Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

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SouLySoRc

Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von SouLySoRc »

Hallo liebe Forenmitglieder, liebe Doktoranden.

Ich stecke aktuell in einem Dilemma. So fühlt es sich zumindest an. Folgender Stand:
Es geht um eine rechtswissenschaftliche Promotion.
Ich bin im November 26 geworden.
Im September hatte ich meine letzte Klausur, das positive Ergebnis erhielt ich im Dezember.

Ich hatte mich im Oktober entschieden zu promovieren. Mittlerweile frage ich mich, ob das wirklich die richtige Wahl war oder ob ich nicht lieber ins Referendariat gehen sollte.

Folgender Hintergrund:
Ich habe bereits einen Doktorvater, die wirtschaftlichen Voraussetzungen sind gegeben, ich habe eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni; werde noch von zu hause bezuschusst. Rosige Aussichten also, was das Drumherum angeht.
Also ging es im November an die Themensuche. Hier quälte ich mich doch recht durch. Ich hatte einige Ideen, eine ganz grobe Richtung auch vorgegeben bekommen.

Ich schaffte es aber bereits in dieser frühen Phase nicht mich genug zu motivieren. Also entschied ich nach Rücksprache mit der Studienberatung einen Monat den Kopf freizubekommen um im Januar neu zu entscheiden. Also habe ich den Dezember ausgespannt und genossen so weit es ging. Im Hinterkopf hatte ich stetig das Thema Promotion ja oder nein.

Nun ist Januar und ich konnte mich nach wie vor nicht entscheiden. Eins vorweg: ich weiß, dass mir diese Entscheidung keiner abnehmen kann; ich will nur mal hören was euch so antreibt. Meint Ihr, wenn ich in dieser frühen Phase schon solche Motivationsprobleme habe, dass es in den berücktigten Schreibblockadephasen etc. überhaupt weitergehen kann? Ich habe in einem "Ratgeber" gelesen, man solle sich im Vorfeld fragen warum man promovieren will und überlegen ob dieser Grund in den schweren Phasen ausreicht.

Nun gut, Promotionsgründe..
Nen Titel ist was feines,
in der freien Wirtschaft bringt er mir neben besseren Einstellungschancen vor allem mehr Einkommen.
Allein, dass ich die Möglichkeit bekommen habe und solche guten Voraussetzungen, ich bereue es, wenn ich es nicht ernsthaft versuche.

Wie war das bei euch am Anfang? Gab es da auch schon so Probleme?!
Meint ihr es ist ein Zeichen, dass ich es lieber sein lassen sollte?

Über ein paar konstruktive Beiträge würde ich mich freuen. Es hat mir schon geholfen das alles mal nieder zu schreiben.
algol
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Re: Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von algol »

also, nur spontan eine Reaktion, als ich Deine 3 Gründe las:

Grund 1 und 2 - da geht es um den Titel.
Grund 3 da geht es um die tollen Voraussetzungen.

Der Wunsch nach dem Titel ist o.k. Aber ich denke, er ist nicht ausreichend Motivation, um eine Diss durchzuziehen. Bei einer Diplomarbeit kann man sich mal 6 Monate auf den Hintern setzen und die Sache irgendwie durchkloppen. Aber bei einer Diss bräuchte man unter den Voraussetzungen schon einen enorm eisernen Willen.

Hast Du den Spaß an wissenschaftlicher Arbeit? Texte lesen, auswerten, analysieren, selbst schreiben, ...?
Reizt es Dich, mal eine Fragestellung tiefergehend zu beantworten?
SouLySoRc

Re: Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von SouLySoRc »

Das ist wohl das Kernproblem an der Sache.

Im Rahmen des universitären Teil des Staatsexamens haben wir 4 Wochen Zeit gehabt um eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben.
Dort hatte ich ehrlich gesagt ähnliche Qualen durchlebt wie ich es aktuell tue. Dort habe ich mich aber auch enorm unter Druck gesetzt, weil ich eine top Note haben wollte.

Dieses habe ich auch mit vielen Doktoranden besprochen und diese sagten mir dann, dass es normal sei und die Diss etwas völlig anderes ist, da kein Zeit oder Notendruck herrsche. Bisher fühlt es sich aber nicht an, als sei es etwas "völlig anderes".

Das Schreiben von Texten geht mir recht leicht von der Hand, wirklich "Spaß" macht es mir aber nicht. Tiefergehende Analyse und Beantwortung von Fragestellung reizt mich schon sofern mich das Thema denn interessiert.
Einen eisernen Willen kann ich durchaus an den Tag legen - wenn ich denn von der Sache überzeugt bin.

Das steht allerdings alles immer etwas unter Vorbehalt, so 100%ig JA KLAR würde ich keiner deiner Fragen beantworten..
barbershop

Re: Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von barbershop »

Mmh, so auf den ersten Blick klingst du tatsächlich nicht besonders motiviert.... :roll:
Den Grund, dass man sich davor fürchtet, es später zu bereuen, weil man die Chance nicht genutzt hat, kann ich allerdings sehr gut nachvollziehen. Aber ob das ausreicht?

Gerade der fehlende Druck ist bei Vielen ein Problem. Was im Studium immer noch gut ging, weil man klare, von extern gesetzte Termine hatte, wird bei der komplett selbst organisierten Diss gerne zum Problem.

Natürlich kennt jeder Doktorand Motivationstiefs, Zerrissenheit, Sinnfragen usw. Aber der starke Wunsch zu promovieren (nicht: den Titel schon zu besitzen!) muss einfach stärker sein. Wenn du wissenschaftliches Arbeiten nur zeitlich begrenzt und unter Erfolgsdruck hinkriegst, ist (meine persönliche!) Einschätzung, dass du dir das Leben selbst schwer machst mit einer Diss.

Gäbe es die Möglichkeit, später zu promovieren? Vielleicht steigt die Lust auf Promotion nach einem Zeitraum "normaler" Arbeit und etwas Abstand von der Uni.

Viel Erfolg bei der Entscheidung,
Grüße! :blume:
NordJuristin
Beiträge: 1595
Registriert: 23.06.2011, 14:01
Status: am Ball

Re: Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von NordJuristin »

Es ist ziemlich schwierig unter diesen Voraussetzungen (juristisch) zu promovieren. Klar ist ein Titel eine feine Sache für die Arbeitsplatzsuche später, aber die Arbeitsweise muss zumindest phasenweise Spaß machen. In welchem Stadium befindest du dich denn jetzt? Hast du schon ein Thema? Ich fand die Themensuche war die spannendste Zeit. Aber ab dem Exposé habe ich mich schon gequält.

Ich bin zurzeit im Referendariat und mache nebenbei an meiner Diss weiter. Das Referendariat macht mir total viel Spaß und rückblickend hätte ich mir überlegen sollen, ob ich nicht lieber nach dem 2. Examen mit einem praxisrelevanten Thema promoviert hätte. Also diese Option läuft dir nicht weg! Jetzt von deinem Promotionswunsch zurückzutreten ist wirklich nicht so schlimm. Du solltest nur zusehen, dass du einen sauberen Abgang schaffst. Professoren haben oft wenig Verständnis, wenn man die Möglichkeit hat am Lehrstuhl zu arbeiten und diese dann ablehnt. Das müsste man aber hinkriegen, wenn du überzeugt bist, dass es für dich besser ist, dich in die praktischere Arbeit, das Ref, zu stürzen. Dann kannst du vielleicht am Lehrstuhl noch bis zum Ende des Semesters bleiben und lässt deinen Chef/deine Chefin nicht hängen. Evtl. erklärt sich deiner jetziger DV/deine jetzige DM bereit, dich auch nach dem 2. Examen zu betreuen. Du kannst dich dann aber sicherlich auch an einer anderen Uni auf eine Stelle als wiss Mit bewerben.

Ich kenne Leute, die nach dem 1. Examen eine Diss begonnen und dann abgebrochen haben und dann nach dem 2. Examen erfolgreich promoviert wurden. Genau so kenne ich Leute, die nie ihre Diss fertiggestellt haben. Jedenfalls solltest du wissen, dass das Diss schreiben nicht davon läuft.

Viel Erfolg bei der Entscheidungsfindung!
Be like the squirrel, girl!
Hannover123

Re: Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von Hannover123 »

hmhm, ich bin auch eher etwas skeptisch. Allein der Titel wird als Motivation für den langen vor Dir liegenden Zeitraum nicht ausreichen. Ich habe auch in Jura promoviert und kann mich NordJuristin nur anschließen. Die meisten Freunde von mir haben nach dem 2. StE promoviert und es hoch motiviert und schnell durchgezogen. Aber es gibt auch eine sehr hohe Abbrecherquote.

Ein Hinweis noch: Der höhere Verdienst mit dem Titel ist aus meiner Sicht in den letzten Jahren nicht mehr gesichert. Klar, Du kommst ggf. an Jobs ran, die ohn Dr. schwerer sind. Aber eigentlich sind gute Examina und ein LLM sogar noch mehr gefragt als ein Dr.

Ich habe einen anderen Weg gewählt: Genau aus dem Grund den Du auch angesprochen hast (Möglichkeit ja und früher nicht genutzt), habe ich nach mehreren Jahren Berufstätigkeit (bei Beginn der Diss. ca. 7 Jahre) das Ziel der Promotion noch einmal in Angriff genommen und auch neben meinem Volltagsjob durchgezogen. Und das ist eine reine Frage der Motivation und Disziplin. Die Bedingungen waren sehr viel schlechter als nach dem StE (egal ob 1. oder 2.) und ich habe es dennoch bis zum Ende durchgezogen.

Ich persönlich würde vor allem mir gut überlegen, ob ich 2 oder 3 Jahre an der Uni investieren will. Denn: als Berufserfahrung wird das nicht in der Wirtschaft oder in Kanzleien etc. gesehen. Und dennoch bist Du älter. Ich persönlich würde eher sagen, schneller durchziehen und ohne Uni-Job. Denn wirklich bringen tut der Dir nichts.

Aber wie oft: es sind persönliche Umstände, die man berücksichtigen muss, und die muss jeder selbst beurteilen.

Hast Du das 1. StE hinter Dir oder schon das 2. StE?

Viel Erfolg :-)
SirJj

Re: Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von SirJj »

Es gehört doch schon eine gewisse Freue dam wissenschaftlichen Arbeiten dazu. Ich habe mich immer darauf gefreut, wenn ich Zeit fand ungestört an der Diss zu sitzen und mich gedanklich in die Materie zu vertiefen. Ich habe meine Diss auch mit in den Vorbereitungsdienst genommen, weil ich im Rahmen meiner Mitarbeiterstelle in einem Umfang eingespannt war, der eine volle Stelle deutlich überschritt und ein zügiges Schreiben effektiv verhindert hat. Nun habe ich zwar die Diss fertig, aber in drei Monaten steht das Examen an und die Klausuren sind - da ich eben bis vor zwei Monaten noch an der Diss saß - eher bescheiden.
Ich habe es bei mehreren Kollegen erlebt, dass sie ihre Dissertationen mit in den Vorbereitungsdienst genommen haben, obwohl sie zuvor am Lehrstuhl ausreichend Gelegenheit hatten, diese zu vollenden. Wenn es jedoch an der richtigen Motivation fehlt, dann klappt es eben nicht in der vorgesehenen Zeit. Dann hängst Du hinterher so wie ich, musst abstriche im Zweiten hinnehmen und ob Deine Arbeit dann fertig oder gut ist, ist noch eine ganz andere Frage.
Mein Tipp aus der Ferne: Lass es im Augenblick und warte, bis Dich ein Thema überfällt, dass Dich nicht mehr loslässt und Dir Freude bereitet. Für eine bloße Pflichtübung ist der Aufwand von mehreren tausend Arbeitsstunden (nach dem kalender der letzten Jahre irgendwo zwischen 4- und 8tausend Stunden) zu groß und nicht mit bloßer Disziplin zu bewältigen.
SouLySoRc

Re: Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von SouLySoRc »

Hey Ihrz.
vielen Dank für die vielen Impressionen und Meinungen.
Um einige Fragen zu beantworten, die aufgekommen sind:

Ich habe aktuell das 1. Stex hinter mir. Das Stadium ist: Endphase der Themensuche. Die Gefühlslage: nach wie vor zerrissen.

Mal ein paar Gegenfragen:
Findet ihr, wenn ich mit 30 mit dem 2. Stex fertig werde und promoviert bin, sowie 2 ordentliche Staatsexamen (erste war 9,7) habe das Alter wirklich so eine große Rolle spielt?
--
Ich habe mich eigentlich immer darauf gefreut die Chance zum promovieren zu bekommen.
Ich will das ganze jetzt nicht einfach hinschmeißen, nachdem die Voraussetzungen drumherum (Finanzierung durch super Stelle gesichert, Büro & Arbeitsplatz nahstmöglich an der Quelle zur Recherche)

Wieso promoviert man denn überhaupt?
Wegen des Titels, des Ansehens, der besseren Berufschancen, der besseren Bezahlung..
Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass es soviele Promovenden gibt, die promovieren um der Nachwelt etwas zu hinterlassen oder wirklich was für die Wissenschaft zu tun. Jedenfalls in Jura.

Vielleicht ist es auch nur der innere Schweinehund, den ich aktuell nicht überwunden kriege nach der Freizeit, die ich zuletzt hatte.
Ich werde mich jetzt erst noch einmal in die Materie einarbeiten, ein anständiges Thema suchen und schauen wie freudig ich dabei vorankomme.

Bisher habe ich alles geschafft, was ich mir vorgenommen habe und das im 1. Versuch. Das Promovieren ist doch wie ich das mitbekomme auch eine schöne Zeit, wenn man nicht gerade durch die Wiss. Mit. Stelle überfordert wird. Bei mir wird dies jedenfalls nicht so sein, eher kann ich die Arbeitszeit noch zusätzlich für die Diss verwenden.

Diss mit ins Referendariat zu nehmen kommt für mich nicht in Frage. Da bleibt eins - Diss oder Examen - zwangsläufig auf der Strecke und das würde mich wohl noch mehr zermürben. Ich werde jetzt versuchen das ganze etwas lockerer zu sehen und mich einfach mal ransetzen. Wenn ich erstmal in der Materie stecke macht es mir ja vielleicht richtig Spaß :]

Kurzuzusammenfassung:
Ich werde es nun "ernsthaft" versuchen um mir hinterher nicht vorwerfen zu müssen bzw. es zu bereuen es nicht ersthaft versucht zu haben.

Ich werde euch auf dem Laufenden halten.
Laplace

Re: Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von Laplace »

Wieso promoviert man denn überhaupt?
Wegen des Titels, des Ansehens, der besseren Berufschancen, der besseren Bezahlung..
Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass es soviele Promovenden gibt, die promovieren um der Nachwelt etwas zu hinterlassen oder wirklich was für die Wissenschaft zu tun. Jedenfalls in Jura.
Wenn du es so herum formulierst, werden es wohl tatsächlich die wenigsten sein, die sich das vornehmen. Und ob sie es dann schaffen, sei auch mal dahin gestellt. Aber wenn ich hier so um Forum lese, starten viele mit der Erwartungshaltung, ein für einen selbst interessantes Thema von innen nach aussen zu stülpen und sehen es als Chance, auch etwas für sich selbst zu tun. Ob das andere interessiert, mag dann vielleicht ein zweiter Themenkomplex sein. Ob man diese Erwartungshaltung hinterher erfüllt sieht, ein dritter :D

Für mich selbst gesprochen hatte und habe ich als Ingenieur den Anspruch, zum Schluss auch etwas "praxistaugliches" zu entwickeln bzw. meinen Teil dazu beizutragen. Das hat aus verschiedenen Gründen bisher zwar längst nicht so geklappt, wie ich es mir erhofft hätte, aber irgendetwas ist davon immer noch über geblieben.

Titel, Ansehen, Geld oder "externe" (z.b. familiäre) Erwartungshaltung mögen weitere Gründe sein, die auch ihre Berechtigung haben. Mir hätten sie alleine wahrscheinlich nicht gnügt zum anfangen.
Kurzuzusammenfassung:
Ich werde es nun "ernsthaft" versuchen um mir hinterher nicht vorwerfen zu müssen bzw. es zu bereuen es nicht ersthaft versucht zu haben.

Ich werde euch auf dem Laufenden halten.
Trotz allem: Viel Erfolg! Wir sind gespannt :D
holladiewaldfee

Re: Innerlich zerrissen - wirklich promovieren?

Beitrag von holladiewaldfee »

Hei,

die anderen haben schon viel geschrieben, ich finde es eigentlich am Wichtigsten, dass es keine Entscheidung "Diss ja oder nein" sein sollte, sondern "Diss JETZT ja oder nein". Ich selbst habe nach dem Studium erst drei Jahre in der Industrie gearbeitet und mich dann aus aehnlicher Motivation wie Du (persoenlicher Ehrgeiz, aber kein uebermaessiger Spass am Forschen) bzw. aus den "falschen" Gruenden entschieden, das Thema Diss doch noch anzugehen. Jetzt bin ich nach 3,5 Jahren immer noch bei der Stange und werde es wohl auch durchziehen - aber es ist mehr Qual als Spass, motivieren tut mich eher das "Abschliessen des Projektes Diss" als das Forschen an sich. Ob ich diesen Weg nochmal gehen wuerde und es das "wert" ist - ich weiss es nicht. Kann Dir nur aus eigener Erfahrung sagen, dass der innere Schweinehund (s. auch Signatur ;-) ) noch zappeliger ist, wenn man nicht fuer sein Thema brennt.

Dennoch - viel Erfolg!
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