Geschlechtergerechte Sprache in der Diss

Fragen aus der laufenden Arbeit an der Dissertation.
Literatursuche, Motivationsprobleme, Lehrtätigkeit, Ärger mit dem Prof u.v.m.

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Schtudinki

Beitrag von Schtudinki »

He Sebastian, da hast Du aber ein besonders hässliches Beispiel ausgewählt, um mir in den Rücken zu fallen :wink:

Ich finde Bsp. 1 auch nicht schön, aber Bsp. 2 noch viel weniger. Hier können sicher Lösungen gefunden werden. Ich führe da gerne mal wieder mein Binnen I an.

Ich kam übrigens heute zu der Erkenntniss, dass sich die Veränderung im Schreibstil sicher auch massiv am Publikum orientiert. In etlichen Geisteswissenschaftlichen Bereichen ist der Aufschrei sicher größer, weil wir mehr Mädels haben die 1. die Texte schreiben und 2. die Texte Lesen.

Da sind ausschließlich männliche Formen einfach nicht einzusehen.

Grüße,
schtudinki
Ishtar

Etwas "OffTopic", aber irgendwie doch passend...

Beitrag von Ishtar »

Hallo zusammen,

Sebastians Beispiel erinnert mich stark an "Das Leben des Brian":

Szene: Das Collosseum, Jerusalem: "Childrens Matinee"
[...]
- Ja. Ich glaube Judiths Gesichtspunkt ist sehr Stichhaltig.
Vorausgesetzt, die Bewegung vergisst niemals, dass es das
unveräußerliche Recht eines jeden Mannes ist...
- Oder Frau...
- ...oder Frau, dass er sich selbst verachtet.
- Oder sie sich selbst...
-. ..oder sie sich selbst.
- Einverstanden.
- Danke Bruder.
- Oder Schwester...
- ...oder Schwester.
- hhh. Wo war ich?
- Ich glaube, du warst fertig.
- Oh. Richtig.
- Darüberhinaus ist es das Geburtsrecht eines jeden Mannes..
- Oder Frau...
[...]

Tut mir leid, aber dieser Dialog geht mir schon seit Anfang dieser Diskussion nicht mehr aus dem Kopf... den musste ich nun einfach mal loswerden.... :D

...und um noch etwas Ernsthafteres zu der Diskussion beizutragen: ich persönlich finde die durchgängige Verwendung beider - männlicher und weiblicher (oder gar nur weiblicher) - Formen auch als Geisteswissenschaftler störend.

In diesem Sinne,

Ishtar.
Rosalita

Beitrag von Rosalita »

Hallo Sebastian,

das war wirklich ein fieses Beispiel. Aber eigentlich ein wunderbares Exempel für die Sinnhaftigkeit der -Innen- Endung (nennt man das Binnen I ?). Damit wäre der Text doch ganz gut zu lesen.

"Lehrerinnen und Lehrer" - das ist doch was für's Mündliche. Schriftlich macht man eben ein LehrerInnen daraus.

Übrigens: das Argument, das verkompliziere die Sache doch nur, lasse ich nicht gelten.
Schließlich hätten wir wahrscheinlich auch kein Arbeitslosenproblem, wenn alle Frauen Hausfrauen würden, kein Pflegeversicherungsproblem, wenn man alle Alten in einfache Hütten ohne Personal wegsperrte etc. Wollen wir das ?

Jede(r) sollte da bei sich selbst ansetzen. Auch wenn es einige lächerlich finden mögen, ich werde meine Diss geschlechtergerecht schreiben. Den Makel gleiche ich mit der Qualität der Arbeit locker aus :wink:

Sprache soll doch gesellschaftliche Realität wiedergeben, oder ? Da finde ich es weiterhin absurd, so zu tun, als gäbe es nur (männliche !) Professoren und (weibliche !)Sekretärinnen.

Viele Grüße,
Rosalita
nK

Beitrag von nK »

Rosalita hat geschrieben:Auch wenn es einige lächerlich finden mögen, ich werde meine Diss geschlechtergerecht schreiben.
Um nicht missverstanden zu werden: Lächerlich finde ich das nicht. Aber bei uns Juristen ist das einfach extrem ungewöhnlich. Und wenn mein Doktorvater bei jeder zweiten Seite die Augen rollt, weil er davon genervt ist, konzentriert er sich vermutlich nicht mehr so sehr auf meine inhaltlichen Aussagen und ist negativ gestimmt. Und das hilft doch dann auch keiner Frau weiter, oder? :wink:

Viele Grüße
Martin
Mathilda

Beitrag von Mathilda »

... und die Lösung mit dem Binnen-I ist auch nur teilweise praktikabel:

Nämlich immer dann, wenn es um den Singular geht. Dann hat man nämlich z.B. die/der KundIn oder so. Auch sehr sperrig!

Ich muss ehrlich sagen, für mich ist die männliche Form - auch wenn es wahrscheinlich prinzipiell nicht richtig ist - eine Form, die Männlein und Weiblein einschließt in unserer Sprache. Also quasi eine neutrale Form.

Mathilda
Rahel

Beitrag von Rahel »

Also, hier auch noch eine sachliche Variante. – An unserer Fakultät, phil-hum – könnte keine Diss abgegeben werden, in der Frauen oder Männer nur mitgemeint sind (auch eine einleitende Fussnote dient nicht als Entschuldigung). Mein DV würde sich daran stören. Die Sache ist sicher fachspezifisch. (Steht Lehrer, meinen wir tatsächlich nur männliche) Wir schreiben konsequent aus: also Lehrerinnen und Lehrer oder alternativ Lehrende bzw. Lehrpersonen. In Tabellen o.ä. verwende ich die Bindestrich-/Querstrichversion: also Schüler/-innen, Schulabgänger/-innen oder eben alternativ Auszubildende usw. Bindestrich und Querstrich scheint mir persönlich grammatikalisch korrekter als das Binnen-I und kann nicht falsch als "kleines L" gelesen werden.
Schtudinki

Beitrag von Schtudinki »

Und wenn mein Doktorvater bei jeder zweiten Seite die Augen rollt, weil er davon genervt ist, konzentriert er sich vermutlich nicht mehr so sehr auf meine inhaltlichen Aussagen und ist negativ gestimmt. Und das hilft doch dann auch keiner Frau weiter, oder?
Nein, absolut nicht, aber da haben wir wieder genau das, über was Rosalita (der ich im Übrigen 100% zustimme) sprach. Zu viele Professorinnen, zu wenig Engagement für diese Belange.

Und auch wenn ich hier recht vehement "für die gute Sache" :wink: eintrete, ich würde in solchen Fällen vermutlich auch aus Sorge um die Note Frauen von der Welt verbannen.

Ich kann verstehen, dass der eine oder andere von der Diskussion überrumpelt wird und die Angelegenheit für übertrieben emanzipatorisch hält. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass hier praktikable Lösungen gefunden werden müssen, denn diese Situation ist absolut unbefriedigend.

... und die Lösung mit dem Binnen-I ist auch nur teilweise praktikabel:

Nämlich immer dann, wenn es um den Singular geht. Dann hat man nämlich z.B. die/der KundIn oder so. Auch sehr sperrig!
Ach, da sind wir ein bisschen kreativ und machen analog zu den Studierenden eine oder einen "Kundierenden" draus, wahlweise analog zu bspw. Hausierer den oder die "Kundierer".
Weitere Vorschläge sind herzlich willkommen.

PS: Ishtar, der Dialog ist zum totlachen! :D
nK

Beitrag von nK »

Zum Begriff "Studierende" hier einmal die Ansicht eines sehr konservativen, wenn auch jungen Juraprofs aus München, der mal in Mannheim war und sich hier nicht gerade beliebt gemacht hatte... (http://www.zaar.uni-muenchen.de/lehre/s ... enten.html) Auf der Seite gibt es übrigens auch höchst amüsante Ausführungen zum Thema "Kommunikation mit Professoren". Da können die Philosophen mal schauen, wie (manche) Juristen so ticken ... :roll:

Studenten ... statt Studierende

Student ist unmittelbar abgeleitet vom lateinischen studere (streben nach, sich bemühen um, auf etwas aus sein). An Universitäten strebt man nach Erkenntnis, und zwar auf wissenschaftliche Weise. Wer dies tut, heißt Student. Grammatikalisch hat sich dieses Substantiv aus dem lateinischen Partizip Präsens studens, im Plural studentes entwickelt: "Fratres studentes” hießen die jüngeren Mönchsbrüder bei den Dominikanern und Franciskanern. Dazu das Grimmsche Wörterbuch, Stichwort Student. Student ist zum eigenständigen Substantiv geworden.

Nahezu jeder Hochschul-Funktionär benutzt indes das politisch korrekte "Studierende” - ohne auch nur kurz nachzudenken, welcher Blödsinn damit verbunden ist. Funktionären geht es nicht mehr um die Tätigkeit des Strebens (nach Erkenntnis und Bildung). Ihnen geht es (nur) um den Status. Nur drückt das Wort "Studierender” gerade keinen Status aus (das ist das Eingeschriebensein, der Immatrikuliertenstatus) - sondern die Tätigkeit im Partizip Präsens. Weil genus und sexus nicht auseinandergehalten werden können (weswegen der Student nicht für beide Geschlechter reichen soll) und die Doppelung "Student und Studentin” zu mühsam erscheint, wird also das Partizip zur Statusbezeichnung. Und es wird Sprache verhunzt - weil nicht mehr dasjenige gesagt werden darf, was der Sprecher ausdrücken will.

Hierzu gemessenen Tonfalls Max Goldt in: Wenn man einen weißen Anzug anhat, 2002, S. 55 unter der Rubrik Was man nicht sagt:

"Studierende: Menschen, die an einer Universität einem Studium nachgehen, heißen Studenten. Möglicherweise gibt es noch ganz vereinzelte Studiengänge, die als klassische Männerfächer gelten, z.B. an den Bergbau-Universitäten in Freiberg (Sachsen) oder Clausthal-Zellerfeld. Wenn man in diesen Ausnahmefällen darauf hinweisen möchte, daß auch Frauen dort studieren, muß man Studenten und Studentinnen sagen. Wie lächerlich der Begriff «Studierende» ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: «In der Kneipe sitzen biertrinkende Studierende.» Oder nach einem Massaker an einer Universität: «Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden.» Niemand kann gleichzeitig sterben und studieren.”

In dieser Verwendung ist das Wort "Studierende” so sinnvoll wie Klofußumpuschelungen (zu diesen: Goldt in Ä).
Schtudinki

Beitrag von Schtudinki »

Dann nehmen wir eben auch hier die "Studierer"... Meine Güte, ein bisschen mehr Flexibilität bitte :wink:

Biertrinkende Studierer dürfte doch wohl kein Problem sein. Außerdem wüsste man dann erstmal überhaupt nicht, wer oder was gemeint ist, was wiederum von der Frage nach den beteiligten Geschlechtern ablenken würde.
way_up_north

Beitrag von way_up_north »

jetzt moechte ich doch noch meine meinung kundtun: das (schein;))argument der sperrigkeit / sprachstilprobleme mit dem binnen-i habe ich schon oft gehoert und ich finde es, ehrlich gesagt, laecherlich. das ist einfach nur eine gewoehnungssache; in meinem bereich z.b. ist das binnen-i absolut ueblich und ich bin mittlerweile so sehr daran gewoehnt, dass es mir sehr auffaellt, wenn es nicht verwendet wird (oder eben die /innen-variante). das empfinde ich mittlerweile als schlechten stil! (jawohl - in der wissenschaftlichen sprache, die doch sonst soooo sehr auf exaktheit bedacht ist.)

selbst schreibe ich meine diss auf englisch (da im ausland); aber wenn ich mal nen artikel auf deutsch schreibe, bin ich sehr auf geschlechtergerechte sprache bedacht; und auch im englischen gibts da ja n paar (wenige) sachen (z.b. "she or he" ) .
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