Liebe Mitforist*innen
mir kommt diese Diskussion gerade recht (oder vielmehr nicht), weil ich seit einigen Tagen (wieder) in die gefürchtete Plagiatspanik verfallen bin, die sich beim Lesen solcher Beispiele und der dazugehörigen Diskussion nur noch mehr verschärft. Ich hätte nämlich bis vor wenigen Tagen auch dem Threadersteller und den beiden letzten Diskussionsbeiträger*inen zugestimmt: Es findet sich hier keine wörtliche Übernahme und es ist m. E. hinreichend klar, von wem die Aussage stammt. Nämlich nicht vom Autor, sondern von Müller. In meiner Arbeit habe ich es bisher auch so gehalten. Aber nun bin ich extrem verunsichert, und wenn ich meine eigene Arbeit durchsehe, gerate ich in regelrechte Panik, dass sich bei mir unbeabsichtigt Plagiat an Plagiat reiht. Mir fallen nun immer mehr Beispiel auf, in denen man vielleicht ein Bauernopfer, eine Verschleierung, ein Strukturplagiat etc. sehen könnte. Folgende Fragen gehen mir gerade im Besonderen durch den Kopf:
- Wie verhält es sich, wenn ich in einem Satz sowohl eine Paraphrase als auch ein wörtliches Zitat habe? Beispielsweise paraphrasiere ich ein, zwei, drei Seiten oder auch nur einen Abschnitt und schließe dann den Satz mit einem wörtlichen Zitat aus dem paraphrasierten Zusammenhang ab. Dahinter kommt natürlich die genaue Seitenangabe des wörtlichen Zitats. Aber wie nun den paraphrasierten Rest belegen? Korrekterweise müsste ja nun irgendwo noch ein vgl. ebd., S. XXX hin. Oder? Und wo dieses dann setzen? Hinter das wörtliche Zitat? Davor? Das sähe dann, wenn man etwa nur eine Seite oder einen Abschnitt paraphrasiert, merkwürdig aus, da ja dann gleich hinter oder vor dem Beleg für das wörtliche Zitat auch noch ein Beleg für die Paraphrase käme. Oder kann man davon ausgehen, dass klar ist, dass auch die Paraphrase aus der wörtlich zitierten Quelle stammt?
- Wie macht ihr es, wenn ihr in einem Text aus der Sekundärliteratur auf ein passendes Zitat oder einen Verweis (oder mehrere) auf andere Literatur stoßt, das/den/die ihr dann in eure Arbeit übernehmt? Mir ist klar und das habe ich auch in jedem Fall so gemacht, dass ich die Originalquelle aufsuche und daraus direkt zitiere, um ein (möglicherweise) falsches Blindzitat zu vermeiden. Aber nicht in allen Fällen habe ich dann auch den kompletten Aufsatz, das komplette Buch gelesen. Wäre das dann nicht trotzdem, wie es z. B. Norbert Lammert vorgeworfen wurde, eine Art "Diskurssimulation", worunter zu verstehen sei: "Der Verfasser diskutiert Titel, die er wahrscheinlich nicht selbst gelesen hat. Dies ergibt sich für mich in der Regel aus aus den Quellen übernommenen Fehlern. Hierbei macht er sich – immer etwas abgewandelt – Interpretionen Dritter zu eigen." (
https://lammertplag.wordpress.com/#Zusammenfassung). Lammert hat wohl, wenn man sich die Beispiele ansieht, beispielsweise Ausführungen von X über Z übernommen, ohne Z selbst überprüft zu haben. Wäre das weniger schlimm, wenn er Z überprüft hätte? Oder er trifft umgekehrt eigene Aussagen, die er mit Zitaten aus Ausführungen anderer belegt. Gefordert wäre also hier, dass er jedes Zitat selbständig gefunden hat (aber wo, wenn nicht in Ausführungen anderer).
- Etwas anders der Fall: Man orientiert sich an den Ausführungen von X über Z, überprüft Z stets im Original, ergänzt möglicherweise noch durch eigene Funde und gibt etwas in der Art an von: "Ich orientiere mich im Folgenden an den Ausführungen von X". Dann müsste ja nun im Unterschied zum obigen Fall alles korrekt (wenn auch nicht sonderlich originell) sein, weil man alle Quellen offenlegt. Stellenweise habe ich dies so gemacht, ohne dass mir bisher klar war, dass dies ein Problem sein könnte. Wäre das, falls der "Orientierungs-Hinweis' fehlt ein Strukturplagiat?
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Zweifelsfälle kommen mir in den Sinn. Langsam bin ich so weit, dass ich mir selbst schon nicht mehr traue und mich bei jedem Satz, hinter dem keine Fußnote ist, frage: Ist der tatsächlich von dir? Wo hast du das Zitat (natürlich überprüft!) nun schon wieder her? Ist die Argumentationsstruktur tatsächlich von dir oder hast du dich an XYZ orientiert und betreibst nun 'Diskurssimulation'?
Ich hatte eigentlich gedacht, die Arbeit wäre bis auf die Endredaktion fertig, aber jetzt spiele ich mit dem Gedanken, die ganzen letzten Jahre der Arbeit als für mich selbst erkenntnisreiche Zeit einfach abzuhaken und die Diss nicht einzureichen. Das wäre mir immer noch lieber, als ein möglicher Plagiatsvorwurf.
Verzweifelte Grüße!