Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

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frida

Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von frida »

Liebe doktorandInnen,

schön, dass es euch und dieses forum gibt. Ich habe bereits viel gelesen und aus den erfahrungen anderer lernen könne. Und manchmal tut es auch einfach gut, dass andere ebenfalls einmal an dem gleichen Punkt standen wie ich selbst. :-) Kurz zu mir: Ich bin noch am überlegen, ob ich die "promotionsreise" (sozialwissenschaft) tatsächlich antreten soll. Zurzeit habe ich einen vollzeit Job in der verwaltung, aus dem heraus ich vermutlich auch mein Thema entwickeln werde. Eine Reduzierung meiner Arbeitszeit ist möglich, einen betreuer habe ich bereits im auge, ausreichend ehrgeiz/ leistungswillen sind vorhanden, ebenso wie leidensfähigkeit und durchhaltevermögen.

Darum dreht sich meine frage: wann seid ihr während eurer promotion glücklich und was genau macht euch glücklich? Ich frage, weil ich meine Masterarbeit zwar mit sehr gut abgeschlossen habe, aber glücklich war ich dabei fast nie. Höchstens bei der notenvergabe. Zu dem zeitpunkt konnte ich auch endlich ein bisschen anerkennen, was ich geleistet habe. Ich bin sehr gut im erbringen von leistung, aber im glücklich sein bzw. werden eher nicht... Nun möchte ich durch die diss aber nicht wieder in so ein extremes Hamsterrad aus leistung, leistung, Leistung und das übrige leben verschwindet kommen. :? Ich möchte jetzt mit einigen jahren abstand zu meinem master in einem von mir gewählten thema promovieren, aber ohne mein leben (wieder) zu verlieren. Wenn ich mir nun die meisten threads durchlese, sehe ich recht wenig glücklich sein durch die diss/ das wissenschaftliche arbeiten bzw. wird es nicht thematisiert... Das macht mir ehrlich gesagt angst, denn es handelt sich ja um jahre eines lebens, also einen sehr langen zeitraum, in dem frau an der diss rumwerkelt. Und das sollte doch auch freude/ Glück ins eigene Leben bringen (?). Ich komme auf diese Frage auch dadurch, weil ich in den letzten Jahren durch meine Gesundheit oder die der Leute in meinem Umfeld  immer wieder auf die frage komme, was mir wirklich wichtig ist im leben. Es kann einfach so schnell vorbei sein oder frau kann nicht mehr so (z. B. schnell) wie sie möchte... Selbstverständliches  wird plötzlich zu einer riesenherausforderung, wie zum Beispiel einen Stift zu halten oder ohne schmerzen sitzen zu können... Vielleicht gibt es ja auch bedingungen, die ich als womöglich-bald-doktorandin schaffen bzw. kreieren kann, um während bzw. durch das wissenschaftliche Arbeiten glücklich zu sein? Quasi einen Glücksfahrplan für die diss-zeit...

Hoffentlich habe ich jetzt nicht zu viel geschrieben und meine frage ist verständlich? (ich schreibe sonst nichts im Internet und die Gepflogenheiten als schreibende in foren sind mir nicht so bekannt). Ich bin gespannt auf eure antworten und freue mich über jede anregung!

Liebe grüße & einen schönen restsonntag,
frida
Lyra

Re: Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von Lyra »

Ich finde, du stellst damit eine sehr wichtige Frage. Nach der Überwindung einer schweren Promotionskrise dieses Jahr kann ich im Moment für mich sagen: Ja. Meine Ausgangs- und Promotionsbedingungen sind aber auch ganz andere als deine (obwohl ebenfalls sozialwissenschaftliches Fach).

Allgemeiner lässt sich die Frage nicht beantworten, ohne sich vorher selbst zu fragen, was einen denn eigentlich glücklich macht. Macht dich wissenschaftliches Arbeiten glücklich? Hast du Spaß (!) daran, Bücher zu lesen, nachzudenken, Theorien kritisch zu hinterfragen und daraus neue, eigene Erkenntnisse zu gewinnen? Mich befriedigt das intellektuell - allerdings nur, und das ist sicher eine meiner zentralen Erkenntnisse aus meiner Krise, wenn die Rahmenbedingungen wie Betreuung (!!!), finanzielle Absicherung, Arbeitsverhältnis, zeitliche Ressourcen für die Diss (aber ebenso auch andere Dinge wie Job, Freizeit, dissfremde wissenschaftliche Aktivitäten... usw.) stimmen. In so einer Phase, in der alles weitestgehend "läuft", macht mich die wissenschaftliche Tätigkeit, zu der ja noch viel mehr gehört als nur das Schreiben und Arbeiten an der Diss, glücklich und befriedigt mich. Diesen Zustand im eigenwilligen Uni-Kosmos herzustellen, kostet allerdings meistens sehr viele Nerven, Geduld und Durchhaltevermögen.
CD45

Re: Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von CD45 »

Es ist ein auf und ab. Wirklich glücklich scheinen nur die zu sein, die gerade erst angefangen haben und noch nicht wissen wie viel Druck und Stress auf sie wartet.
Wenn du es neben einem echten Job eher als Hobby betreibst ist es sicherlich eine tolle Sache. Gerade wenn nicht deine ganze berufliche Zukunft davon abhängt.
Merowinger

Re: Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von Merowinger »

Ich würde auch sagen: es war ein Auf und Ab. Allerdings ist es mir gelungen, die "Abs" gering bzw. kurz zu halten.

Nachdem ich wie die Feuerwehr angefangen hatte und dann nach ca. 4 Monaten gesundheitlich etwas zurückgeworfen wurde, habe ich nach meiner Genesung recht schnell den Golfsport für mich entdeckt. Also habe ich Platzreife gemacht und habe - dank der freien Zeiteinteilung - immer mal wieder einfach so unter der Woche oder am Wochenende eine Runde gespielt oder einfach nur trainiert. Dabei habe ich gemerkt: wenn man morgens merkt, es geht nichts, muss ich nicht am Schreibtisch irgend etwas versuchen. Also: raus auf den Platz. Oft lief es danach mit freiem Kopf wieder. Dann habe ich auch gerne mal bis abends gearbeitet. Freie Zeiteinteilung halt.

Hätte ich mit dem Golfspielen nicht begonnen, wäre ich möglicherweise nie fertig geworden. Mit dem Sport habe ich die für mich nahezu perfekte Ausgleichsmöglichkeit und Balance gefunden.
Lyra

Re: Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von Lyra »

CD45 hat geschrieben:Wirklich glücklich scheinen nur die zu sein, die gerade erst angefangen haben und noch nicht wissen wie viel Druck und Stress auf sie wartet.
Das sehe ich anders. Gerade zu Beginn, als ich noch nicht den Einblick in alle Strukturen hatte, sich das Betreuungsverhältnis noch nicht eingespielt hatte und insbesondere auch die ersten Monate, in denen noch keine Finanzierung für die nächsten Jahre gesichert war, war ich besonders unglücklich und habe an dem ganzen Projekt "Promotion" (nie aber am Dissthema selbst) gezweifelt. Wenn das alles erstmal läuft, kann man sich endlich auch auf das konzentrieren, worum es eigentlich geht: das wissenschaftliche Arbeiten im Rahmen der Diss. Das finde ich viel befriedigender als nervenaufreibende Krisen mit dem/der Betreuer/in, Exposés und Anträge zu schreiben und sich parallel mit dem Jobcenter herumzuärgern. Aber wenn man die WiMa-Stelle quasi direkt nach dem Abschluss auf dem Silbertablett präsentiert bekommt, mag das anders sein...
Rondo

Re: Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von Rondo »

Für die meisten ist die Promotion keine leichte Phase, und ich kenne auch einen Fall der wegen psyische Probleme seine Disseration abbrechen musste. Ich würde sagen es gibt drei Hauptpunkte warum viele unglücklich mit ihrer Promotion sind:

1) Die Dissertation bedeutet sich jahrelang allein mit einem Thema zu beschäftigen. Irgendwann kommt es bei fast jedem zu einer Phase wo man sich fragt: Ist mein Thema wirklich wichtig, ist nicht alles was ich mache falsch und unsinnig, warum mache es überhaupt? Besonders wenn der DV nur wenig auf Anfragen reagiert und man nur selten Kontakt mit anderen Doktoranden hat, kann dies einen stark runterziehen und in starke Zweifel stützen. Das einzige was dagegen hilft ist es sich mit anderen Auszutauschen. Kontakt mit anderen Wissenschaftler aufzunehmen um hoffentlich zu erfahren dass es Menschen gibt die sich für deine Forschung interessieren.

2) Deine Doktormutter ist gleichzeitig dein Arbeitgeber, Betreuer, Prüfer und Mentor. Du bist ihr ausgeliefert und sie hat mehr oder weniger dein Leben in der Hand. Es ist schwer ihr irgendeine Bitte abzuschlagen, weil sich dies leicht auf deine Dissertation auswirkt. Es gibt durchaus einige Extremfälle in denen Doktoranten Jahrelang als unter bzw. nicht bezahlte Arbeitgeber gehalten wurden. Immer mit dem Druckmittel der Dissertation im Rücken. Einige halten ein solches Verhalten als normal, weil sie es selbst als Doktorant gewöhnt waren. Das einzige Gegenmittel ist es sich den Doktorvater vorher gut anzusehen und auch mit Doktoranten und Alumni zu reden um zu erfahren wie er tickt und was zu erwarten ist. Besser ist es Graduiertenkollegs wenn die Betruer/Prüfersituation getrennt ist, oder auch wenn die Finanzierung unabhängig von deinem Doktorvater ist.

3) Promotion bedeutet vollzeit zu arbeiten, aber nicht bezahlt zu werden und keinen Anspruch auf Sozialleistungen zu haben. Da die meisten Menschen essen wollen, müssen sie daher eine Finanzierung finden. Neben der Disseration zu arbeiten bedeutet ein Arbeitspensum welches die meisten nicht verkraften (bzw. die Promotionsdauer stark erhöht). Projektstellen und Stipendien erlauben es für seine Forschung bezahlt zu werden. Sie sind aber befristet auf eine Dauer die i.d.R. unrealistisch ist. Daher es tickt die ganze Zeit eine Uhr und keiner weiß von was er sich in einem Jahr sich ernähren soll. Zusätzlich ist es sehr zeitintensiv neue Projektgelder und Stipendien anzuwerben, und viele DV haben diese Aufgaben zusätzlich auf ihre Promotionsstudenten abgewältzt was den Stress noch erhöht.

Trotzt den Punkten würde ich sagen dass ich die meiste Zeit relativ glücklich bin mit der Promotion (auch weil vieles nicht auf mich zutrifft). Was mir Spaß macht ist es kreativ neue Ideen auszuarbeiten und sie zu entwickeln. Probleme zu lösen und neue Techniken zu entwickeln. Meine Stelle ermöglicht/zwingt mich meine Ideen zu publizieren und es ist immer ein gutes Gefühl wenn meine Ideen von anderen Menschen gut angenommen werden.
Eva
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Re: Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von Eva »

Hm, interessante Frage! Also ich würde sagen, ich war durchaus auch mal glücklich während der Diss und wegen der Diss, aber das war eher selten. :wink: Am glücklichsten war ich dann, wenn alle Rahmenbedingungen gepasst haben (hier mein persönliches Optimum herauszufinden, hat einige Zeit gebraucht), wenn ich im Forscher- oder Schreib-Flow war, wenn ich nach tagelangem Hirn-Zermartern etwas verstanden habe, wenn ich wusste, ich darf gerade etwas tun, das mir richtig Spaß macht: Lesen, Forschen, Denken, Schreiben! :D

Zu den Rahmenbedingungen:
- Eine Rolle könnte spielen, ob du eher der Vollzeit-eine-Sache-Typ bist (also die Diss und nur die Diss ohne viel Ablenkung) oder ob es dir insgesamt besser geht, wenn die Diss nur eines von mehreren Themen deines Alltags ist. Mir z.B. ging es rückblickend in der Zeit am schlechtesten, als ich Vollzeit für die Diss Zeit hatte, da trat ich geistig auf der Stelle, überforderte mich mit dem selbst gesetzten Anspruch, 40 h / Woche an der Diss sitzen zu müssen wie ein normaler Arbeitnehmer, und war frustriert, wenn es mit der Diss nicht lief, weil es keinen Ausgleich gab und ich den Diss-Frust nicht mit positiven Erlebnissen in anderen Bereichen auffangen konnte. Am besten lief es für mich in der Phase, als ich neben einer halben Stelle pro Woche an der Diss gearbeitet habe, aber das ist individuell verschieden, deshalb sollte man das für sich rausfinden.

- Wo liegt meine Leistungsgrenze? Wie viele Stunden konzentrierter Arbeit schaffe ich sinnvollerweise am Tag und in der Woche? Wann brauche ich Pausen, und wie gelingt es mir, die so rechtzeitig mit einzuplanen, dass ich nicht erst heiß laufe und dann zusammenbreche, weil ich es übertrieben habe? (Große Gefahr, wenn es mal läuft: dass man nicht rechtzeitig aufhört!). Gelingt es mir, mich gleichzeitig als mein eigener Chef und als mein eigener Angestellter zu sehen, bin ich in der Lage, mir selbst freie Tage, Urlaub, Feierabende etc zu erlauben? Wie finde ich die für mich richtige Balance zwischen Diss und Freizeitleben, zwischen Forscherkonzentration und sozialen Kontakten? Natürlich gibt es Zeiten, in denen die Diss mehr Raum einnimmt als in anderen, z.B. in den Monaten vor der Abgabe. Auch da hat es mir aber sehr geholfen, einmal die Woche zum Tanzkurs zu gehen für 2 h etwas völlig anderes zu machen.

- Sinnvolle Eingrenzung der Dauer einzelner Arbeitsschritte und der Diss insgesamt. Im Rückblick würde ich viel mehr als jetzt Zwischenziele definieren und das Weitergehen in eine Richtung auch mal abbrechen, wenn die von mir selbst gesteckte Zeit dafür um ist und auch mit einer kurzen Verlängerung kein Ende in Sicht ist. So korrigierst du Irrwege schneller und kontrollierst den Fortgang der Diss, statt dich von ihr fremdbestimmen zu lassen.


Auch wenn das nicht deine Frage war, will ich doch kurz bemerken, dass bei diesem Satz meine Alarmglocken geschrillt haben:
Ich frage, weil ich meine Masterarbeit zwar mit sehr gut abgeschlossen habe, aber glücklich war ich dabei fast nie.
Meines Erachtens ist das Schreiben der Examensarbeit der beste Gradmesser, wie gut man nachher mit einer Diss zurechtkommt. Wenn dir das schon keinen Spaß gemacht hat, frage ich mich, warum du überhaupt promovieren willst? Ich hatte tatsächlich großen Spaß beim Schreiben meiner Examensarbeit (neben den Tiefs, die es auch gab :wink: ) und wollte diese Zeit des freien Forschens mit einer Diss wiederholen und intensivieren, das lese ich bei dir nicht raus. :?
Was du weiter schreibst (nicht nur Leistung bringen, auch glücklich sein), lässt mich auch ein wenig zweifeln, ob eine Promotion wirklich der richtige nächste Schritt für dich ist. Vielleicht kann man es tatsächlich schaffen, diese Zeit auch zu einem weitaus größeren Teil zu genießen, als ich das von meiner Promotionszeit sagen würde (da waren vielleicht 10% "glücklich")... Ich bin schon froh, dass ich es durchgezogen habe, aber nach dem Abschluss habe ich mich manchmal gefragt, ob das wirklich sein musste. :?
Überleg's dir gut! Ich finde wichtig und richtig, dass du dir solche Fragen stellst, vielleicht ist das ja schon die halbe Miete, um nicht so naiv in dieses Großprojekt hineinzustolpern, wie es viele (incl. mir) gern tun. :blume:
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Re: Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von flip »

Eva hat geschrieben:
Auch wenn das nicht deine Frage war, will ich doch kurz bemerken, dass bei diesem Satz meine Alarmglocken geschrillt haben:
Ich frage, weil ich meine Masterarbeit zwar mit sehr gut abgeschlossen habe, aber glücklich war ich dabei fast nie.
Meines Erachtens ist das Schreiben der Examensarbeit der beste Gradmesser, wie gut man nachher mit einer Diss zurechtkommt. Wenn dir das schon keinen Spaß gemacht hat, frage ich mich, warum du überhaupt promovieren willst? Ich hatte tatsächlich großen Spaß beim Schreiben meiner Examensarbeit (neben den Tiefs, die es auch gab :wink: ) und wollte diese Zeit des freien Forschens mit einer Diss wiederholen und intensivieren, das lese ich bei dir nicht raus. :?
Was du weiter schreibst (nicht nur Leistung bringen, auch glücklich sein), lässt mich auch ein wenig zweifeln, ob eine Promotion wirklich der richtige nächste Schritt für dich ist. Vielleicht kann man es tatsächlich schaffen, diese Zeit auch zu einem weitaus größeren Teil zu genießen, als ich das von meiner Promotionszeit sagen würde (da waren vielleicht 10% "glücklich")... Ich bin schon froh, dass ich es durchgezogen habe, aber nach dem Abschluss habe ich mich manchmal gefragt, ob das wirklich sein musste. :?
Überleg's dir gut! Ich finde wichtig und richtig, dass du dir solche Fragen stellst, vielleicht ist das ja schon die halbe Miete, um nicht so naiv in dieses Großprojekt hineinzustolpern, wie es viele (incl. mir) gern tun. :blume:

Das habe ich auch gedacht. Irgendwie sehe ich nicht die generelle Motivation. Wenn dir das Schreiben deiner Abschlussarbeit keinen Spaß gemacht hat, dann wird dir das Schreiben der Diss auch keinen Spaß machen. Das heißt, du wirst drei Jahre keinen Spaß haben. Wenn du damit umgehen kannst, ist es ok. Wenn nicht, wirst du scheitern.

Man ist eigentlich nie fertig mit der Diss. Die Kunst ist eher, dass man einschätzen kann, wann es reicht. :) Die Anzahl an Tiefs sind jedenfalls häufiger anzutreffen, als die Anzahl an Hochs.
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Re: Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von Koenigsportal »

Hallo Frida,

einiges, was Du schreibst, kommt mir sehr bekannt vor (z.B. die Frage, was wirklich wichtig ist im Leben). Deshalb will ich neben den schon genannten Faktoren den Blick auf die sozialen Auswirkungen, die eine Diss. haben kann, lenken. Je nach Themenwahl und persönlichem Umfeld kann so eine Arbeit zu totaler Isolation führen, nicht nur die oberflächlichen Bekanntschaften bleiben da möglicherweise auf der Strecke, sondern auch alte, gute Freunde und Familie kommen u.U. nicht damit klar, dass man sowohl geistig als auch zeitlich stark auf etwas konzentriert ist. Ein Umfeld, das andere Prioritäten setzt, kann sich als starker Hemmfaktor entpuppen. Ich fühlte mich am Ende nicht nur finanziell, sondern auch sozial stark gebeutelt und es brauchte lange, bis ich auch nur annähernd wieder ein soziales Leben hatte, wie ich es mir vorstelle. Bis heute haben einige keine Ahnung davon, was ich eigentlich gemacht habe (und warum das "sooo lange dauert" - gern schon nach einem halben Jahr geäußert :roll: ). Da meine Studienfreunde selbst mit ihrer Diss. und Karriere beschäftigt waren, die dann an anderen Orten zu anderen Themen stattfanden, ließen auch diese Kontakte mehr und mehr nach. Man muss sich fragen, ob man mit der Isolation gut umgehen kann. Ich bin z.b. durchaus gern allein und genieße es, konzentriert zu arbeiten, aber es macht mir doch zu schaffen, wenn ich merke, dass andere ein Problem damit haben, wer nun weiter ist, wer das bessere Thema, den besseren DV oder sonstwas hat, oder wenn nicht-promovierende Freunde generell ein Problem damit haben, dass man promoviert. Auch im Arbeitsleben habe ich Unangenehmes erlebt, weil ich promovierte und mein Chef z.B. seine Diss abgebrochen hatte.

So etwas wie Glück habe ich vor allem dann empfunden, wenn ich (philosophische) Erkenntnisse hatte oder mir das Schreiben an sich Spaß machte. Ersteres ist natürlich nicht bei jeder Arbeit möglich und für letzteres muss man nicht unbedingt eine Diss. schreiben, im Gegenteil, eigentlich ist die da eher hinderlich.

Also, überlege es Dir gut, ob Du Dich auf das Wagnis einlassen möchtest. Alles Gute für Deine Entscheidung!
"Do what you can, with what you've got, where you are." (Th. Roosevelt)
chily

Re: Seid ihr glücklich mit eurer Promotion?

Beitrag von chily »

Hallo Frida,

Vieles wichtige wurde schon gesagt, ich will nur noch kurz einen eigenen Erfahrungsbericht anfügen.
Um glücklich promovieren zu können, muss man sich wohl sehr genau überlegen, wie die eigene Motivation dazu ist und wie man die Umstände dieser Promotion für einen selbst passend gestalten kann - einen individuellen "Glücksfahrplan", das trifft es sehr gut. Darüber kann man sich wohl gar nicht genug Gedanken machen.
Bei mir zum Beispiel ist es so, dass ich zwar sehr viel Spaß an meinem Studien- und Promotionsfach (Literaturwissenschaft) hatte, aber auch immer Zweifel an der gesellschaftlichen Relevanz des Ganzen und damit einhergehend Zweifel am Sinn meines Studiums (unabhängig davon, dass ich wirklich dafür brenne und wohl auch ganz gut darin bin - aber ich habe eben immer nur eine Relevanz für mich selbst gesehen.) Da ich Lust auf eine Promotion hatte, aber mir nicht vorstellen konnte, diesem einen, sehr speziellen und etwas "lebensfernen" Thema 60 Wochenstunden zu widmen, habe ich mich entsprechend organisiert und bin jetzt sehr zufrieden - eher "trotz" der Promotion und nicht unbedingt "wegen" ihr. Ich erfinde es zwar auch als sehr befriedigend, wenn ich auf einen gelungenen Textabschnitt zurückblicken kann, bin stolz auf meine bisherige Leistung, habe auch gelegentliche sehr erfreuliche Geistesblitze; aber den weitaus größeren Teil der Zeit empfinde ich doch als sehr anstrengende und oft auch frustrierende Arbeit. Wenn ich das ausschließlich täte, wäre ich bestimmt nicht so richtig glücklich. Ich aber arbeite 30 Stunden pro Woche in einem Job, der sinnvoll und erfüllend ist (ich bin Schulbegleiterin eines behinderten Kindes), habe mehrere Hobbies und ehrenamtliche Tätigkeiten, faulenze sonntags und habe mein Sozialleben im Vergleich zum Studium nicht reduziert. Das alles hilft mir, die anstrengenden 3 Stunden täglich (an Wochentagen), die ich mir strikt für die Doktorarbeit freihalte, gut zu überstehen. Da ich ein eher disziplinierter Mensch bin und 3 Stunden lang auch gut hochkonzentriert arbeiten kann (danach sackt meine Leistungsfähigkeit deutlich ab), komme ich sehr gut voran und kann meine Diss, wenn alles weiter nach Plan läuft, nach 3 Jahren abschließen. Diese für mich ideale Organisation hat dazu geführt, dass ich im Wesentlichen glücklich bin und bisher keine dramatischen Promotions-Tiefs hatte. Ich weiß, dass ich unter anderen Umständen (etwa Job an der Uni oder sogar auch ein Stipendium, durch das ich mich verpflichtet fühlen würde, mehr für die Diss zu tun) leicht sehr unglücklich sein könnte.

Ich hoffe, du kommst zu einer für dich guten Entscheidung!
Angelika
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