Promoviert und dennoch eine fachliche Null

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OnkelSam

Promoviert und dennoch eine fachliche Null

Beitrag von OnkelSam »

Guten Morgen,

ich muss hier mal was los werden, was mich schon seit längerem beschäftigt. Ich stehe kurz vor meiner Promotion und komme mir allgemein nicht gerade wie ein Experte in meinem Themengebiet vor, obwohl ich innerhalb von drei Jahren eine ziemlich lange Publikationsliste habe und mich meine Kollegen als einen Experten sehen. Ich weiß, einige von euch werden jetzt denken, dass ist Jammern auf hohem Niveau, aber dennoch wollte ich mal ein Thema ansprechen, was mich schon seit längerem beschäftigt. Deshalb hab ich mich hier angemeldet.

Mein Abitur habe ich auf dem 2. Bildungsweg gemacht und anschließend habe ich an der Universität eine Naturwissenschaft studiert. Das Studium konnte ich "mit Auszeichnung" beenden. Aus meiner persönlichen Sicht war das aber keine große Sache, weil ich sehr strebsam und diszipliniert an die Sache ran gegangen bin. Während des Studiums war ich sehr an dem Fach interessiert, habe meine Übungen immer mit großer Leidenschaft gemacht. Dabei war das Internet und diverse Foren sehr hilfreich, d.h. häufig habe ich mir hier Anregungen geholt, um die Aufgaben überhaupt lösen zu können. Auf die Prüfungen habe ich mich mit ebenso hoher Disziplin vorbereitet, d.h. ich habe mind. 3 Wochen vorher angefangen intensiv zu lernen, habe mir Prüfungsprotokolle aus der Fachschaft geholt und mich so ganz spezifisch auf die Prüfungen vorbereiten können. Während meiner Masterarbeit war ich ebenfalls ein akribischer Arbeiter, habe jeden Tag mehrere Stunden investiert und auch hier wurde mein Aufwand von Seitens des Betreuers honoriert.
Das wissenschaftliche Arbeiten machte mir Spaß und deshalb wollte ich noch eine Doktorarbeit schreiben. Nachdem in meinem Fachgebiet die Stellen rar waren und nur halbe Stellen finanziert wurden, habe ich mich entschlossen das Fachgebiet zu wechseln. Das Thema hat mich von Anfang an nicht zu 100 % überzeugt, aber aufgrund der Drittmittel hatte ich eine volle Stelle und immer wieder Industriekontakt. Anfangs wurden wir von Seiten der Industriepartner ziemlich fertiggemacht, weil weder mein Prof noch ich, wirklich Ahnung hatten von dem was wir da tun sollten. Allerdings habe ich mich auch hier reingebissen und im Rahmen meiner Möglichkeiten viel herausgeholt. Nach knapp drei Jahren stehe ich bei 9 Publikationen und werde meine Dissertation (nicht kumulativ) in den nächsten Wochen wohl abgeben. Die Publikationen waren sicherlich nicht auf Top-Konferenzen oder Journals, sondern eher Konferenzen mit einer hohen Acceptance Rate.
Aufgrund dessen, dass mir das Thema nicht zu 100 % liegt, habe ich mich nicht so damit auseinandergesetzt, wie man es vielleicht tun sollte. Ich kenne genügend Kollegen die einfach dafür brennen was sie tun und die gerne länger im Büro bleiben, um weiterzukommen etc. Das war sicherlich bei mir nie der Fall.

Worauf ich letzten Ende hinaus möchte: Am Lehrstuhl bin ich ständig immer noch der Naturwissenschaftler und wenn es eine Frage zu irgendeinem Thema meines Studienfachs gibt, was ich normalerweise noch aus dem Grundstudium wissen müsste, kommen die Leute zu mir. Leider kann ich ihnen in den meisten Fällen nicht weiterhelfen, weil ich es selbst nicht mehr weiß. Ich habe es einfach vergessen. Dabei geht es wirklich um banale Dinge, die man teilweise noch aus der Schule wissen müsste. Ich mein haltet euch das mal vor Augen: Ich habe das Fach studiert, ganze fünf Jahre mich intensiv damit beschäftigt und einen Topabschluss, aber ich komme mir so vor als wüsste ich überhaupt nichts mehr! Nada! Das einzige was noch sitzt ist das Schulwissen. Ich hab auch nie gelernt mein Wissen auf konkrete Probleme anzuwenden. Wenn ich jetzt in die Zukunft schaue wird es mir Angst und Bange. Ich komme mit einem Dr.-Ing. irgendwo hin und die Leute zahlen mir wahrscheinlich gutes Geld, aber ich muss dafür ja auch was leisten. Die Situation verschlimmert sich dadurch, dass das Themengebiet worüber meine Dissertation handelt nicht länger für mich eine Rolle spielt. Ich möchte mich wieder neu orientieren, möglicherweise auch in Richtung meines Studienfachs oder auch gerne Richtung einer anderen Ingenieursdisziplin, wo ich allerdings überhaupt keine Referenzen vorzuweisen habe.

Mein Chef hat mir auch eine Stelle als PostDoc angeboten, aber für mich war eigentlich immer klar max. 3 Jahre am LS zu verbringen und anschließend in die Industrie zu wechseln. Allerdings fällt mir jetzt schon auf, dass mir selbst bei so einfachen Projektgesprächen das Durchsetzungsvermögen und vorallem die Schlagfertigkeit fehlt. Ich kann mich einfach gegen andere Professoren etc. nicht so wirklich behaupten, weil ich einfach von meinem eigenen Können und meiner eigenen Arbeit nicht überzeugt genug bin. Das führt dazu, dass ich mich schnell einschüchtern lasse und dann häufig sehr abwesend bin mit meinen Gedanken - ja, eigentlich mit mir selbst beschäftigt in dem Moment. Ich habe die Sorge, dass es in der Industrie für mich noch viel schlimmer werden könnte. Ich bin ja auch dort ein Anfänger und die Leute bauen möglicherweise auf mein erlerntes Wissen, welches aber nur zum Teil vorhanden ist. Zumal ich ja ohnehin den Fachbereich bzw. die Branche wechseln möchte. Ich bin recht vergesslich geworden die letzten Jahre. Irgendwie erhalte ich den Schein immer Aufrecht, auch weil ich eben so diszipliniert bin. Wenn jemand von mir etwas benötigt und sagt bis nächste Woche, bin ich meistens schon nach 2 Tagen damit fertig - solange es sich umsetzen lässt!

Ich glaub man kann gut herauslesen, dass es mit meinem Selbstbewusstsein nicht so gut steht! Wahrscheinlich bin ich auch so pessimistisch eingestellt und mal gerne alles schwarz. Es gab Fälle in der Arbeit, wo ich mich kaum getraut habe etwas vorzuzeigen und andere meinten "super Leistung", "genialer Ansatz" etc. Also irgendwoe ist die Selbstwahrnehmung und die Einschätzung anderer komplett verschieden. Ich frage mich wirklich, wann mal jemand dahinter kommt, dass es alles andere als eine "super Leistung" war! Ich glaube man will mich wahrscheinlich auch nicht demotivieren...

Zusammengefasst habe auf dem Papier einen Top-Universitätsabschluss und voraussichtl. in diesem Jahr einen Dr.-Ing. und ich weiß im Endeffekt nicht wie es weitergehen soll. Ich fühle mich von meinem fachlichen Wissen als auch von meinen Softskills her nicht so weit, als könnte ich irgendwann mal ein Team oder so führen, obwohl das schon mein großer Wunsch ist. Ich möchte Verantwortung übernehmen und etwas bewegen und natürlich auch in diesen Gehaltsligen irgendwann mal mitspielen.

Kennt ihr vielleicht ähnliche Fälle, habe ähnliche Erfahrungen durchgemacht oder könntet mir ein paar Ratschläge geben, wie ich damit besser klar komme?

Viele Grüße,
OnkelSam
Eva
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Re: Promoviert und dennoch eine fachliche Null

Beitrag von Eva »

Lieber OnkelSam,

das Kind hat einen Namen - "Hochstapler-Syndrom" / "Impostor Syndrome"! (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Hochstapler-Syndrom) Lies dich dazu mal ein bisschen ein, ich bin sicher, du wirst dich wiedererkennen und auf nützliche Anregungen zur Überwindung stoßen. Ein wenig hast du ja schon selbst erkannt, dass deine eigene Wahrnehmung deutlich von der anderer abfällt, was deine eigenen Leistungen angeht, nur ziehst du daraus den (m.E. falschen) Schluss, dass sich alle anderen in ihrer Einschätzung irren und nur du weißt, wie es wirklich ist. Das Gegenteil ist der Fall, die anderen haben Recht! :P

Und mal ganz praktisch gedacht: Niemand wird von dir in einem Job erwarten, dass du alles, was du jemals gelernst hast, in 5 Sekunden abrufen kannst! Ich könnte das auch nicht, erwarte es aber auch nicht (mehr) von mir. Ich habe selbst in einem Fach promoviert, das ich vorher nur im Rahmen eines Diplomstudiengangs studiert hatte, als eines von vielen, deshalb kenne ich dieses Quereinsteiger-Minderwertigkeitsgefühl gegenüber denen, die das Fach "richtig" studiert hatten vor der Promotion. Aber mal ehrlich - wer von denen weiß denn noch alles, was im Studium dran war?! 8) Wie nachhaltig sind 1-2 Semester Einführung in ein Fachgebiet, das man später nicht vertieft? Uns fehlen halt auch diese Einführungen, na und?! Wichtig ist, dass du mit deinem Abschluss diverse Schlüsselqualifikationen unter Beweis gestellt hast - du kannst dich in ein neues Thema einarbeiten, du hast Biss, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen... DAS will ein künftiger Arbeitgeber von dir, den Rest lernst du, wenn es soweit ist!

Alles Gute! :blume:
bbb

Re: Promoviert und dennoch eine fachliche Null

Beitrag von bbb »

Hallo OnkelSam,

ich gehe mal davon aus, dass das eine ernst gemeinte Frage ist und keim Spam und antworte auch ernst darauf, in jedem Fall hat die Frage großes "Troll-Potenzial"

Ein paar Gedanken von mir:

Akademische Würden bedeuten nicht automatisch, dass man von irgendwas Ahnung hat.
Eine gewisse Bescheidenheit ist aus meiner Sicht eine angenehme Eigenschaft, aber karrieretechnisch weiter kommt man vermutlich in den meisten Fällen ohne sie.

Meine Erfahrung (auch aus der Industrie): Leute, die es schaffen, Ihr Halbwissen (oder sogar fehlerhafte Informationen) mit Überzeugung rüberzubringen, kommen damit meistens durch (solange sie nicht auf jemand anderen treffen, der es wirklich besser weiß oder widerlegen kann).
Das soll jetzt nicht heißen, dass Du im Brustton der Überzeugung irgendwelchen Quark verbreiten solltest, aber wenn man zu bescheiden/zurückhalten und nicht-selbstbewusst auftritt, ist das definitiv in vielen Fällen von Nachteil.

Du solltest Dir also in jedem Fall auch mal bewusst machen, was Du doch alles weißt und kannst, was für andere nicht selbstverständlich ist - ich bin sicher, davon wird es (trotz Vergessen) einiges geben.

Und Grundlagenwissen aus dem Studium, das ich danach nie wieder gebraucht habe, habe ich leider auch oft nicht parat, aber man kann sich schnell wieder einlesen.
Ich halte es auch für wichtiger, schnell Dinge dazuzulernen als alles Detailwissen aus dem Studium abrufbar zu haben.
Andererseits kommt es aber auch nicht gut, wenn man jede einfache Frage mit "weiß ich nicht" beantwortet...

Ein Coaching/ eine psycholog. Beratung könnte Dir nach dem, was Du schreibst, vermutlich nicht schaden, damit Du Deine eigenen Leistungen positiver einschätzen, weniger selbstkritisch an die Sache herangehen und damit auch insgesamt selbstbewusster auftreten kannst.
barbara

Re: Promoviert und dennoch eine fachliche Null

Beitrag von barbara »

bbb hat geschrieben: Meine Erfahrung (auch aus der Industrie): Leute, die es schaffen, Ihr Halbwissen (oder sogar fehlerhafte Informationen) mit Überzeugung rüberzubringen, kommen damit meistens durch (solange sie nicht auf jemand anderen treffen, der es wirklich besser weiß oder widerlegen kann).
Das soll jetzt nicht heißen, dass Du im Brustton der Überzeugung irgendwelchen Quark verbreiten solltest, aber wenn man zu bescheiden/zurückhalten und nicht-selbstbewusst auftritt, ist das definitiv in vielen Fällen von Nachteil.
Wie wahr....mein Selbstbewusstsein ist nicht halb so angeknackst wie Deines. Trotzdem: wenn ich bei Fachfragen mit dem wissenschaftler-typischen "unter der und der Annahme und diesen Umständen ist das so, wobei der Effekt zwar nachweisbar, die Ursache jedoch ungeklärt ist" antworte, hört mein Gegenüber bereits nach dem zweiten Wort nicht mehr zu und hält mich für unfähig (oder kompliziert oder beides).

Erkläre ich einfach: "Ich kenne mich aus, habe darüber promoviert: Grüne Staubsauger saugen besser wie rote - ganz klar" dann erzählen die das auch im Brustton der Überzeugung weiter....kam ja vom Experten....

Es ist vertrackt......allerdings auch verständlich. Du willst ein Haus bauen? Dein erstes? Hast keine Ahnung? Reicht Deine Kohle? Eine Aussage des Architekten "das Burj Khalifa hat 1,5 Millarden gekosten, der Carport von Hr Schmid 500 Euro" hilft da einfach nicht weiter. Mit "Einfamilienhaus = 150.000,- Euro" bist Du da besser bedient.

Seither versuche ich aus meinen Ergebnissen Faustformeln abzuleiten. Einziges Kriterium: Die Anwendung der Faustformel muss im Mittel zu einem besseren Ergebnis führen als die Anwendung völliger Ahnungslosigkeit. Das funktioniert zunehmend weniger schlecht. Davor hatte ich chronische Akzeptanzprobleme. Was ich getan, gesagt, gerechnet, erkundet hatte, wurde ausserhalb der wissenschaftlichen Welt KEIN BISSCHEN wahrgenommen.

Mut!
OnkelSam

Re: Promoviert und dennoch eine fachliche Null

Beitrag von OnkelSam »

Vielen Dank für die bisherigen Antworten.

Ich habe tatsächlich lange überlegt, ob ich mit meinen Gedanken mich hier anmelden soll. Gerade weil es viele als "Troll" oder Spam abtun. Aber ich kann euch beruhigen, es sind tatsächlich Fragen die mich tagtäglich beschäftigen.

Über ein Coaching habe ich auch schon mal nachgedacht. Ich merke gerade in letzter Zeit, dass sich die Situationen häufen. Ich habe auch sonst das Problem, alles zu sehr an mich heran zu lassen, sprich ich nehme häufig Dinge recht persönlich, welche vielleicht nur als Spaß gedacht waren. Ich hadere dann und denke tage-/wochenlang über diese Situation nach etc.
Habt ihr Tipps wo man sich nach solchen Trainings umsehen könnte?

Diese Probleme verschlimmern sich eben auch dadurch, dass ich nach meiner Promotion ernsthaft in Erwägung ziehe die Thematik zu wechseln. Ich bin schon lange an einem bestimmten Industriezweig interessiert, aber es hat sich einfach nie die Möglichkeit ergeben mich in diesem Bereich fortzubilden. Bei meinen ersten Bewerbungen habe ich deshalb auch klare Absagen bekommen. Ich habe das Gefühl, dass der künftige Arbeitgeber auch ein großes Interesse an meiner fachlichen Qualifikation hat. Alleine die SoftSkills, welche man aufgrund einer Promotion erlent hat, werden dafür nicht ausreichen.
oclock
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Re: Promoviert und dennoch eine fachliche Null

Beitrag von oclock »

Vergessen ist doch völlig normal.
Bei mir kommt es oft vor, daß ich irgendwas was ich mal gelernt habe benötige und fange dann erstmal an zu googeln oder in Büchern nachzuschlagen. Das einzige was ich schnell Abrufbereit habe sind die Dinge, die ich vor noch nicht all zu langer Zeit benötigt habe, danach verblasst das Wissen wieder. Ich erschrecke manchmal auch, wie schnell Details meiner Promotion "weg" waren. Aber wenn ich mir dann meine Diss ansehe ist es wieder da. Und zwar ohne es nochmal lernen zu müssen. Erste Erkenntnis: Ich weiß, daß ich das mal wußte und weiß wonach ich suchen muß.

Ich kenne niemanden, der alles gelernte seines Studiums im Kopf hat. Und ja, das kann manchmal frustrierend sein und ja, ich habe mir auch mal Kommentare anhören müssen wie: "Das solltest Du doch wissen. Du hast das studiert.". Ich habe mich mit Kollegen unterhalten und bei denen ist es genauso. Zweite Erkenntnis: Ich bin normal :-)

Im übrigen habe ich schon so viele Professoren dabei erwischt, Halbwissen zu verbreiten. Aber mit einem Selbstbewußtsein, daß man es ihnen geglaubt hat. That's the trick :-)
itsme

Re: Promoviert und dennoch eine fachliche Null

Beitrag von itsme »

oclock hat geschrieben: Im übrigen habe ich schon so viele Professoren dabei erwischt, Halbwissen zu verbreiten. Aber mit einem Selbstbewußtsein, daß man es ihnen geglaubt hat. That's the trick :-)
:roll: Du sagst da was Wichtiges. Mein DV hat in ganz, ganz vielen Bereichen Wissen auf Einführungsveranstaltungsniveau, ist aber in keinem Gebiet wirklich ausgewiesen. Und ich hab so oft gehofft, dass er mal nicht sofort "absenft", sondern lieber mal sagt "Halt, stop, bevor ich hier was Falsches sage, möchte ich das lieber noch mal nachschlagen!". Der ist vollkommen unbeleckt von irgendeinem Zweifel. Das Schlimme ist, dass er so auch Anträge mit leeren Versprechungen schreibt und als MA sitzt du dann da und versuchst die Quadratur des Kreises.

@OnkelSam: Ich weiß gar nicht, ob deine Umgebung wirklich von dir erwartet, dass du immer alles weißt, nur weil es mit deinem Studium zusammenhängt. Ich hab in interdisziplinären Teams gearbeitet und die gegenseitige Erwartungshaltung sah' eher so aus, dass wir voneinander erwartet haben, das der jeweils andere die Kompetenzen hat, eine Frage zu bearbeiten. Ein bisschen sperrig ausgedrückt, aber was ich meine, ist Folgendes: Ich würde mißtrauisch, wenn jemand eine Antwort nur so rausschießt. Wenn er aber antwortet "Da komme ich später noch mal auf dich zurück, ich denke, ich weiß, wo ich nachschlagen kann.", dann habe ich das Gefühl, dass meine Frage ernst genommen wird und in guten Händen ist. Umgekehrt würde ich es auch so handhaben: Wird' mir eine Frage gestellt, gehe ich kurz in mich, ob ich die Antwort zur Hand habe, ansonsten biete ich an, mir das nochmal anzugucken. Und dann habe ich natürlich einen Vorteil, weil ich durch's Studium so ein Grundgerüst habe und weiß wo ich gucken muss. Damit verhinderst du auch, dass du dich in einer selektiven Wahrnehmung verfängst und die nur an die Momente erinnerst, in denen du die Antwort nicht sofort gewusst hat - was nicht gut für's persönliche Selbstvertrauen ist.

Nachtrag: Noch eine Anmerkung, auch wenn die wirklich schwierig ist. Auch wenn du keine Verpflichtung hast, immer alles zu wissen - du hast aber eine Verpflichtung, deine Selbstzweifel anzugehen (sorry, wenn das jetzt sehr direkt ist). Aber sehr unsichere Menschen, die viel Bestätigung von außen brauchen, sind nunmal in einem Team auch schwierig. Wenn deine Kollegen das Gefühl bekommen, sie müssten ständig cheerleaden ("Super Idee, tolles Konzept!"), trauen sie sich vllt. nicht mehr inhaltliche, berechtigte Kritik zu äußern - und das ist für alle belastend. Für beide Seiten kann es dann entlastend sein, Kritik deutlich einzuladen. Für deine Kollegen ist es gut, sagen zu können, was ihnen auf dem Herzen liegt - und für dich ist es gut, zu wissen, woran du bist. Du bekommst so die Gelegenheit festzustellen, dass es dich nicht umbringt, wenn jemand mal enttäuscht von dir ist oder meint, dass du hinter deinen Möglichkeiten zurückbleibst.
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