Industrieerfahrung zwischen Diss und Post doc

[mahi]

Hallo an alle,

ich braeuchte ganz dringend Hilfe bei der Planung meiner Zukunft.
Folgendes Problem:
Ich werde demnaechst meine naturwissenschaftliche Diss abschliessen. Die Doktorarbeitszeit war recht hart und ich hatte grosse Probleme mit meinem Doktorvater. Letztendlich konnte ich dennoch ein paar ganz ordentliche Ergebnisse erziehlen, kann aber nicht darauf vertrauen dass meine Ergebnisse je veroeffentlicht werden (Das ist eine lange, lange Geschichte und hat vor allem mit meinem Doktorvater zu tun - ich bin jedenfalls nicht die einzige in unserem Labor mit diesem Problem). Mein Feld ist vergleichsweise kompetitiv, d.h. eine Doktorarbeit ohne Veroeffentlichung katapultiert einen schon ziemlich ins Aus einer wissenschaftlichen Karriere.

Ich hatte deshalb schon beschlossen mich nach der Doktorarbeit auf Stellen in der Industrie zu bewerben und habe auch demnaechst schon ein Vorstellungsgespraech bei einem grossen Unternehmen.

Allerdings macht mir das wissenschaftliche Arbeiten sehr viel Spass. Wenn meine Doktorarbeit besser gelaufen waere, wuerde ich nie und nimmer eine Industriestelle in betracht ziehen.

Inzwischen habe ich von einem befreundeten Professor allerdings eine Post-doc stelle im Ausland angeboten bekommen und jetzt schwanke ich sehr stark. Einerseits wuerde mir das Angebot privat sehr gut ins Konzept passen, da mein Freund in der selben Stadt leben wird. Andererseits kenne ich den Prof von frueheren Kollaborationen und weiss dass er sehr bemueht ist, die Karriere seiner 'Angestellten' voranzubringen, dass in seiner Gruppe ein recht gutes Arbeitsklima herrscht und dass die Gruppe recht gut publiziert. Wenn ich mich weiter fuer eine wissenschaftliche Karriere interessiere, ist das ein Traumangebot.

Jetzt schwanke ich also sehr stark und weiss nicht mehr genau was ich machen moechte. Hier waeren meine Moeglichkeiten:

1. Ich nehme eine Stelle in der Industrie an: Ich bewerbe mich in der Stadt meines Freundes und sollte es da nicht klappen auf einer Industriestelle in Deutschland.
Vorteile: besseres Gehalt, soziale Absicherung, usw. das Uebliche halt
Nachteil: bin mir mangels Erfahrung nicht sicher ob mich eine Industriestelle wirklich ausfuellt

2. Ich nehme die Post-doc stelle an.
Vorteile: ich arbeite gerne wissenschaftlich und die Stelle passt ganz hervorragend auf mich
Nachteile: wenn es mit einer wissenschaftlichen Karriere nicht klappt, dann wird es sehr schwer in die Industrie einzusteigen. Ich bin jetzt 31, nach 3 Jahren Post-doc waere ich dan 34/35 ohne Berufserfahrungen in der Industrie.

3. Meine momentan favorisierte Variante:
Ich sammle direkt nach der Disse 6 Monate Erfahrung in der Industrie. Sollte ich mich danach fuer die Post-Doc Stelle entscheiden, habe ich immerhin etwas Industrieerfahrung auf dem Lebenslauf stehen.
Vorteile: Industrieerfahrung im Lebenslauf falls es mit der wissenschaftl. Karriere nichts wird
Nachteile: ich 'verliere' mind. weitere 6 Monate

Ich wuerde allerdings gerne eine Stelle in Deutschland annehmen und (je nachdem wie es laeuft) nach 6 - 12 Monaten dann ins Ausland wechseln. Nur frage ich mich, wie mache ich das am Besten mit den Industriestellen:

Ich finde so gut wie keine Angebote fuer befristete Stellen.

Ich koennte mich fuer ein Praktikum bewerben, komme mir dabei allerdings ein bisschen komisch vor. Immerhin bin ich schon ueber 30 und anscheinend qualifiziert genug um auch auf Vorstellungsgespraeche fuer Vollzeitstellen eingeladen zu werden. Ausserdem moechte ich wirklich nicht ohne Gehalt arbeiten.

Wenn ich allerdings beim Vorstellungsgespraech sage, dass ich nur 6-12 Monate bei denen arbeiten moechte, fliegt meine Bewerbung doch direkt in den Papierkorb. Die haben doch auch keine Lust die Stelle in ein paar Monaten neu zu besetzen.

Die letzte Variante waere, einen unbefristeten Vertrag zu unterschreiben und dann nach 6-12 Monaten zu kuendigen. Ich weiss jedoch nicht wie sowas auf meinem Lebenslauf aussehen wuerde. Angenommen ich arbeite 6 Monate auf einer Industriestelle, dann 2 Jahre post-doc und dann versuche ich mich wieder auf einen Industriestelle zu bewerben. Das wuerde doch einen sehr sprunghaften Eindruck machen, oder?

Wie ihr seht, ich muss ein paar wichtige Entscheidungen treffen und bin ueber wirklich jeden Input dankbar!

[mahi]

Niemand?
Ich bin fuerchterlich unsicher ob das der richtige Weg ist und wirklich fuer alle Anregungen und Gedankengaenge dankbar.

[holladiewaldfee]

Meine persoenliche Meinung ist, dass 6 Monate Berufserfahrung und dann jahrelang raus keinen besseren Eindruck machen als gar keine Berufserfahrung (in der Industrie, meine ich). Bei zwei Jahren ist das vermutlich anders. Aber nach 6 Monaten bist Du doch gerade mal eingearbeitet! Also Moeglichkeit 3 sehe ich eindeutig als die schlechteste! Und Praktikum auch.

Was spricht gegen die Postdoc-Stelle, wenn Du die Probleme waehrend Deiner Diss groesstenteils auf das miese Verhaeltnis zum Prof zurueckfuehrst und Du schon weisst, dass das diesmal anders waere?

[mahi]

Erst mal vielen Dank fuer deine Meinung.

Gegen die Post-doc Stelle spricht meiner Meinung nach, dass die Aussicht auf eine feste Stelle in der Wissenschaft schon sehr begrenzt ist, selbst wenn es bei dem Post-doc fantastisch laufen sollte. Nur einer kleinen Anzahl von Post-Docs gelingt der Sprung in eine Juniorprofessur/Professur.

Und nachdem ich schon bei der Disse ein Loch bei denVeroeffentlichung habe, schwinden meine Chancen natuerlich noch mehr. Kurz gesagt, meine wissenschaftliche Karriere ist jetzt warscheinlich schon gelaufen, es sei denn mein Post Doc bringt fantastische Ergebnisse hervor (moeglich, aber so etwas laesst sich natuerlich nicht planen und ich moechte bei meiner Karriereplanung nicht darauf bauen).

Das bedeutet ich wuerde in 2-3 Jahren in die Industrie einsteigen, anstatt heute.

Um es kurz zu fassen: ganz rational gesehen sollte ich einfach in die Industrie gehen, mein Herz haengt allerdings an der Post-Doc Stelle.

[Aguti]

Schließe mich Holladiewaldfee völlig an: Nach 6 Monaten hast du noch nicht wirklich Berufserfahrung, sondern nur eine Stelle im Lebenslauf, die du später erklären musst. / Und nur so als Gedanke (ich weiß ja auch nicht, was für dich besser ist): Wenn du es nicht probierst, hast du erst Recht keine Chance auf eine wissenschaftliche Karriere... / Und zur Veröffentlichung: Du musst doch deine Diss veröffentlichen, um das Verfahren abzuschließen, wieso soll das nicht gehen?

[mahi]

Ich danke euch allen erst mal. Da muss ich wohl noch mal gruendlich nachdenken.

[traumwelt]

Die Entscheidung finde ich jetzt nicht so schwer.

Postdoc anfangen und schauen wie es läuft. Alles andere würdest Du für den Rest Deines Lebens bereuen. Und wenn Du nach der Doktorarbeit und einem Jhar Postdoc immernoch nicht weißt, ob Du für ene wissenschaftliche Karriere geeeignet bist, dann bist Du es auch nicht.

6 Monate Industrie und dann abbrechen sehen blöd aus und sind eher ein Nachteil als Vorteil. Man lernt zwar in den 6 Monaten recht viel, verhältnismäßig gesehen ist das jedoch immer noch nicht viel. 2 Jahre sollten es schon sein, besser 5. Hängt natürlich auch immer ein Stück weit. on der Persönlichkeit.

[basilfawlty]

Ich weiss nicht welche Forschungsecke das ist (Biologie, Chemie, Ingenieur,...) und davon hängt viel ab. In einigen Fächern ist PostDoc und Forschungsarbeit in der Industrie völlig äquivalent (Maschinenbau), in anderen völlig anders.
Ich sehe es schon so, dass unter 2 jahren in der Industrie nichts läuft. Meine Frage aber ist, was du für eine Stelle bekommst. Es ist durchaus möglich in Forschungsnahen Abteilungen zu landen, und von dort aus nochmal eine Auszeit für ein PostDoc zu machen, oder nach 2 Jahren doch noch ein Postdoc zu machen um in die Wissenschaft zu gehen, sollte doch möglich sein. Das gibt dir auch die Möglichkeit, in Ruhe aus deiner Diss noch ein paar kürzere Veröffentlichungen zu Zimmern.