Ich wollte hier kurz meine Erfahrungen aus meiner abgeschlossenen Industriepromotion wiedergeben; vielleicht helfen sie ja zukünftigen Doktoranden.
Kurz zu meiner Ausgangssituation: nach meinem Diplom habe ich ca. 3 Jahre in der IT-Beratung gearbeitet; im Anschluss daran sollte die externe Promotion im Unternehmen stattfinden. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keinen Doktorvater. Über mein Netzwerk kam ich an eine externe Promotion / Industriepromotion bei einem großen deutschen Autobauer; das Unternehmen hatte eine Doktorandenstelle auf 3 Jahre ausgeschrieben und wollte diese auch dringend besetzen, da es sich zur Mitarbeit in einem staatlich geförderten Forschungsprojekt verpflichtet hatte. An dem Forschungsprojekt war auch der Lehrstuhl meines späteren Doktorvaters beteiligt. Ich war organisatorisch im Unternehmen verortet, hatte dort auch meinen Arbeitsplatz. Mein Doktorandenvertrag sah je eine hälftige Aufteilung meiner Zeit für die Forschung und für die Mitarbeit im Unternehmen an anderen Themen vor.
Da ich aufgrund vieler verschiedener Umstände nicht innerhalb der vorgesehenen drei Jahre meine externe Promotion abschließen konnte, bin ich Vollzeit ins Unternehmen gewechselt und habe die Feierabende, Urlaube und Wochenenden von mehreren Jahren verwendet, um die Arbeit danach noch fertig zu schreiben.
Aber ich habe es geschafft und konnte am Ende meine Arbeit einreichen und und erfolgreich verteidigen. Dabei waren mein Doktorvater und mein Lehrstuhlbetreuer von unschätzbarem Wert. Es war ein Happy End, aber zu einem hohen Preis.
Lessons Learned:
- Um einen Doktorvater für eine externe Promotion zu finden, bedarf es aus meiner Erfahrung eines Deals zwischen dem Unternehmen und dem betreuenden Lehrstuhl; eine Hand wäscht da die andere. Zum Beispiel könnte das Unternehmen ein Stipendium für Mitarbeiter am Lehrstuhl sponsoren, oder es finanziert ein Forschungsprojekt, o.ä. Mein Doktorvater war beispielsweise der Professor des Lehrstuhl, der auch an dem Forschungsprojekt beteiligt war. Idealerweise hat das Unternehmen bereits einen Professor an der Hand, sobald es eine Industriepromotion ausschreibt.
- Vor der Unterzeichnung des Doktorandenvertrages sollte man darauf drängen, dass die Konditionen für eine erfolgreiche Forschungstätigkeit im Unternehmen gegeben sind. Zum einen sollte man ein Reisebudget bekommen, das die Fahrtkosten und die Gebühren von Workshops und Tagungen abdeckt; da kommen pro Konferenz schon mal mehrere hundert Euro zusammen! Dies ist umso wichtiger, als manche Professoren für eine gelungene Promotion erwarten, dass man einige Forschungspapers publiziert und auf Konferenzen präsentiert.
- Zum anderen ist eine langfristige organisatorische Verortung im Unternehmen entscheidend; eine Umorganisation des Unternehmens kann dazu führen, dass man sich plötzlich in einer Abteilung wiederfindet, die mit Forschung und dem eigenen Diss-Thema nichts am Hut hat. Ideal wäre es, wenn man in der Konzern-eigenen Forschungsabteilung landen kann. Des weiteren sollte das Thema langfristig positioniert sein und ein Kernanliegen der Abteilung/Gruppe sein, in der man im Unternehmen tätig ist. Am besten wählt man das Unternehmen so, dass das eigene Thema zum direkten Geschäftsfeld des Unternehmens gehört; meine eigene Wahl, bei einem Autobauer ein Business-IT-Thema zu erforschen, war im Nachhinein eher hinderlich.
- Die Vorstellungen des Unternehmens und die der Universität stehen in einem systemimmanenten Konflikt: das Unternehmen strebt nach direkter Verwertbarkeit / Rendite / praktischen Nutzen der Forschungsergebnisse, die Universität strebt nach wissenschaftlicher Relevanz. Ein Thema zu finden, das beide Ziele befriedigt, schätze ich als schwierig ein; dadurch entsteht das Risiko, es keinem der beiden Herren Recht zu machen. Daher muss das Ziel sein, die Universität vorrangig zufrieden zu stellen, da nur sie am Ende den Doktortitel verleihen kann.
- Netzwerke an andere Lehrstühle oder mit Post-Docs sind Gold wert. Gerade als externer Doktorand hatte ich das Problem, von alleine relativ wenig wissenschaftlichen Austausch zu erfahren. Da gilt es, selbst aktiv zu werden.
- Meine persönliche Meinung ist, dass Doktorandenprogramme in der Industrie im wesentliche eine Rekrutierungsmaßnahme sind, bei der sich das Unternehmen den Doktoranden als potentiellen Mitarbeiter in aller Ruhe anschauen kann und falls er/sie sich als tauglich erweist, ihn direkt an sich binden kann. Dass am Ende des Doktorandenvertrags auch die Dissertation fertig ist, ist kein primäres Ziel des Unternehmens.
- Neben einem Vollzeitjob ist es fast unmöglich zu promovieren, v.a. wenn man noch ein Privatleben, Urlaub und Freizeit möchte.
- Eine Promotionsvereinbarung mit dem Lehrstuhl ist sinnvoll; so ist zumindest sichergestellt, dass man an der ursprünglich gewählten Uni fertig promovieren kann, falls der Doktorvater ausfallen sollte.
- Als externer Doktoranden kann man naturgemäß nur unregelmäßig am betreuenden Lehrstuhl sein. Daher bekommt man viel vom Flurfunk und von den Neuigkeiten am Lehrstuhl nicht mit, gerade wenn es um Änderungen der Prüfungsordnung, den Lehrstuhl-internen Vorgaben zur Promotion o.ä. geht. Ich hatte den Eindruck, dass ich viele geschriebenen und v.a. ungeschriebenen Gesetze, Rituale, Regeln und Vorgaben nicht kannte und daher immer wieder angeeckt bin. Das geht von bestimmten forschungsmethodischen Überzeugungen bis hin zu Vorgaben zu Publikationen und Teilnahmen an Konferenzen. Eine enge Abstimmung mit dem Betreuer am Lehrstuhl ist daher absolut empfehlenswert, um diese kulturellen Aspekte richtig zu verstehen.