Prof. (Dr.) Margarita Mathiopoulos

Das Unterforum zur Diskussion um die aus fremden Textpassagen zusammengesetzten Dissertationen Prominenter.
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musicus

Prof. (Dr.) Margarita Mathiopoulos

Beitrag von musicus »

Der Fall zieht sich schon seit den 90ern hin und ist recht komplex, die Doktorarbeit stammt aus den 80ern. Vroniplag weist auf 50% der Seiten Plagiate nach, die zuständige Uni Bonn hatte im ersten Verfahren den Entzug abgelehnt, mußte aber jetzt wohl auf Druck von Vroniplag und der Öffentlichkeit erneut beraten und jetzt die Überraschung: der Promotionsausschuß spricht sich doch tatsächlich für die Aberkennung aus. Das wäre echt der Hammer! Da hätte wohl niemand mehr mit gerechnet. Ganz "hohes Tier" in Politik und Professorin an mehreren Universitäten. Hat mit dem Ehemann Friedberg Pflüger beim gleichen DV promoviert und auch aus dessen Arbeit abgeschrieben.

Bericht in der WELT.
Laplace

Re: Prof. (Dr.) Margarita Mathiopoulos

Beitrag von Laplace »

Mal ganz unabhängig von den Details des vorliegenen Falls, der doch ziemlich verworrenen ist und bei dem anscheinend viele eigenartige Dinge passiert sind, frage ich mich, warum "Doktorarbeit abschreiben" nicht "verjährt". Wenn ich im Abitur oder im Diplom betrügen würde, steht in den meisten Prüfungsordnungen, dass mir nach 5 oder 10 Jahren (die genau Zahl kenne ich aus dem Kopf nicht) niemand mehr was böses tun kann. Warum ist das bei der Dissertation nicht so? Selbst im Strafrecht gibt es - mit Ausnahme von Mord - keine einzige Bösartigkeit, die nicht irgendwann verjährt. Dissertationen abschreiben hat nun mit Strafrecht nichts zu tun, aber die Konsequenzen aus einem aberkannten Doktergrad können je nach Schwere des Delikts mit einer Veruteilung vor Gericht mithalten oder sie vielleicht übertreffen. Warum nimmt hier "Dissertation abschreiben" einen solchen Sonderstatus ein?
musicus

Re: Prof. (Dr.) Margarita Mathiopoulos

Beitrag von musicus »

Die bisherigen Fälle sind ja alle noch nicht verjährt gewesen, dies könnte der erste Fall sein, bei dem die Betroffene ihren Kopf darüber aus der Schlinge ziehen könnte. Im übrigen kann man, wenn man nahe genug an der Macht sitzt, so einiges Interessantes deichseln: ein bayerischer Finanzminister führte (lt. dieser Quelle) jahrelang einen Professor-Titel zu Unrecht (was mit Gefängnis bestraft werden kann). Kurzerhand schaffte er es, dieses bislang unberechtigte Führen durch eine Novelle des Hochschullehrergesetzes im Nachhinein zu legalisieren. Gewußt wie!

Im Fall MM ist auch das letzte Wort noch nicht gesprochen, hier könnte der Fakultätsrat der Empfehlung des Promotionsausschusses auch nicht folgen. Studenten, die in NRW künftig plagiieren, sollen ein Bußgeld bis 50.000 Euro bezahlen müssen. Professoren nicht.
musicus

Re: Prof. (Dr.) Margarita Mathiopoulos

Beitrag von musicus »

Ein interessanter Artikel mit Zusammenfassung und aktuellen Entwicklungen im Fall MM bei ZEIT online. Darin bemerkenswert finde ich, daß die Gutachter, die einst positiv über die Arbeit urteilten, heute die Veröffentlichung ihrer Gutachten verhindern wollen und als Bruch uniinterner Vertraulichkeit betrachten.

Warum kommt eigentlich nicht stärker die Forderung, daß Gutachten zur Diss grundsätzlich öffentlich gemacht werden müssen? Das fände ich einen unbedingten Schritt in Richtung Transparenz des ganzen Verfahrens.
MastaofDissasta

Re: Prof. (Dr.) Margarita Mathiopoulos

Beitrag von MastaofDissasta »

musicus hat geschrieben:Darin bemerkenswert finde ich, daß die Gutachter, die einst positiv über die Arbeit urteilten, heute die Veröffentlichung ihrer Gutachten verhindern wollen und als Bruch uniinterner Vertraulichkeit betrachten.

Warum kommt eigentlich nicht stärker die Forderung, daß Gutachten zur Diss grundsätzlich öffentlich gemacht werden müssen? Das fände ich einen unbedingten Schritt in Richtung Transparenz des ganzen Verfahrens.
Ich bin tatsächlich auch überrascht: Denn standen die Gutachten nicht schon immer auf der Internetpräsenz? Solange Frau ____. __. Mathiopoulos noch der aufstrebende Stern am Himmel der deutsch-amerikanischen Sicherheitspolitik war, hat das niemanden gestört.

Was ich aber am Fall Mathiopoulos noch überraschender/bedenklicher finde: Während Guttenberg ja schnell aufgefallen und verglüht ist und auch in der relativ kurzen Amtszeit schon manchmal als Blender wahrgenommen wurde, hält sich Frau Mathiopoulos seit Jahrzehnten in der Schnittstelle Wirtschaft/Wissenschaft. Sie hat in renommierten (vermute ich jetzt mal, bin aber keine Politikwissenschaftlerin) Journalen veröffentlicht und konstant gelehrt. Bezeichnend finde ich da die Stelle im Gutachten von Leggewie, an der sie vor dem Vorwurf "zu journalistisch" zu arbeiten in Schutz nimmt. Konnte Frau M. den Uni-Betrieb tatsächlich über einen so langen Zeitraum täuschen? Bei dem Gedanken wird mir Angst und Bange - lieber möchte ich glauben, dass sie zwar fähig, aber bequem und mit nicht zu viel Integrität ausgestattet ist.
musicus

Re: Prof. (Dr.) Margarita Mathiopoulos

Beitrag von musicus »

Und weg ist der Titel. MM wird ihren "Dr." allerdings weiter führen, solange bis ihre Klage gegen die Aberkennung rechtskräftig entschieden ist. Sie will eventl. sogar die Entscheider persönlich haftbar machen, und zwar für die durch die Aberkennung entstandene Rufschädigung. Mal sehen! Insgesamt ein erfreuliches (vorläufiges) Ende dieses undurchsichtigen Falls.

Nachtrag: Mangelnde Transparenz kann man MM hier nicht nachsagen: der gesamte Schriftverkehr zum Nachlesen auf ihrer Website.
Sebastian
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Re: Prof. (Dr.) Margarita Mathiopoulos: OVG-Termin 10. Dez.

Beitrag von Sebastian »

Nun steht in dieser Sache die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land NRW an:
10.12.2015
Sitzungssaal II
Uhrzeit: 10.15 Uhr
Aktenzeichen: 19 A 254/13 (VG Köln, 6 K 2684/12)
Prof. Dr. Mathiopoulos ./. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Die Klägerin wehrt sich dagegen, dass die Philosophische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ihr 2012 den 1986 verliehenen Doktorgrad entzogen hat, weil ihre Dissertation von Plagiaten betroffen sei.
Und gleich danach ist die Uni Bonn noch einmal dabei:
10.12.2015
Sitzungssaal II
Uhrzeit: 11.45 Uhr
Aktenzeichen: 19 A 2820/11 (VG Köln, 6 K 3445/10)
D. ./. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Entziehung eines Doktorgrades. Der Kläger war einer der Geschäftsführer des „Institut(s) für Wissenschaftsberatung“ in Bergisch Gladbach, das Promotionswilligen gegen Zahlung eines Geldbetrages eine Promotionsmöglichkeit vermittelte. Aufgrund der Zahlungen an einen Professor der Uni-versität Hannover verurteilte das Landgericht Hildesheim den Kläger wegen Bestechung in 61 Fällen. Die beklagte Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn entzog ihm darauf den Doktorgrad.
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Re: Prof. (Dr.) Margarita Mathiopoulos

Beitrag von Sebastian »

Bleibt es bei der O VG-Entscheidung, dann ist der Doktorgrad weg:
Prof. Dr. Margarita Mathiopoulos verliert Doktorgrad
10. Dezember 2015

Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn durfte der als Politikberaterin bekannt gewordenen Deutsch-Griechin Prof. Dr. Margarita Mathiopoulos den Dok­torgrad entziehen. Das hat der 19. Senat des Oberverwaltungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden.

Die Philosophische Fakultät der Universität promovierte Mathiopoulos 1986 mit ihrer Dis­ser­ta­ti­on zum Thema "Amerika: Das Experiment des Fort­schritts ‑ Ein Vergleich des politischen Denkens in den USA und Europa" zur "Dr. phil.". Schon im Septem­ber 1989 machten Fachwissenschaftler und überregionale Presseorgane der Kläge­rin öffentlich den Vorwurf, aus den Arbeiten anderer Historiker "beinahe wörtlich" ab­geschrieben zu haben. Die Fakultät setzte eine Kommission ein, die 1991 zahlreiche Textübernahmen feststellte, aber einen Täuschungsverdacht "glaubte verneinen zu müssen".

Nach erneuter Überprüfung durch die Internetplattform VroniPlag setzte die Fakultät im Juli 2011 erneut eine Kommission ein, die 327 übernommene Textstellen fest­stellte. Nur 44 davon seien bereits Gegenstand der Überprüfung von 1991 gewesen. Die Fakultät entzog daraufhin den Doktorgrad. Ihre dagegen erhobene Klage blieb beim Verwaltungsgericht Köln erfolglos.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung der Fakultät nun ebenfalls bestä­tigt. Eine Bindungswirkung aus der Überprüfung von 1991 stehe der Entziehung nicht entgegen. Damals habe die Fakultät das Verfahren schlicht eingestellt, der Klägerin aber nicht verbindlich zugesichert, von einer Entziehung auch in Zukunft abzusehen. Die Klägerin habe bei ihrer Dis­ser­ta­ti­on eine Täuschung begangen. Es sei auch ver­fassungsgemäß, dass das Hochschulrecht in NRW die Voraussetzungen für die Ent­ziehung eines Doktorgrades nicht selbst regele, sondern der akademischen Selbst­verwaltung der Hochschulen überantworte. Eine zwingend zu beachtende Entzie­hungsfrist gebe es danach nicht. Die Fakultät habe dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Selbst­korrektur wissenschaftlichen Fehl­ver­haltens ermessensfeh­lerfrei den Vorrang vor dem privaten Interesse der Klägerin gegeben, 25 Jahre nach ihrer Promotion von einer Entziehung verschont zu bleiben.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zuge­lassen.

Aktenzeichen: 19 A 254/13 (I. Instanz: VG Köln - 6 K 2684/12 -)
Quelle: Pressemitteilung des OVG NRW

Und auch der gewerbliche Promotionsvermittler ist nun kein Doktor mehr:
Promotionsvermittler verliert Doktorgrad
10. Dezember 2015

Der 19. Senat es Oberverwaltungsgerichts hat mit Urteil vom heutigen Tag entschieden, dass der Doktorgrad entzogen werden kann, wenn der Träger wissenschaftsbezogene Straftaten begangen hat.

Der Kläger war im Jahre 1981 von der Beklagten, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, zum Doktor der Erziehungswissenschaften (Dr. päd.) promoviert worden. Von 1992 an war er zunächst als Angestellter, später als Geschäftsführender Gesellschafter eines "Instituts für Wissenschaftsberatung" mit Sitz in Bergisch Gladbach tätig. Gegenstand der Tätigkeit des Instituts war im Wesentlichen die Beratung von Promotionswilligen und die Vermittlung von Promotionsmöglichkeiten gegen Zahlung eines Geldbetrages von in der Regel um 20.000 Euro. Für die Annahme und Betreuung von Promotionskandidaten zahlte das Institut Lehrstuhlinhabern verschiedener Universitäten ein Honorar, obwohl die Betreuung von Doktoranden zu deren dienstlichen Aufgaben gehörte. Aufgrund der Zahlungen an einen Professor der Leibniz Universität Hannover verurteilte das Landgericht Hildesheim den Kläger wegen Bestechung in 61 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten sowie einer Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 250 Euro. Die Beklagte entzog darauf dem Kläger den Doktorgrad. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht Köln ebenso ohne Erfolg wie nunmehr die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht. Nach Ansicht des Gerichts rechtfertigen die wissenschaftsbezogenen Straftaten des Klägers die Entziehung; die Folgen der Entscheidung für seine persönliche Situation seien hinreichend berücksichtigt worden.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Aktenzeichen: 19 A 2820/11(I. Instanz: VG Köln ­6 K 3445/10)
Quelle: PM des OVG NRW vom selben Tag.
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