Schreibansatz "write quickly, edit slowly" - wie macht ihr das?

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Marie89

Schreibansatz "write quickly, edit slowly" - wie macht ihr das?

Beitrag von Marie89 »

Hallo zusammen,

ich habe mir mehrere Bücher zum Thema wie man am besten seine Doktorarbeit schreibt durchgelesen und zusammengefasst.

Fast alle Ansätze verfolgen das "write quickly, edit slowly" Prinzip. Hier soll man z.B. sich x Minuten Zeit nehmen und so viele Wörter und Seiten schreiben wie nur möglich um im Anschluss diese in Ruhe zu bearbeiten: relevante Themen identifizieren, wichtige Sachen markieren, Gemeinsamkeiten Clustern etc.

Mein Problem bisher: Die wissenschaftlichen Texte die ich zum Thema Strategic Management aus A und A+ Journals lese sind so dermaßen auf den Punkt gedacht und geschrieben, dass man diese genauestens studieren muss um Vergleiche etc. zu ziehen. So würde bei den 3-6 Seiten die ich auch die schnelle ja schreiben soll so viel Blödsinn dabei raus kommen, dass wahrscheinlich nichts davon verwendet werden kann. Auch das anschließende editieren ist in diesem Sinne nicht zielführend.

Bei den Texten die ich also lese empfinde ich es für effizienter, die wichtigsten Sachen in Citavi zu markieren, zu kategorisieren und im Anschluss (wenn ich genug Input für einen Paragraphen habe), die relevanten Stellen der Journals systematisch zusammenzufassen und auf den Punkt damit wiederzugeben (auch genannt Analyzing and Synthesizing).

Bitte korrigiert mich wenn mein Ansatz nicht effizient oder zielführend ist, aber in den Büchern wird von free-writing oder writing quickly gesprochen und ich kann bisher damit wenig anfangen. Weil wie bereits erwähnt, meine Thematik sich auf einem extrem prägnanten Level abspielt wo kein Platz für "ach ich schreib einfach mal drauf los, irgendwie wird das schon im Anschluss" ist.

Sind meine Bedenken berechtigt? Würde sich meine Denkweise ändern wenn ich noch noch noch viel tiefer im Thema wäre? Ich bin gerade etwas verunsichert.

Ich freue mich sehr auf euer Feedback und eure Erfahrungen.
Phia123
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Re: Schreibansatz "write quickly, edit slowly" - wie macht ihr das?

Beitrag von Phia123 »

Hallo,
zu dem write-quickly-Ansatz kann ich dir nicht viel sagen. Insgesamt würde ich mich nicht zu sehr darauf versteifen was irgendjemand schreibt wie man am Besten arbeiten kann. Ich hole mir hier und da auch Anregungen zur Lernmotivation oder Strukturierung, aber es muss am Ende auch in meinen Lernstil reinpassen.
Je nach Phase in der man steckt kann auch ein anderer Ansatz sinnvoll sein. Write-quickly hätte bei mir eher in die Anfangsphase gepasst.
Ich kann dir berichten wie ich arbeite (bin bei der Diss schon relativ fortgeschritten und auch in der Literaturrecherche relativ weit):
Im Prinzip habe ich 2 Vorgehensweisen:
- Ich nehme mir ein Unterkapitel vor und schreibe erst einmal stichpunktartig auf was ich mir vorstelle welche Inhalte in das Kapitel sollen. Eventuell passe ich das später noch einmal an und schiebe Gedankenteile in ein anderes Kapitel. Dann suche ich mir zu den Gedanken die Literatur heraus (habe ich meistens schon herumliegen). Auf der Grundlage der Literatur formuliere ich dann die Sätze aus. Wenn ich das Gefühl habe ich überblicke die Literatur noch nicht komplett oder ich bekomme die Themen nicht gut verzahnt, folgt folgende Vorgehensweise:
- Ich mache eine Tabelle zu dem Thema oder eine Mindmap um mich dem Thema anzunähern. Dann lege ich alles 1-2 Tage weg und schaue es mir wieder an. Dann formuliere ich die Sätze aus.

Wenn mir zwischendrin etwas zu einem anderen Kapitel einfällt, z.B. wie man 2 Themen miteinander verzahnt, dann schreibe ich es sofort dort hin und kann es dann später als Stichpunkte nutzen um sofort ins Schreiben reinzukommen.

Probiere doch einfach mal verschiedene Vorgehensweisen an einem Unterkapitel bei dir aus und schaue womit du am Besten klar kommst.
Wenn man nur die Literatur zu den entsprechenden Kapiteln raussucht und keine Stichpunkte formuliert, kann es passieren, dass du später gar nicht mehr weißt warum gerade diese Stelle dir so wichtig erschien.
Marie89

Re: Schreibansatz "write quickly, edit slowly" - wie macht ihr das?

Beitrag von Marie89 »

Hallo Phia,

vielen vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Deine Vorgehensweise ist nahezu genau die, die ich selber bis heute verfolge und auch weiter ausbauen möchte.

Da ich mir mindestens 6 Bücher intensiver angeschaut habe und wirklich ALLE dem "write quickly, edit slowly" Ansatz folgen, war ich eben irritiert. "Wieso soll ich 6 Seiten bullsh... schreiben um im Anschluss davon 5.8 Seiten zu löschen, wo doch der Abstraktionsgrad und die Präzision der Wörter und Sätze in einer völlig anderen Liga spielen".

Bitte nicht falsch verstehen: Ich verfolge nicht den Ansatz, dass ab dem ersten Satz alles perfekt geschrieben sein muss. Ganz im Gegenteil: Ich benutze Mindmaps, verschiebe Teile von A nach B, kürze, fasse zusammen, schmeiße auch einiges radikal raus. ABER - hier der drastische Unterschied zu dem "how to write a PhD" Büchern: Das alles passiert iterativ, d.h. ich verschaffe mir ein genaues Wissen über einzelne Themen, auf einer relativ granularen Ebene (also weit weit weg von ich schreibe mal eben 6 Seiten dazu runter). Das ist bereits meine Analyse Prozess. Im Anschluss folgt die Synthese: wie kann ich die Sachen logisch miteinander verbinden, zusammenfassen, indirekt zitieren etc.

Dieses Vorgehen - bzw. unser Vorgehen liebe Phia :) - widerspricht den Büchern die ich bisher gelesen habe. Daher wollte ich zumindest meine Bedenken hier mal auflisten und eine Diskussion anregen.

Wie sehen das noch andere hier?
Phia123
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Re: Schreibansatz "write quickly, edit slowly" - wie macht ihr das?

Beitrag von Phia123 »

Deine Vorgehensweise ist nahezu genau die, die ich selber bis heute verfolge und auch weiter ausbauen möchte.
Das habe ich dann auch gemerkt als ich deinen Text hinterher noch einmal gelesen habe :D

Vielleicht ist der write-quickly-Ansatz eher etwas für Leute mit einer Schreibblockade. Lieber irgendetwas schreiben als gar nichts. Und aus dem Irgendetwas dann hinterher etwas Besseres machen. Du scheinst aber ganz gut im Schreibfluss zu sein, da ist vielleicht unserer Ansatz passender.
Warum hast du denn so viel zu den Ansätzen recherchiert? Hast du das Gefühl ineffizient zu arbeiten?
Marie89

Re: Schreibansatz "write quickly, edit slowly" - wie macht ihr das?

Beitrag von Marie89 »

Ich habe leider den Drang zur Perfektion und mache mir somit vieles (im Leben) damit kaputt. Studium, Hobby, Arbeit, Selbstständigkeit, Sport, Reisen etc.

Alles ist ist bis aufs letzte miteinander kombiniert, integriert und durchdacht verzahnt. Da muss ich an mir arbeiten und alles mal lockerer sehen.

So habe ich mir 2 Tage frei genommen und in jeweils 15-Stunden-Schichten 6 Bücher durchgelesen, markiert, zusammengefasst, Mindmap mit Mindjet erstellt und aus der Zusammenfassung eine noch prägnantere Zusammenfassung auf eine einzige DIN A4 Seite gemacht :-).

Das ganze Thema ist also nach 2 Tagen für mich abgehackt und ich habe diese eine Seite die mich nun täglich begleiten "sollte". Doch wie bereits erwähnt geht der Ansatz in eine andere Richtung als unsere.
flip
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Re: Schreibansatz "write quickly, edit slowly" - wie macht ihr das?

Beitrag von flip »

Liebe Marie,

ich habe von dir den Eindruck, dass du eine Person bist, die ständig an die Hand genommen werden will. Also der gezeigt wird, wo es lang geht, damit sie dann diesen Weg perfekt meistert.
Nun hast du bereits gelernt, dass promovieren so nicht funktioniert, also fängst du an, einen Ratgeber nach dem nächsten zu lesen, in der Hoffnung, dass du dadurch deine Fragestellungen perfekt löst. Allerdings übersiehst du, dass dieses ganze Drummherum dir nur mehr Arbeit schafft und kein Stück weiter hilft. Am Anfang bist du noch beruhigt, dass du "etwas getan hast", aber mittel- bis langfristig kommst du kein Stück voran.

Also:
Wir promovieren doch beide in Wirtschaft und beide kummulativ, sehe ich das richtig?
Das war es dann wohl auch mit den Gemeinsamkeiten, denn ich...

- habe noch nie einen Promotionsratgeber gelesen.
- noch nie was von "write quickly, edit slowly" gehört (kann mir aber was darunter vorstellen, siehe unten).
- Zusammenfassungen angefertigt.
- Mindmaps angefertigt (wa zur Hölle ist ein Mindjet?!).
- vier Wochen am Stück Urlaub gemacht. ;)

:trost:

Stattdessen kapsle ich mich nicht von allen anderen ab. Ich suche Rat bei anderen Doktoranden und Professoren, fahre auf Workshops, nehme an Seminaren teil und erkenne dadurch sehr schnell meine Schwächen. Denk einmal darüber nach.

Und zu guter Letzt:
Natürlich sind Promotionsratgeber, die eine klassische Monographie behandeln, einfach nur Bullshit, wenn du stattdessen einen Artikel für ein Journal verfassen willst (egal welcher Qualität). Wie kommst du überhaupt auf die Idee, dass du das vergleichen kannst?!

Wenn ich einen Artikel schreibe (also nur die Schreibarbeit, nicht der eigentliche Forschungsaufwand), dann geht das schnell. Das geht sogar innerhalb von ein paar Tagen. Danach bin ich Wochen damit beschäftigt den Text so einfach und prägnant zu formulieren, wie er später auch im Journal vorzufinden ist. Wenn das "write quickly, edit slowly" sein soll, dann ist es das. Aber ich brauche sicherlich niemanden, der mir dafür extra einen Begriff erfindet. Und ich glaube, du auch nicht.
Marie89

Re: Schreibansatz "write quickly, edit slowly" - wie macht ihr das?

Beitrag von Marie89 »

Hallo flip,

vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Ich würde mich nicht als Hilflos oder der gleichen bezeichnen. Ich fand es nur interessant, das keines der Bücher die sonst so top bewertet sind (amazon.com), nicht mal Ansatzweise das Vorgehen von Phia und mir widerspiegeln.

Da wollte ich mal in meinem vertrauten Forum persönliche Eindrücke erfahren :).

Den write quickly, edit slowly Begriff habe ich nur als Beispiel genommen. Der fasst für mich die Thematik der Ansätze gut zusammen. Und es ging auch hierbei um Journals in den Büchern, nicht um Monos.

Als externer Doktorand bin ich leider abgekapselt. Arbeite viel und bin u.a. mehrfach selbstständig in 3 Ländern.

Die Nähe zu Professoren und anderen Doktoranden sollte ich mal wirklich aufsuchen und auch weiterbildende Seminare mit auf die Agenda nehmen.

Und ja... kurzfristig hat es einem das gute Gefühl gegeben, etwas "produktives" zu schaffen. Langsam kommt der Punkt wo ich mein Defizit in Sachen Synthese und Schreiben auf Journal Niveau als Defizit noch sehe.
Maria90
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Re: Schreibansatz "write quickly, edit slowly" - wie macht ihr das?

Beitrag von Maria90 »

Hallo Marie,

ich denke die anderen beiden haben das Wesentliche schon gesagt. Ich kann aber deine Bedenken etc. verstehen. Ich bin nämlich auch so perfektionistisch, übrigens Diss Schwerpunkt auch Management.

Ich hatte mir Anfang des Jahres zu Beginn der Diss auch einige Ratgeber angesehen, aber bis heute nicht fertig gelesen. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie mir nicht weiterhelfen, weil sie doch zu oberflächlich sind. Jetzt versuche ich meine Arbeitsweise zu finden, die perfekt zu mir passt. Auch eine Form von Perfektionismus, ist bisher auch noch nicht gelungen ;)

Ich bin auch von meiner Diss-Uni abgekapselt und habe leider wenig Kontakt zu anderen Doktoranden. Wenn das aber der Fall ist (z.B. auf Konferenzen), dann ist dies immer sehr hilfreich! Ich hatte deshalb auch mal irgendwann angefragt hier im Forum, ob jemand an regelmäßigen Austausch (kann ja über E-Mail, Skype, Telefon etc. sein) Interesse hat, weil ich glaube dass es gerade perfektionistisch verlangten Menschen helfen kann, wenn man mal mit einem externen darüber spricht...

LG
Maria
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