Quo vadis? Gedanken zum Promotionsabbruch
Verfasst: 21.07.2016, 11:35
Hallo liebe Forumsmitglieder,
ich lese hier schon eine Weile als stiller Beobachter mit und habe mich nun aus gegebenem Anlass entschlossen, mich anzumelden und selbst einen Beitrag zu verfassen. Ich möchte mich bereits im Vorhinein die Länge des Textes entschuldigen, ich habe zum besseren Verständnis meiner Situation etwas weiter ausgeholt und möchte Euch einfach mal um eine Meinung zu meinem Problem bitten.
Ich, 24 Jahre alt, habe direkt nach dem Abitur studiert und meinen Bachelor sowie meinen Master direkt hintereinander an derselben Uni abgeschlossen, an der ich seit November letzten Jahres nun auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig bin. Es handelt sich hier um eine auf 2 Jahre befristete 50% Qualifikationsstelle aus Berufungsmitteln, sprich ich soll zur Weiterfinanzierung im Rahmen meiner Diss ein eigenes Drittmittelprojekt akquirieren, der Rest ist Lehre und Verwaltungsarbeit.
Die Stelle bekam ich schon vor meinem Abschluss, ich wurde über einen befreundeten Mitarbeiter darauf aufmerksam, habe mich beworben und wurde angenommen. Im letzten Jahr gab es in meinem Privatleben einige schwerwiegende Einschnitte und ich musste meine Masterarbeit in sehr kurzer Zeit fertigstellen, daher kam mir diese unkomplizierte Lösung sehr gelegen. Ich habe mich gar nicht anderweitig umgesehen oder beworben, sondern direkt nachdem ich mein Zeugnis in der Hand hielt als WiMi angefangen. Als Student war es schon mein Wunsch, an der Uni beruflich zu bleiben, hauptsächlich weil mir meine Arbeit als Tutor und HiWi Spaß gemacht hat.
Ich hatte vor meinem Stellenantritt bereits ein Promotionsthema, wobei ich dazu auch so ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde kam. Ich habe als studentischer Mitarbeiter in einem Projekt an der Uni gearbeitet und darüber quasi eine Art Tochterprojekt angeboten bekommen, das derzeit auch den Inhalt meiner bisherigen Vorarbeiten für die Diss darstellt, angemeldet habe ich sie noch nicht. Während meines Studiums habe ich mich aber in meinen Haus- und Abschlussarbeiten mit anderen Themen beschäftigt. So richtig passt es auch eigentlich nicht zu der inhaltlichen Ausrichtung des Lehrstuhls an dem ich arbeite, aber mit viel Argumentation und Kooperationen wird eben versucht, es irgendwie passend zu machen.
Der Lehrstuhl ist sehr klein und auch noch recht neu hier, unser Büro ist deshalb nur von mir, einem Kollegen aus einem anderen Projekt, unserer Professorin und den HiWis besetzt. Zwischenmenschlich komme ich soweit mit den anderen klar, aber so richtig „warm“ werden wir irgendwie nicht. Der Austausch beschränkt sich auf das Nötigste und ich fühle mich oft mit meinen Aufgaben, mit denen ich wenig Erfahrung habe, alleine gelassen. Dadurch, dass ich in keinem Projekt eingebunden bin, nehme ich mich schon thematisch häufig als Außenseiter wahr.
Am meisten macht mir jedoch die Tätigkeit selbst zu schaffen, an der ich einfach keine Freude finden kann. Ich habe oft das Gefühl, als würde ich nach wie vor studieren und sehe oft keinen Mehrwert in dem, was ich tue. Von allen Seiten wird mir nahegelegt, dass Reputation das A und O wissenschaftlichen Arbeitens ist: so viel und so oft wie möglich publizieren, auf Tagungen und Kongressen anwesend sein und die eigene Arbeit präsentieren. Aus meiner subjektiven Perspektive heraus, ohne dabei jemanden angreifen zu wollen, heißt das meist Selbstbeweihräucherung, Schaulaufen, permanente Rechtfertigung und der Versuch, auch den redundantesten Themen Bedeutung zuzuschreiben. Das mag vielleicht auch darin begründet sein, dass ich nicht aus einem akademischen Milieu komme und zum Teil auch während des Studiums bereits Probleme damit hatte. Das führt wiederum dazu, dass ich mich nicht richtig für meine Arbeit außerhalb der Lehre, die mir immer noch sehr viel Spaß macht, motivieren kann. Wenn ich nach Hause komme habe ich nicht den Eindruck, etwas „geleistet“ zu haben und wenn ich meine eigene Zukunft antizipiere, sehe ich nicht, wo ich mit diesem Job in ein paar Jahren stehe und was mir auch die mir irgendwie fremde Diss eigentlich außer einem Titel und einem Buch wirklich persönlich bringt. Mal abgesehen davon bieten die Befristung und der Druck angesichts des Projektantrages auch nicht wirklich die angenehmsten Voraussetzungen für meine Arbeit. Zudem habe ich auch einfach meine Uni satt, ich habe wie gesagt hier studiert und sehne mich nach einer neuen Umgebung mit neuen Menschen und neuen Inhalten.
Ich habe lange über meine Lage nachgedacht und war am Anfang noch überzeugt, dass dies eine normale Phase während der Promotion ist, die von Zweifeln und Unsicherheit geprägt sein kann. Aber ich arbeite nun seit fast einem Jahr hier und mein Empfinden hat sich nicht verändert. Ich bin sehr unglücklich mit meiner Stelle und möchte einmal die Fühler ausstrecken, welche Möglichkeiten sich eigentlich außerhalb der Wissenschaft noch für mich ergeben. Ich hoffe, dass es hierbei Wege gibt, die ich bisher schlicht nicht auf meinem Radar hatte, weil ich gar nicht mal nach links und rechts geschaut habe. Die Lehre könnte ich ja über einen Lehrauftrag noch behalten, für die Diss ist es glaube ich für alle Beteiligten das Beste, abzubrechen bevor es überhaupt richtig begonnen hat. Deshalb habe ich bereits einige Stellenangebote, die für mich infrage kommen, herausgesucht und möchte mich dort bewerben. Sollte etwas Geeignetes dabei sein, kann ich mir vorstellen hier zu kündigen und etwas Neues anzufangen. Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich bisher noch kein Gespräch mit meiner Vorgesetzten diesbezüglich gesucht habe. Das liegt zum einen daran, dass ich mir die ohnehin eher bescheidene Arbeitsatmosphäre bis zu einer potenziellen Kündigung nicht verderben möchte, zum anderen weil ich mir davon keine Klärung verspreche, denn an dem System und der eigentlichen Arbeit kann auch meine Chefin nichts ändern.
Nun würde es mich freuen, von Euch als anonymen/weitestgehend objektiven Lesern eine Rückmeldung zu bekommen. Wie schätzt Ihr die Situation anhand meiner Schilderung ein? Habt Ihr vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht und wie habt Ihr das Problem gelöst? Hat jemand Tipps für die Bewerbung (wie formuliert man bspw. geschickt, dass man derzeit noch bei einem anderen Arbeitgeber ist) bzw. für den Umgang mit Vorgesetzten? Ich bin dankbar für jeden konstruktiven Beitrag und hoffe auf Antworten.
Viele Grüße,
R.
ich lese hier schon eine Weile als stiller Beobachter mit und habe mich nun aus gegebenem Anlass entschlossen, mich anzumelden und selbst einen Beitrag zu verfassen. Ich möchte mich bereits im Vorhinein die Länge des Textes entschuldigen, ich habe zum besseren Verständnis meiner Situation etwas weiter ausgeholt und möchte Euch einfach mal um eine Meinung zu meinem Problem bitten.
Ich, 24 Jahre alt, habe direkt nach dem Abitur studiert und meinen Bachelor sowie meinen Master direkt hintereinander an derselben Uni abgeschlossen, an der ich seit November letzten Jahres nun auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig bin. Es handelt sich hier um eine auf 2 Jahre befristete 50% Qualifikationsstelle aus Berufungsmitteln, sprich ich soll zur Weiterfinanzierung im Rahmen meiner Diss ein eigenes Drittmittelprojekt akquirieren, der Rest ist Lehre und Verwaltungsarbeit.
Die Stelle bekam ich schon vor meinem Abschluss, ich wurde über einen befreundeten Mitarbeiter darauf aufmerksam, habe mich beworben und wurde angenommen. Im letzten Jahr gab es in meinem Privatleben einige schwerwiegende Einschnitte und ich musste meine Masterarbeit in sehr kurzer Zeit fertigstellen, daher kam mir diese unkomplizierte Lösung sehr gelegen. Ich habe mich gar nicht anderweitig umgesehen oder beworben, sondern direkt nachdem ich mein Zeugnis in der Hand hielt als WiMi angefangen. Als Student war es schon mein Wunsch, an der Uni beruflich zu bleiben, hauptsächlich weil mir meine Arbeit als Tutor und HiWi Spaß gemacht hat.
Ich hatte vor meinem Stellenantritt bereits ein Promotionsthema, wobei ich dazu auch so ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde kam. Ich habe als studentischer Mitarbeiter in einem Projekt an der Uni gearbeitet und darüber quasi eine Art Tochterprojekt angeboten bekommen, das derzeit auch den Inhalt meiner bisherigen Vorarbeiten für die Diss darstellt, angemeldet habe ich sie noch nicht. Während meines Studiums habe ich mich aber in meinen Haus- und Abschlussarbeiten mit anderen Themen beschäftigt. So richtig passt es auch eigentlich nicht zu der inhaltlichen Ausrichtung des Lehrstuhls an dem ich arbeite, aber mit viel Argumentation und Kooperationen wird eben versucht, es irgendwie passend zu machen.
Der Lehrstuhl ist sehr klein und auch noch recht neu hier, unser Büro ist deshalb nur von mir, einem Kollegen aus einem anderen Projekt, unserer Professorin und den HiWis besetzt. Zwischenmenschlich komme ich soweit mit den anderen klar, aber so richtig „warm“ werden wir irgendwie nicht. Der Austausch beschränkt sich auf das Nötigste und ich fühle mich oft mit meinen Aufgaben, mit denen ich wenig Erfahrung habe, alleine gelassen. Dadurch, dass ich in keinem Projekt eingebunden bin, nehme ich mich schon thematisch häufig als Außenseiter wahr.
Am meisten macht mir jedoch die Tätigkeit selbst zu schaffen, an der ich einfach keine Freude finden kann. Ich habe oft das Gefühl, als würde ich nach wie vor studieren und sehe oft keinen Mehrwert in dem, was ich tue. Von allen Seiten wird mir nahegelegt, dass Reputation das A und O wissenschaftlichen Arbeitens ist: so viel und so oft wie möglich publizieren, auf Tagungen und Kongressen anwesend sein und die eigene Arbeit präsentieren. Aus meiner subjektiven Perspektive heraus, ohne dabei jemanden angreifen zu wollen, heißt das meist Selbstbeweihräucherung, Schaulaufen, permanente Rechtfertigung und der Versuch, auch den redundantesten Themen Bedeutung zuzuschreiben. Das mag vielleicht auch darin begründet sein, dass ich nicht aus einem akademischen Milieu komme und zum Teil auch während des Studiums bereits Probleme damit hatte. Das führt wiederum dazu, dass ich mich nicht richtig für meine Arbeit außerhalb der Lehre, die mir immer noch sehr viel Spaß macht, motivieren kann. Wenn ich nach Hause komme habe ich nicht den Eindruck, etwas „geleistet“ zu haben und wenn ich meine eigene Zukunft antizipiere, sehe ich nicht, wo ich mit diesem Job in ein paar Jahren stehe und was mir auch die mir irgendwie fremde Diss eigentlich außer einem Titel und einem Buch wirklich persönlich bringt. Mal abgesehen davon bieten die Befristung und der Druck angesichts des Projektantrages auch nicht wirklich die angenehmsten Voraussetzungen für meine Arbeit. Zudem habe ich auch einfach meine Uni satt, ich habe wie gesagt hier studiert und sehne mich nach einer neuen Umgebung mit neuen Menschen und neuen Inhalten.
Ich habe lange über meine Lage nachgedacht und war am Anfang noch überzeugt, dass dies eine normale Phase während der Promotion ist, die von Zweifeln und Unsicherheit geprägt sein kann. Aber ich arbeite nun seit fast einem Jahr hier und mein Empfinden hat sich nicht verändert. Ich bin sehr unglücklich mit meiner Stelle und möchte einmal die Fühler ausstrecken, welche Möglichkeiten sich eigentlich außerhalb der Wissenschaft noch für mich ergeben. Ich hoffe, dass es hierbei Wege gibt, die ich bisher schlicht nicht auf meinem Radar hatte, weil ich gar nicht mal nach links und rechts geschaut habe. Die Lehre könnte ich ja über einen Lehrauftrag noch behalten, für die Diss ist es glaube ich für alle Beteiligten das Beste, abzubrechen bevor es überhaupt richtig begonnen hat. Deshalb habe ich bereits einige Stellenangebote, die für mich infrage kommen, herausgesucht und möchte mich dort bewerben. Sollte etwas Geeignetes dabei sein, kann ich mir vorstellen hier zu kündigen und etwas Neues anzufangen. Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich bisher noch kein Gespräch mit meiner Vorgesetzten diesbezüglich gesucht habe. Das liegt zum einen daran, dass ich mir die ohnehin eher bescheidene Arbeitsatmosphäre bis zu einer potenziellen Kündigung nicht verderben möchte, zum anderen weil ich mir davon keine Klärung verspreche, denn an dem System und der eigentlichen Arbeit kann auch meine Chefin nichts ändern.
Nun würde es mich freuen, von Euch als anonymen/weitestgehend objektiven Lesern eine Rückmeldung zu bekommen. Wie schätzt Ihr die Situation anhand meiner Schilderung ein? Habt Ihr vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht und wie habt Ihr das Problem gelöst? Hat jemand Tipps für die Bewerbung (wie formuliert man bspw. geschickt, dass man derzeit noch bei einem anderen Arbeitgeber ist) bzw. für den Umgang mit Vorgesetzten? Ich bin dankbar für jeden konstruktiven Beitrag und hoffe auf Antworten.
Viele Grüße,
R.