heute reißen kann realistischerweise. Was morgen is, is morgen, datt sehe ich dann. In der Summer aber wird jeder Tag zu diesem Großen und iwann macht es fupp und das Ding ist fertig. Plus: Wenn man einen bestimmten Punkt überschritten hat, katalysiert sich das Tun: Et jeht schneller iwie (gefühlt?). Jetzt bin ich aufn flotten Weg: Drei Wochen ein Kapitel (gut, der Ergebnsteil dauert nun schon länger), aber die davor: drei Wochen/Kapitel. Ist recht überschaubar und für mich ok und machbar. Together the ants will conquer the elephant! Ha!
Viele kennen deine struggles. Viele. Kannste glauben. Bist nich allein oder n schlechter Mensch. Ich habe einen Arzt getroffen, der is jeden Abend am Tisch vonner Pulle Korn eingepennt, der hat tagsüber operiert und damit das Zittern aufhört (und der operieren konnte!), hatter getrunken. Der war fertig as fuck hat aber "funktioniert" und - bisschen zynisch - tatsächlich gute OPs hinbekommen, weiß der Himmel wie.
Also: Alles Gute! Probiere dein Glück (nochmal). Hör nicht auf andere, die das nicht so sehen. Traue Dich!
spiro