Zitierfrage: Paraphrasierung oder Plagiat?

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Zitierfrage: Paraphrasierung oder Plagiat?

Beitrag von Zitierfrage »

Hallo!
Ich schreibe keine Diss, sondern möchte meine Diplomarbeit veröffentlichen (Verlag kam auf mich zu). Das Ganze ist drei Jahre her, daher bin ich gerade dabei, diese zu aktualisieren. Nun gabs in den vergangenen drei Jahren einige Skandale wegen Plagiaten und so achte ich auch sehr genau auf Zitate. Unsicher bin ich gerade in diesem Fall:
Original aus einem juristischen Handbuch hat geschrieben:140 Konkret hat das Bundesverfassungsgericht seine grundlegenden Weichenstellungen für die Rundfunkfreiheit in zehn Rundfunkentscheidungen vorgenommen.

141 Darin wurden die Grundlagen des dualen Systems geklärt, der Begriff der Grundversorgung in die Debatte eingeführt und ausgelegt, inhaltliche Vorgaben für den privaten Rundfunk gemacht, Programmgrundsätze umrissen, die Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickelt und dezidierte Vorgaben für das Gebührenfestsetzungsverfahren gemacht.
meine Arbeit hat geschrieben:In seinen insgesamt acht Rundfunkurteilen hat das Bundesverfassungsgericht grundlegende Weichenstellungen vorgenommen: Es wurden die Grundlagen des dualen Systems geklärt, inhaltliche Vorgaben für den privaten Rundfunk definiert, Programmgrundsätze umrissen, die Bestandsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickelt und Vorgaben für das Gebührenfestsetzungsverfahren gemacht (vgl. Dörr/Schwartmann 2008: 50).
Zur Erläuterung: Das Wissen ist im Fachbereich geläufig, quasi Lexikonwissen.
Ist meine Textstelle zu nah am Original?
Was meint ihr?
Vielen Dank & vorweihnachtliche Grüße!
Zuletzt geändert von Sebastian am 20.12.2013, 12:55, insgesamt 3-mal geändert.
Grund: Betreff für die Suchmaschine ergänzt
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Re: Zitierfrage

Beitrag von Zitierfrage »

PS: nicht wundern wegen der Anzahl der Urteile - da gibt es unterschiedliche "Zählweisen"
Bara
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Re: Zitierfrage

Beitrag von Bara »

Hallo!

Die Quelle ist angegeben (wenn auch mE nicht korrekt, oder was soll die "50" bedeuten? und was die 140 und 141? Und warum "vgl."? Weil dort von 10 statt 8 die Rede ist?), als Plagiat würde ich es daher trotz der wortlautgetreuen Übernahme nicht bezeichnen (einige Puristen wollen aber vermutlich "" sehen).

Wissenschaftlich wertvoll sind "Nachweise" wie bei dir mE allerdings nicht. Ich kenne den Schwerpunkt deiner Arbeit nicht, aber wenn es um die Aufarbeitung von herrschender BVerfG-Rspr. geht, kommst du an den Entscheidungen zumeist nicht vorbei. Du zitierst eine sekundäre Quelle, die ihrerseits (vielleicht sogar falsch) den Standpunkt des BVerfG umreißt. Noch dazu zählst du die maßgeblichen Entscheidungen anders (acht statt zehn?), was nahelegt, dass du den Autoren des "Handbuchs" nicht uneingeschränkt folgst. Trotzdem stellst du ihre Aussage dar, als wäre das dein Ergebnis der Analyse von acht Entscheidungen des BVerfG.

EDIT:
Das "Handbuch" wäre außerdem mit seinen 218 Seiten und der Titelreihe "Start ins Rechtsgebiet" auch nicht meine erste Wahl in einer wissenschaftlichen Arbeit. Aber - wie gesagt - ohne dein Thema näher zu kennen...
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Re: Zitierfrage

Beitrag von Zitierfrage »

Hallo Bara

> Die Quelle ist angegeben (wenn auch mE nicht korrekt, oder was soll die "50" bedeuten?

50 bedeutet die Seite. Harvard-Zitierweise.
Die 140 und 141 sind in dem Originalwerk, quasi wie Nummerierungen der Stichpunkte.



> Wissenschaftlich wertvoll sind "Nachweise" wie bei dir mE allerdings nicht. Ich kenne
> den Schwerpunkt deiner Arbeit nicht, aber wenn es um die Aufarbeitung von herrschender
> BVerfG-Rspr. geht, kommst du an den Entscheidungen zumeist nicht vorbei.
Es geht da um einige rechtliche Hintergründe zum Thema, ist nicht Kernpunkt der Arbeit.


> Trotzdem stellst du ihre Aussage dar, als wäre das dein Ergebnis der Analyse
> von acht Entscheidungen des BVerfG.
Das ist der Kernpunkt meiner Frage: Sieht das so aus, als wäre das meine Sichtweise? De facto fasse ich da nur zusammen und will in dem Moment auch nichts eigenes schreiben, weil es rechtlicher Hintergrund ist.
Sebastian
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Re: Zitierfrage: Paraphrasierung oder Plagiat?

Beitrag von Sebastian »

Ich bin sicher nicht der letzte Maßstab, aber mir wäre das deutlich zu nah am Original! So ähnlich sahen jedenfalls die Passagen aus, die bei ...Plag markiert waren.
Wenn Du schon zweifelst, formulier' es doch einfach noch einmal ganz neu - ohne die Quelle vor Augen, einfach aus dem Kopf nacherzählt (und dann den Beleg dran).

Viel Erfolg!

Sebastian
P.S.: Es gibt hier im Forum einige, die sich nachträglich darüber ärgern, dass und wie ihre Diplom- und Magisterarbeiten von Verlagen publiziert wurden, die auf die Verfasser zugekommen sind. Man fühlte sich erst geschmeichelt und hat nicht gesehen, wie das Geschäftsmodell lief. Schau Dir evtl. mal die einschlägigen Themen hier an oder suche im Netz nach dem Verlagsnamen und Kundenmeinungen.
Bara
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Re: Zitierfrage: Paraphrasierung oder Plagiat?

Beitrag von Bara »

@Sebastian
Ja, so sehen viele Passagen bei vroniplag aus. Das allein ist aber mE nicht der geeignete Indikator für ein Plagiat. Die Leistung wird nicht dadurch wissenschaftlicher, dass man "" setzt oder die Passagen Wort für Wort umformuliert (was bei der Beispielspassage auch schwer werden dürfte). Die Frage ist eher, ob eine wissenschaftliche Arbeit überhaupt solcher Passagen bedarf. Das meinte ich mit "wissenschaftlich wertvoll" - kritikwürdig ist es nämlich allemal, nur eben nicht als Plagiat - denn die Herkunft ist - wenn man das "vgl." noch weglässt - mE offensichtlich, zumal es ein einziger Satz ist. Problematischer wäre es, wenn die Fußnote am Absatz oder am ersten Satz eines Absatzes hinge. Das wäre dann wohl in der Tat ein Plagiat.

@Zitierfrage
Seite - alles klar. Ãœber "vgl." streiten sich die Gelehrten. Ich habe es so gelernt:

Original, S. 4: "Das Gras ist grün."
Zitat "genauso": "...dass das Gras grün ist (Original, S. 4)."
Zitat "in diesem Sinne": "Gras ist nicht lila (vgl. Original, S. 4)."

Bei deinem weitgehend wörtlichen Zitat hielte ich - nach diesem Maßstab - ein "vgl." für falsch, vielleicht sogar für einen Versuch, über die wörtliche Übernahme zu täuschen. Das mag man aber in anderen Fächern auch anders sehen.

Nochmal: Ob Plagiat oder nicht, "stilistisch" und wissenschaftlich ist es zweifelhaft.
Zitierfrage

Re: Zitierfrage: Paraphrasierung oder Plagiat?

Beitrag von Zitierfrage »

Guten Morgen!

@Sebastian, danke für deine Einschätzung
Und danke für Deinen Hinweis zu dem Verlagsthema, interessante Diskussion. Bei mir ist es nicht VDM, sondern der Lit-Verlag. Den schätze ich jetzt durchaus als seriös, wenn auch nicht "Elite" ein. Es würde mich auch einen dreistelligen Betrag kosten, wo ich aber Anfragen laufen habe, ob mich jemand unterstützt.


@bara: wegen wissenschaftlich

mein Thema ist die Entstehung der Landesmedienanstalten in Ostdeutschland, ein Thema, was noch nicht groß bearbeitet wurde und wo ich durch Interviews Expertenwissen generiert hatte, das vorher nicht greifbar war - von daher sehe ich meinen wissenschaftlichen Beitrag im Hauptteil der Arbeit durchaus.

Das Kapitel, was ich jetzt kritisch sehe, ist quasi das Überblickskapitel über das Thema "Landesmedienanstalten allgemein": Rechtsform, Aufgaben, Gesetze, etc. Hier gibt es jede Menge Literatur und ich kann das Rad nicht neu erfinden, sondern nur zusammenfassen. Ich überlege jetzt, ob ich für die Publikation dieses ganze Kapitel weg lassen sollte, da das gesamte Kapitel nur aus Zusammenfassungen und Verweisen auf andere Publikationen besteht.
Peter25

Re: Zitierfrage: Paraphrasierung oder Plagiat?

Beitrag von Peter25 »

Das ist eine schlechte Kombination aus direktem und indirektem Zitat (aber viel mehr direktes Zitat). Und es fehlt die Quellenangabe, die von acht Urteilen spricht (Wikipedia??). So wäre es korrekt:

In seinen insgesamt acht Rundfunkurteilen "hat das Bundesverfassungsgericht [...] grundlegende Weichenstellungen [...] vorgenommen": Es "wurden die Grundlagen des dualen Systems geklärt, [...] inhaltliche Vorgaben für den privaten Rundfunk [...][definiert], Programmgrundsätze umrissen, die Bestands-[...]garantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickelt und [...] Vorgaben für das Gebührenfestsetzungsverfahren gemacht" (Dörr/Schwartmann 2008: 50).

Außerdem ist der Satz zu lang und rechtfertigt in keinster Weise ein direktes Zitat.

Die Leitlinie des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkkomplex hat sich nach Dörr/Schwartmann in zehn Einzelentscheidungen herausgebildet, in denen sich das Gericht mit verschiedenen Aspekten zum Thema Rundfunk auseinander setzt. Eine Entscheidung bezog sich auf das in Deutschland vorherrschende Nebeneinander von privat- und öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Die Rechte und Pflichten des privatrechtlichem Rundfunks wurden in einer weiteren Grundsatzentscheidung durch das BVerfG festgelegt. ... (vgl. Dörr/Schwartmann 2008: 50).

Der Text ist doch einfach zu verstehen (ich bin Informatiker) und in eigenen Worten wiederzugeben. :wink:

Mir ist ein Fall bekannt, in dem wurde dem Verfasser der Doktorarbeit, dem der Unterschied zwischen direktem und indirektem Zitat nicht bekannt war, die Möglichkeit der Nachbesserung eingeräumt. Die Regel ist das jedoch nicht. :wink:
Bara
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Re: Zitierfrage: Paraphrasierung oder Plagiat?

Beitrag von Bara »

Peter25 hat geschrieben:Das ist eine schlechte Kombination aus direktem und indirektem Zitat (aber viel mehr direktes Zitat). Und es fehlt die Quellenangabe, die von acht Urteilen spricht (Wikipedia??). So wäre es korrekt:

In seinen insgesamt acht Rundfunkurteilen "hat das Bundesverfassungsgericht [...] grundlegende Weichenstellungen [...] vorgenommen": Es "wurden die Grundlagen des dualen Systems geklärt, [...] inhaltliche Vorgaben für den privaten Rundfunk [...][definiert], Programmgrundsätze umrissen, die Bestands-[...]garantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickelt und [...] Vorgaben für das Gebührenfestsetzungsverfahren gemacht" (Dörr/Schwartmann 2008: 50).
Das mag "korrekt" im Sinne der Plagiatsjäger sein, vielleicht, weil sie die Plagiatssuche gern automatisieren und durch die Verwendung von "" Fehltreffer ausschließen wollen? :D In der Rechtswissenschaft ist dieser Zitierstil... sagen wir mal "unüblich". Das dürfte damit zusammenhängen, dass es bei uns tausende Definitionen gibt, die sich im Wortlaut immer wiederholen, daneben noch Gesetzestext und prägnante Leitsätze von Obergerichten. Juristische Texte sind quasi bis zum Ergebnis einer Subsumtion (die es ja auch - losgelöst vom Einzelfall - bei wissenschaftlichen Fragen geben kann) aus "fremden" Texten gemacht. Anders ginge es auch gar nicht, wollte man nicht die zu prüfenden Rechtssätze und Ansichten aus der Luft greifen. Bei diesen Rechtssätzen kommt es aber immer (und bei Ansichten zumindest sehr oft) auf den Wortlaut an.
Peter25 hat geschrieben: Außerdem ist der Satz zu lang und rechtfertigt in keinster Weise ein direktes Zitat.

Die Leitlinie des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkkomplex hat sich nach Dörr/Schwartmann in zehn Einzelentscheidungen herausgebildet, in denen sich das Gericht mit verschiedenen Thematiken zum Thema Rundfunk auseinander setzt. Eine Entscheidung bezog sich auf das in Deutschland vorherrschende Nebeneinander von privat- und öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Die Rechte und Pflichten des privatrechtlichem Rundfunks wurden in einer weiteren Grundsatzentscheidung durch das BVerfG festgelegt. ... (vgl. Dörr/Schwartmann 2008: 50).

Der Text ist doch einfach zu verstehen (ich bin Informatiker) und in eigenen Worten wiederzugeben. :wink:
Das unterschreibe ich. :)

@Zitierfrage
Zum wissenschaftlichen Wert deiner Arbeit insgesamt habe ich auch nichts gesagt. ;) Es kommt nur mW gerade in Diplomarbeiten recht häufig vor, dass ihr Umfang durch zusammenkopierte "Allgemeinplätze" unnötig aufgebläht wird. Ich würde die Einleitung einfach ganz zum Schluss schreiben und darin nur unterbringen, was ich später auch brauche, um die Interviews zu verstehen. Wenn sich herausstellt, dass man "irgendwie alles braucht", würde ich auf die Einleitung verzichten und stattdessen bei der Anaylse der Interviews klarstellende Fußnoten nutzen oder - was mir hier die bessere Wahl zu sein scheint - das im Fachgebiet bekannte "Lexikonwissen" stillschweigend voraussetzen.
Zitierfrage

Re: Zitierfrage: Paraphrasierung oder Plagiat?

Beitrag von Zitierfrage »

Peter25 hat geschrieben:Das ist eine schlechte Kombination aus direktem und indirektem Zitat (aber viel mehr direktes Zitat). Und es fehlt die Quellenangabe, die von acht Urteilen spricht (Wikipedia??).
ich schrieb ja, es gibt verschiedene Zählweisen. Das BVerfG hat verschiedene Rundfunkurteile gefällt, manche zählen 8 dazu, andere bis zu 13 (je nach Auslegung von "Rundfunk")
Peter25 hat geschrieben: So wäre es korrekt:

In seinen insgesamt acht Rundfunkurteilen "hat das Bundesverfassungsgericht [...] grundlegende Weichenstellungen [...] vorgenommen": Es "wurden die Grundlagen des dualen Systems geklärt, [...] inhaltliche Vorgaben für den privaten Rundfunk [...][definiert], Programmgrundsätze umrissen, die Bestands-[...]garantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickelt und [...] Vorgaben für das Gebührenfestsetzungsverfahren gemacht" (Dörr/Schwartmann 2008: 50).

Außerdem ist der Satz zu lang und rechtfertigt in keinster Weise ein direktes Zitat.

Die Leitlinie des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkkomplex hat sich nach Dörr/Schwartmann in zehn Einzelentscheidungen herausgebildet, in denen sich das Gericht mit verschiedenen Aspekten zum Thema Rundfunk auseinander setzt. Eine Entscheidung bezog sich auf das in Deutschland vorherrschende Nebeneinander von privat- und öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Die Rechte und Pflichten des privatrechtlichem Rundfunks wurden in einer weiteren Grundsatzentscheidung durch das BVerfG festgelegt. ... (vgl. Dörr/Schwartmann 2008: 50).

Der Text ist doch einfach zu verstehen (ich bin Informatiker) und in eigenen Worten wiederzugeben. :wink:
Der Text ist einfach zu verstehen, und wie gesagt "Allgemeinwissen" im Fachgebiet. Ob ich nun Dörr/Schwartmann nehme oder Hesse oder Mast etc - überall werde ich dasselbe finden über die Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deswegen zweifle ich immer mehr daran, dass man dieses Wissen überhaupt belegen muss.

Ich finde daher Deine, Bara, Idee gut, das Wissen vorauszusetzen und wirklich nur das Neue zu publizieren. Für Basisfragen stehen dann immer noch die Handbücher aus der Rechts- oder Kommunikationswissenschaft zur Verfügung.
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