Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

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RAA

Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von RAA »

Schönen Abend,

ich wende mich an dieses Forum, da ich Moment nhc weiter weiß. Ich promoviere seit knapp 1 Jahr zu einem juristischen Thema. In der ersten Zeit hatte ich das Gefühl, dass es ganz gut lief. Dann ist irgendetwas passiert, was ich aber nicht identifizieren kann. Ich wurde auf einmal sehr unsicher, war in Nebenjob und Dissertation auf einmal sehr frustriert. Habe dann knapp ein Drittel der Arbeit einfach so gestrichen. Alles, was ich von mir lese, kommt mir auf einmal schlecht vor. Ich habe massive Versagensangst, die sich in Panikattacken ausdrückt.Mittlerweile sitze ich seit ca 2 Monaten nur rum und habe in der Zeit nicht mal 4 Seiten geschrieben. Wenn es sich hierbei um Hochreck handelte, ok. Aber es geht eigentlich nur um die Zusammenfassung fremder Meinungen. Mein Thema gibt leider nicht sonderlich viel her, was ich selbst eigentlich noch herausstellen könnte. Ich muss aber Ende des Jahres fertig sein, da ich dann ins Ref gehe.

Fürs Examen habe ich jeden Tag mindestens 10 Stunden am PC gesessen. Das war für mich nie ein Problem. Ganz im Gegenteil. Ich habe im Repetitorium immer ein gutes Feedback bekommen und war soweit zufrieden mit mir. Jetzt bin ich auf einmal sehr verunsichert. Ich schlafe schlecht, denke nur noch an die Doktorarbeit, kann gar keine Distanz mehr dazu aufbauen und bin nur noch frustriert. Nichts macht mir mehr Spaß. Ich zieh nur noch ein Gesicht, als trüge ich die Last der Welt auf meinen Schultern. Ich war ein paar Tage im Urlaub, aber auch das brachte nichts. Ich bin mittlerweile täglich frustriert, was auch mein Umfeld merkt.

Habt ihr vielleicht irgendwelche Tipps? Aufgeben kommt für mich nicht in Frage. Auch Aufschieben will ich nicht. Ich muss es in den nächsten Monaten irgendwie fertig kriegen, egal wie. Und ich muss es irgendwie schaffen, glücklicher zu sein und das ganze leichter zu nehmen.

Danke Schön und schönen Abend noch
Antonia

Re: Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von Antonia »

"Aber es geht eigentlich nur um die Zusammenfassung fremder Meinungen."

Das Problem gibt es in vielen Dissertationen, glaube ich. Und dann sieht man irgendwann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr und fragt sich, was eigentlich der eigene Beitrag ist.
Deine Probleme hängen nicht vielleicht damit zusammen, dass du überarbeitet bist? Ich hatte in der Endphase meiner Uni-Abschlussarbeit auch Probleme, weil ich lange keine echte Pause mehr gemacht und dazu noch Liebeskummer hatte und nach dem letzten Schein sofort ins Examen bin. In den Semesterferien im Hauptstudium hatte ich gearbeitet, Hausarbeiten geschrieben und mündliche Prüfungen gemacht. Als ich dann nach dem Studium mit der Diss starten wollte, war ich "leer", fand kein richtiges Thema, konnte mich nicht mehr auf die Texte konzentrieren. Ich habe eine längere Diss-Pause gemacht, bin einem Job nachgegangen, in den Urlaub gefahren und habe mich dann wieder an die Diss gesetzt. Es lief ne Weile ganz gut, dann wieder Denkblockaden. Ich hab das Ganze dann fast ein Jahr zur Seite gelegt, bin umgezogen, habe viel gelesen zu anderen Theorien, die nicht unbedingt diss-relevant waren, habe eher fragmentarisch geschrieben (auch nicht unbedingt diss-relevant). Jetzt bin ich so weit, dass es wieder voran geht, ich versuche, mir nicht so viele Gedanken um die ganzen Ansprüche um mich herum zu machen, denn nur so geht`s. Klar, das ist nicht immer machbar, ich habe ja auch gelesen, dass du in einem Jahr ins Ref musst. Aus der Ferne kann man ja auch nur spekulieren, gibt es Beratungsmöglichkeiten in deiner Nähe? Hast du Freunde/Familie ins Vertrauen gezogen? Was ist für dich die Motivation, die Diss zu schreiben?
flip
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Re: Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von flip »

RAA hat geschrieben:Schönen Abend,
Habt ihr vielleicht irgendwelche Tipps? Aufgeben kommt für mich nicht in Frage. Auch Aufschieben will ich nicht. Ich muss es in den nächsten Monaten irgendwie fertig kriegen, egal wie. Und ich muss es irgendwie schaffen, glücklicher zu sein und das ganze leichter zu nehmen.
Schaffst du nicht! Du must einsehen, dass eine Dissertation nicht gleich Studium ist und die Resultate sich mit "mehr lernen" geben. Auch mit ein paar Tagen Urlaub ist es nicht getan, wenn du dadurch nicht auf Abstand kommst.
Mathilda

Re: Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von Mathilda »

Hallo RAA,

das klingt nicht gut... einen Durchhänger hat jeder mal, aber das scheint mir doch gravierender zu sein? Auch das Gefühl, dass die eigene Diss ganz im Gegenteil zu allen anderen irgendwie trivial ist, scheint mir recht verbreitet zu sein (Erfahrung aus dem Schreibtreff hier im Forum, vielleicht auch was für dich?).
Was war es denn, was dich so plötzlich hat zweifeln lassen? Du schreibst, du kennst die Ursache nicht, aber das mag ich nicht recht glauben :wink: War das Thema Diss plötzlich doch anders oder schwieriger als erwartet?
Ich glaube nicht, dass du erst die fehlende Leichtigkeit wiederherstellen kannst und dich dann weiter an die Diss setzen, ehrlich gesagt. Diss ist leider meistens eher Durchbeissen als Flow, daher könnte es vielleicht helfen, jetzt sofort und jeden Tag klein anzufangen, dir nicht zu viel vorzunehmen, aber weiter zu machen in kleinen Schritten. Damit du nicht so paralysiert vor der leeren Seite sitzt. Vielleicht eine halbe Stunde Freewriting am Tag? Oder 2-3 kürzere Zeiteinheiten Überarbeitung? Im Schreibtreff arbeiten einige mit der Pomodoro-Technik, vielleicht wäre das auch was für dich, falls dir aktuell v.a. der Berg so unbezwingbar scheint, kannst ja mal im Netz nachlesen.

Nicht aufgeben :blume: und alles Gute
Mathilda
Thales

Re: Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von Thales »

Hallo RAA,

ich kann mich Mathilda nur anschließen und empfehle auch die Methode der kleinen Happen.
Die Gedanken der Trivialität sind sehr weit verbreitet und auch der Gedanke "nur wenn ich 15 Seiten am Tag Output produziere, hab ich effektiv gearbeitet". Besonders letzteres ist nicht wahr. Fang in kleinen Schritten wieder an. Setzte klare zeitliche Grenzen insbesondere auch für den Feierabend. (z.B. nach 19:00 Uhr wird der Rechner aus gemacht, je nach deinem Tagesrhythmus). Das hört sich im ersten Moment nach Faulenzen an, aber ich habe nun bei verschiedenen Leuten die Erfahrung gemacht, dass es für den (Wieder-) Einstieg einfacher ist, zeitliche Grenzen zu setzten und kleinere Ziele zu setzten, als wenn man auf Teufel komm raus 10-14 h zu Arbeiten versucht.

Wenn du magst, schau doch mal im Schreibtreff vorbei, mir hat es während der Schreibphase und auch danach sehr geholfen.

LG Thales
Wierus
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Re: Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von Wierus »

Ich lese aus deiner Frage heraus, dass du tatsächlich vor hattest in c.a. 1,5 Jahren eine Diss zu schreiben?
Also ich kenne - abgesehen von Medizinern - niemanden, der das geschafft hat. Vielleicht solltest du dein Ref nach hinten verschieben?

Vorsicht, ich psychologisiere mal:
Der ganze Denk- und Schreibstau bei dir wird höchstwahrscheinlich von diesem Widerspruch ausgelöst. Dein Unterbewußtsein hat längst eingesehen, dass das nicht zu schaffen ist und spielt dir einen Streich nach dem anderen. Du musst schleunigst eine realistische Lösung finden, sonst kann deine Situation im schlimmsten Fall ernste gesundheitliche Folgen haben - mal ganz abgesehen von der geringen Lebensqualität dank Schlafstörungen.
Anne78
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Re: Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von Anne78 »

Hallo RAA,

Für mich klingt das auch nach ausgebrannt. Und danach, als ob Dir ein paar Stunden (Schreib-)beratung oder Psychotherapie guttun würden. Ein Schreibtrainer/Dissertations-Coach könnte auch hilfreich sein. Klingt für viele nach einem Eingeständnis, es nicht allein zu packen (nebenbei bemerkt: so ziemlich niemand packt so was ganz allein, scheint mir - an dem "Eingeständnis" finde ich nichts Schlimmes), was dann gleichgesetzt wird mit "ich habe versagt", aber das würde ich überhaupt nicht so sehen. Jemand, der Erfahrung damit hat, wie man Menschen mit Schreibblockaden, Panikattacken, Selbstzweifeln etc. hilft und zu dem Du keine persönliche Beziehung hast, kann Dich einfach darin unterstützen, einen klareren Blick auf Deinen Stand der Arbeit zu haben und mit Dir zusammen eine Plan auszuarbeiten, wie Du das Ding zuende bringst. Ob dann eine längere Pause oder kleinere Pakete pro Tag oder noch ein ganz anderer Weg für Dich am besten passen, könntest Du dabei rausfinden.
Wichtig ist, glaube ich, eine etwas objektivere/ realistischere Einschätzung dessen, was Du da produzierst, und ggf. eine etwas instrumentellere Einstellung zur Arbeit (die muss fertig werden, wie gut sie ist, sollen andere beurteilen). Mir persönlich haben bisher zwei bzw. drei Dinge geholfen, um aus Blockaden, Selbstzweifeln etc. rauszukommen: Austausch mit Menschen, die ich schätze und denen ich auch mein Zeug zum Lesen geben kann, wenn ich denke, es ist eigentlich alles Müll bzw. in einem noch nicht vorzeigbaren Zustand (was es manchmal auch ist, aber meistens offenbar nicht) und der Schreibtreff, wo ich mir Motivation abholen kann und sehe, wie Andere ihre Blockaden etc. lösen. Auf der "technischen" Seite außerdem die Politik der kleinen Schritte, die Thales und Mathilda beschreiben: Jeden Tag dransetzen, mit kleinen Zielen anfangen und dann nach und nach aufstocken. Bin jetzt noch nicht fertig aber definitiv im Endspurt und habe keinerlei Bedenken, dass ich diese Dissertation abschließen werde.
RAA

Re: Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von RAA »

Danke für eure zahlreichen Antworten. Die Sache ist ein wenig komplizierter. Richtig ist, dass ich es in 1/1/2 Jahren schaffen will. Ursprünglich sogar in einem Jahr. Mein Privatleben existiert nicht. Ich habe eigentlich so gut wie keine Freunde, da es für mich immer das wichtigste war, schnell voran zu kommen und Leistung zu sehen. Ich könnte auch verstehen, wenn ich seit zwei Monaten an einem schwierigen Problem tüfteln würde. Aber gedanklich ist das Ding eigentlich durch....also ich weiß rein theoretisch ganz genau, was jetzt in die Stelle rein muss. Aber ich steh schon morgens auf und hab Panik, mich wieder vor dem PC zu setzen, weil ich meine Gedanken einfach nicht zu Papier bringen kann. Bei der Schreibberatung war ich schonmal, da habe ich auch demnächst wieder einen Termin, ich habe viel im Internet drüber gelesen. Aber im Moment komme ich mir schlicht und ergreifend nur noch vor wie ein Versager. Ein Zeitaufschub kommt für mich einfach nicht in Frage, denn keiner weiß, ob es dann iwann besser wird. Vor dem Referendariat habe ich auch keine Angst, es fixiert sich einfach massiv auf die Doktorarbeit. Ich habe momentan auch leider gar nichts mehr, was mir Spaß macht. Ich habe eine tolle Familie und eine super Freundin, ich bin auch bis jetzt nie an etwas gescheitert, ganz im Gegenteil eigentlich, aber mich hat iwas vor zwei Monaten erwischt und das werde ich nicht mehr los.
Eva
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Re: Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von Eva »

@RAA: Ich schätze, du bist vor 2 Monaten einfach an eine Grenze deines Leistungsvermögens gekommen, was offenbar eine ganz neue Erfahrung für dich war. Dass dich das verunsichert, kann ich mir gut vorstellen. Du bist nicht der Einzige und Erste, dem es so geht. Wer promoviert, gehörte vorher ja in der Regel zu den Besseren/Besten in Schule und Uni und hat vielleicht tatsächlich noch nie erlebt, an sich selbst auch mal zu scheitern. Jetzt ist es also auch dir passiert, du bist kein Immer-Nur-Überflieger mehr, sondern doch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut, der Nerven zeigt und sich nicht immer noch mehr Gewicht draufladen kann, ohne zusammenzubrechen (was dich für andere eher sympathisch machen dürfte :wink: ). Akzeptiere, dass auch du Grenzen hast, definier dich nicht nur über Leistung und finde ab jetzt einen Weg, im Rahmen deines Leistungsvermögens zu arbeiten, ohne diese Grenze allzu oft zu reißen.

Ich finde es übrigens (aus eigener Erfahrung) sehr gefährlich, wenn du gar keinen Ausgleich mehr hast, nichts, was dir Spaß macht, und du alle Befriedigung und Bestätigung nur aus dem Fortschritt an der Diss ziehst. Gefährlich deshalb, weil du, wenns mit der Diss dann halt doch mal nicht klappt (und Durststrecken gehören m.E. dazu!, bei jedem!), sofort in genau das tiefe schwarze Loch fällst, in dem du jetzt sitzt. Die Diss ist nicht alles im Leben!, such dir irgendeinen Ausgleich, Sport einmal die Woche oder irgendwas anderes, was dir Spaß macht und das nichts mit der Diss zu tun hat. Du brauchst auch mal Abstand von dem Ding. Eine Diss ist ein Marathon, die kann mancher zwar auch mit schnellerem Tempo bestreiten, aber nur Sprinten geht über diese Distanz einfach nicht.
Zuletzt geändert von Eva am 24.06.2013, 19:15, insgesamt 1-mal geändert.
RAA

Re: Erhebliche Probleme mit Promotion (Jura)

Beitrag von RAA »

Hi, danke dir, Eva. Vielleicht sollt eich noch ergänzen, dass ich eigentlich immer viel Sport gemacht habe. Früher hat mir das auch sehr geholfen. Letzte Woche war ich 5 mal laufen, aber es bringt auf einmal nichts mehr. ich habe auch nicht mehr großartig Spaß daran...
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