Unzufrieden mit Ablauf und Ergebnis der Promotion
Verfasst: 25.11.2016, 14:19
Hi,
ich habe vor einigen Wochen meine Promotion abgeschlossen. Ich habe immer gedacht, dass das ein gutes Gefühl ist, dass ich stolz darauf bin, aber momentan ist da einfach nur eine große Leere und Enttäuschung. Nach der Disputation ist mir zwar ein Stein vom Herzen gefallen, aber danach fühlte ich mich mehr und mehr niedergeschlagen.
Aber erst einmal zur Promotion selbst. Ich werde einige Details auslassen, weil sie doch sehr speziell sind und ich anonym bleiben will, werde aber versuchen die Eckpunkte zu erklären. Ich habe nach ca. 3 Jahren Arbeitszeit allerdings den Doktorvater gewechselt. Das war im beidseitigen Einvernehmen, aber ich war zu dem Zeitpunkt natürlich schon an einer Stelle, bei der viele inhaltliche Entscheidungen schon getroffen worden waren. Der neue Doktorvater war nach seiner Aussage aber damit zufrieden, insbesondere auch da er mit dem ersten Prof schon lange zusammenarbeitet.
Er hat immer wieder mal nach dem Stand der Arbeit gefragt, meine Antworten wurden dann aber meist mit „Du machst das schon“ abgetan. So war es auch, als ich ihn 2-3 Monate vor Abgabe gefragt habe, ob er einen Blick auf die Arbeit werfen kann. Ich habe zu dem Zeitpunkt kein Problem darin gesehen, habe es eher positiv empfunden, dass ich mein Thema abgesprochen hatte und frei daran arbeiten konnte.
Und jetzt kommt der große Sprung: als ich die Gutachten meiner Arbeit gelesen habe, war ich sehr erschrocken. Die Gutachten gingen beide gut los, der theoretische Part der Arbeit wurde sehr gut bewertet, einige andere Dinge auch sehr gelobt, aber dann folgte praktisch ein Verriß. Dieser bezog sich zum einen auf Aspekte, die in meiner Arbeit fehlten. Zum anderen gab es methodischer Kritik, die darauf zurückzuführen ist, dass ich explorativ gearbeitet habe. Das kann man sicherlich als Diskussionspunkt sehen, aber durch das Thema ist in meinen Augen nichts anderes möglich.
Ich habe mein Thema und Zwischenergebnisse schon bei einigen Konferenzen vorgestellt und ich kenne daher die „Angriffspunkte“. Diese decken sich nur zu einem geringen Teil mit dem, was in den Gutachten stand. Ganz im Gegenteil wurden in den Gutachten Fragen gestellt, die grundlegende Fragen jeder empirischen Arbeit sind und für die es keine formalen Beweise gibt. Natürlich habe ich diese Fragen in der Arbeit diskutiert...
Ich habe mit meinem Doktorvater ein längeres Gespräch geführt, in dem er mir seine Sicht der Dinge erläutert hat. Er hat dabei eingestanden, dass er nicht immer aufmerksam war und vieles im Vorfeld auch falsch eingeschätzt hat, was ihm dann erst beim Lesen der Arbeit wirklich klar wurde. Bei deisem Gespräch hatte ich auch immer wieder den Eindruck dass er die Arbeit nicht 100% verstanden hat bzw. einige Seiten übersprungen hat. Leider hilft einem das nicht weiter, wenn wenig später die Disputation ansteht und die Gutachten geschrieben sind.
Hinzu kommt, dass ich das Gefühl hatte, dass sich die beiden Gutachten synchronisiert haben, was sich auch im persönlichen Gespräch bestätigt hat. Sie haben laut eigener Aussage einige Stunden über ihre Kritikpunkte diskutiert und danach die Gutachten geschrieben. Das lässt sich aus meiner Sicht klar am Text erkennen.
Die Disputation selbst habe ich auch als sehr unfair empfunden. Ich hatte vorher mit meinem Doktorvater besprochen, wie ich meinen Vortrag aufbauen soll und habe das auch genau so gemacht. Das Hauptziel war Ansätze für Diskussionen zu geben. Während mein Zweitgutachter in der Prüfung immer wieder versucht hat die Diskussion breiter zu gestalten, hat ein Kommissionsmitglied immer wieder auf einem kleinen Aspekt der Arbeit herumgeritten, teilweise auch unterstützt von meinem Doktorvater. Dadurch hatte ich nicht das Gefühl, dass ich tatsächlich meine Arbeit präsentieren konnte, sondern nur auf diesen einen Punkt festgenagelt wurde. Ich habe schon andere Disputationen erlebt, in denen eher ein Fachgespräch aufkam und man munter über das Thema diskutiert hat. Das war bei mir vielleicht 20% so.
Hinzu kam auch, dass das Prüfungsgespräch nach der minimalen Zeit abgebrochen wurde, da ein Kommissionsmitglied noch einen anderen Termin hatte. Am Ende habe ich ein „cum laude“ bekommen.
Lange Rede, kurzer Sinn: ich bin enttäuscht und fühle mich unfair behandelt.
Ich denke nicht, dass meine Arbeit ein „summa cum laude“ verdient hätte und es gibt sicherlich einiges daran zu kritisieren. Wie das aber nun bei mir verlaufen ist, finde ich nur unfair.
Mit dem Ergebnis kann ich leben - außerhalb der Wissenschaft wird mich niemand mehr nach der Note fragen, aber es nagt einfach in mir und macht mich gleichzeitig wütend und traurig.
Danke dass ihr den langen Text gelesen habt. Ich würde mich freuen ein wenig Feedback zu bekommen, wie man am besten mit dieser Situation umgehen kann.
ich habe vor einigen Wochen meine Promotion abgeschlossen. Ich habe immer gedacht, dass das ein gutes Gefühl ist, dass ich stolz darauf bin, aber momentan ist da einfach nur eine große Leere und Enttäuschung. Nach der Disputation ist mir zwar ein Stein vom Herzen gefallen, aber danach fühlte ich mich mehr und mehr niedergeschlagen.
Aber erst einmal zur Promotion selbst. Ich werde einige Details auslassen, weil sie doch sehr speziell sind und ich anonym bleiben will, werde aber versuchen die Eckpunkte zu erklären. Ich habe nach ca. 3 Jahren Arbeitszeit allerdings den Doktorvater gewechselt. Das war im beidseitigen Einvernehmen, aber ich war zu dem Zeitpunkt natürlich schon an einer Stelle, bei der viele inhaltliche Entscheidungen schon getroffen worden waren. Der neue Doktorvater war nach seiner Aussage aber damit zufrieden, insbesondere auch da er mit dem ersten Prof schon lange zusammenarbeitet.
Er hat immer wieder mal nach dem Stand der Arbeit gefragt, meine Antworten wurden dann aber meist mit „Du machst das schon“ abgetan. So war es auch, als ich ihn 2-3 Monate vor Abgabe gefragt habe, ob er einen Blick auf die Arbeit werfen kann. Ich habe zu dem Zeitpunkt kein Problem darin gesehen, habe es eher positiv empfunden, dass ich mein Thema abgesprochen hatte und frei daran arbeiten konnte.
Und jetzt kommt der große Sprung: als ich die Gutachten meiner Arbeit gelesen habe, war ich sehr erschrocken. Die Gutachten gingen beide gut los, der theoretische Part der Arbeit wurde sehr gut bewertet, einige andere Dinge auch sehr gelobt, aber dann folgte praktisch ein Verriß. Dieser bezog sich zum einen auf Aspekte, die in meiner Arbeit fehlten. Zum anderen gab es methodischer Kritik, die darauf zurückzuführen ist, dass ich explorativ gearbeitet habe. Das kann man sicherlich als Diskussionspunkt sehen, aber durch das Thema ist in meinen Augen nichts anderes möglich.
Ich habe mein Thema und Zwischenergebnisse schon bei einigen Konferenzen vorgestellt und ich kenne daher die „Angriffspunkte“. Diese decken sich nur zu einem geringen Teil mit dem, was in den Gutachten stand. Ganz im Gegenteil wurden in den Gutachten Fragen gestellt, die grundlegende Fragen jeder empirischen Arbeit sind und für die es keine formalen Beweise gibt. Natürlich habe ich diese Fragen in der Arbeit diskutiert...
Ich habe mit meinem Doktorvater ein längeres Gespräch geführt, in dem er mir seine Sicht der Dinge erläutert hat. Er hat dabei eingestanden, dass er nicht immer aufmerksam war und vieles im Vorfeld auch falsch eingeschätzt hat, was ihm dann erst beim Lesen der Arbeit wirklich klar wurde. Bei deisem Gespräch hatte ich auch immer wieder den Eindruck dass er die Arbeit nicht 100% verstanden hat bzw. einige Seiten übersprungen hat. Leider hilft einem das nicht weiter, wenn wenig später die Disputation ansteht und die Gutachten geschrieben sind.
Hinzu kommt, dass ich das Gefühl hatte, dass sich die beiden Gutachten synchronisiert haben, was sich auch im persönlichen Gespräch bestätigt hat. Sie haben laut eigener Aussage einige Stunden über ihre Kritikpunkte diskutiert und danach die Gutachten geschrieben. Das lässt sich aus meiner Sicht klar am Text erkennen.
Die Disputation selbst habe ich auch als sehr unfair empfunden. Ich hatte vorher mit meinem Doktorvater besprochen, wie ich meinen Vortrag aufbauen soll und habe das auch genau so gemacht. Das Hauptziel war Ansätze für Diskussionen zu geben. Während mein Zweitgutachter in der Prüfung immer wieder versucht hat die Diskussion breiter zu gestalten, hat ein Kommissionsmitglied immer wieder auf einem kleinen Aspekt der Arbeit herumgeritten, teilweise auch unterstützt von meinem Doktorvater. Dadurch hatte ich nicht das Gefühl, dass ich tatsächlich meine Arbeit präsentieren konnte, sondern nur auf diesen einen Punkt festgenagelt wurde. Ich habe schon andere Disputationen erlebt, in denen eher ein Fachgespräch aufkam und man munter über das Thema diskutiert hat. Das war bei mir vielleicht 20% so.
Hinzu kam auch, dass das Prüfungsgespräch nach der minimalen Zeit abgebrochen wurde, da ein Kommissionsmitglied noch einen anderen Termin hatte. Am Ende habe ich ein „cum laude“ bekommen.
Lange Rede, kurzer Sinn: ich bin enttäuscht und fühle mich unfair behandelt.
Ich denke nicht, dass meine Arbeit ein „summa cum laude“ verdient hätte und es gibt sicherlich einiges daran zu kritisieren. Wie das aber nun bei mir verlaufen ist, finde ich nur unfair.
Mit dem Ergebnis kann ich leben - außerhalb der Wissenschaft wird mich niemand mehr nach der Note fragen, aber es nagt einfach in mir und macht mich gleichzeitig wütend und traurig.
Danke dass ihr den langen Text gelesen habt. Ich würde mich freuen ein wenig Feedback zu bekommen, wie man am besten mit dieser Situation umgehen kann.