Noten für die Dissertationen abschaffen?

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mezarif

Noten für die Dissertationen abschaffen?

Beitrag von mezarif »

Hallo zusammen
Ich bin eben auf folgenden Artikel gestossen, den ich hiermit gerne zur Diskussion stellen möchte:
http://www.sueddeutsche.de/karriere/kon ... -1.1189194
Da ich an einer englischen Uni promoviere, sind mir die Gedanken sehr vertraut, mit denen der deutsche Wissenschaftsrat sich gerade auseinandersetzt: Wir kennen hier weder Noten für die Dissertation noch eine vom Supervisor abhängige Bewertung der Promotion. Ich selber schätze dieses System auch sehr und halte es tatsächlich für weniger korrupierbar als jenes 'auf dem Kontinent' (um nun mal nicht nur Deutschland zu erwähnen). Es erstaunt mich insofern wenig, dass die Diskussionen darum im Rahmen der Plagiatsdebatten der letzten Monaten auf den Tisch kommen.
Aber ist es überhaupt möglich, einen "einheitlichen Status für Doktoranden zu schaffen", wie es angestrebt wird? Inwiefern haltet ihr Noten bei der Dissertation für sinnvoll oder gar notwendig? Und inwiefern muss das Streben nach einer objektiveren Bewertung auch mit einem Abschaffen der Noten einher gehen?
Wierus
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Re: Noten für die Dissertationen abschaffen?

Beitrag von Wierus »

Ich frage mich, warum die Dissertation nicht benotet werden sollte. Eine Schulaufgabe, eine Fach-, Bachelor- oder Magisterarbeit wird benotet, aber eine Dissertation nicht? Verstehe ich nicht. Das ganze Schulsystem baut auf Benotungen auf, also schafft man entweder alle Benotungen ab, oder man benotet - wie bisher - jede Abschlussarbeit. Das Problem bei Dissertationen sind ja nicht die Noten an sich, sondern nur die bisherige Benotungspraxis und die mit ihr verbundene, auffällige Häufung von "Summa" und "Magna".

Der allg. "Doktorandenstatus" ist vielleicht ein richtiger Weg. Am wichtigsten aber finde ich die längst überfällige Einrichtung von Plagiatsprüfungs-Stellen an den Universitäten selbst. Hier könnte man alle schriftlichen Arbeiten, von der Bachelorarbeit bis zur Habilitationsschrift, prüfen lassen. Allein die Existenz einer solchen Stelle dürfte an jeder Uni möglichen Versuchen des Unterschleifs einen argen Dämpfer verpassen. Anders gesagt: es müssten nicht einmal sämtliche Arbeiten eines jeden Semesters geprüft werden, nennenswerte Stichproben dürften wohl ausreichen.
Laplace

Re: Noten für die Dissertationen abschaffen?

Beitrag von Laplace »

Mir scheint, dass die Note der Diss in 90% der Fälle für den Promovierten nicht sehr wichtig ist.
Vielleicht ist das aber auch nur mein subjektiver Eindruck. Der Charme des Vorschlags "keine Note" scheint mir zu sein, dass es eine Annäherung an das Faktische wäre. Wenn sowieso fast immer nur die selben Noten vergeben werden, kann man sie auch ganz weglassen. Wenn dann noch die Möglichkeit bliebe, tatsächlich herausragende Arbeiten (das beträfe dann hoffentlich tatsächlich nur eine kleine Zahl) besonders zu würdigen, tut das sicher keinem mehr weh. Ich sehe nur die Gefahr (und mir ginge es sicher so), dass man sich mit "dem letzten Schliff" der Arbeit weniger Mühe geben würde - die Note ist mir jedenfalls dann doch nur fast egal, wenigstens ein "gut" sollte es dann doch sein. Ab "gut" bin ich dann wirklich wieder völlig uneitel, nur eine "schlechte" Note will ich auf gar keinen Fall haben, aber "schlechte" Noten gäbe es dann plötzlich nicht mehr.
algol
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Re: Noten für die Dissertationen abschaffen?

Beitrag von algol »

Mir ist so, als wenn es bei Habilitationen keine Noten gibt, oder verwechsel ich das?
Thales

Re: Noten für die Dissertationen abschaffen?

Beitrag von Thales »

Hallo,

ich hatte mir in Ausschnitten die Vorschläge des Wissenschaftsrates angeschaut.
Ich muss sagen, ich finde den Vorschlag nur noch Bewertungen in "mit Auszeichnung bestanden", "bestanden" und "nicht bestanden" zu vergeben eigentlich einen guten Ansatz. Auf jeden Fall besser als jetzt auf einmal zu fordern, die volle Notenskala auszunutzen. Wie der Wissenschaftsrat mMn nicht ganz unbegründet annimmt, werden Kandidaten, die eher die untere Notenskala besetzten würden oder auch nicht bestehen, zu einem Großteil vorher aussortiert, sei es in dem sie gar nicht angenommen werden, die Arbeit nicht beenden o.ä.. Bei guter Betreuung (die nicht immer selbsverständlich ist), sind die größten Stolpersteine doch schon vorher durch Diskussion ausgeräumt, oder?
Die Bewertung halte ich jedoch auch dahin gehend für schwierig, dass der Professor der den Doktoranden betreut auch bewertet. Ein Durchfallen würde auch ein gewissen Gesichtverlust bedeuten. Auf der anderen Seite besteht (leider) die Gefahr, dass bei einer Bewertung von Dissertationen durch Professoren die nicht in die Betreuung eingebunden waren, Konkurenz zwischen den Professoren auf dem Rücken der Doktoranden ausgetragen werden. Auch eine Anonymisierung würde hier nicht helfen, man kennt ja seine Pappenheimer, sprich man weiß ja wer an was forscht. Daher sehe ich in der Bewertung von Dissertationen wirklich ein schwieriges Thema.

Gruß

Thales
Wierus
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Re: Noten für die Dissertationen abschaffen?

Beitrag von Wierus »

algol hat geschrieben:Mir ist so, als wenn es bei Habilitationen keine Noten gibt, oder verwechsel ich das?
Ok, mein Fehler: die Habilitationsschrift ist keine Abschlussarbeit im eigentlichen Sinne. Zumindest erlangt man mit ihr keinen akademischen Grad. :wink:
Thales hat geschrieben:Auf der anderen Seite besteht (leider) die Gefahr, dass bei einer Bewertung von Dissertationen durch Professoren die nicht in die Betreuung eingebunden waren, Konkurenz zwischen den Professoren auf dem Rücken der Doktoranden ausgetragen werden. Auch eine Anonymisierung würde hier nicht helfen, man kennt ja seine Pappenheimer, sprich man weiß ja wer an was forscht. Daher sehe ich in der Bewertung von Dissertationen wirklich ein schwieriges Thema.
Guter Punkt. Und ja: das wird schwierig, hier eine Lösung zu finden! Aber ich denke mal, die Lösung bahnt sich mittlerweile schon an: überall werden Graduiertenschulen und strukturierte Promotionsprogramme aus dem Boden gestampft. "Verschulung" heißt die momentane Losung, um alle Fragen schnell und einfach vom Tisch zu räumen.

Ansonsten kann ich über dieses Traraa um die Promotion nur den Kopf schütteln. Die gängigen Universitätsabschlüsse Dipl./M.A./Master verlieren weiterhin an Wert, den B.A. will immer noch keiner so recht für voll nehmen, ebenso wird die Habilitation schon seit längerem immer unbedeutender. Alles dreht sich nur noch um die Promotion. Ich glaube, das hängt mit einem tieferliegenden, strukturellen Problem des Bildungssystems zusammen. Und hinzu kommt: der Dr.-Titel ist im Grunde genommen der Adelstitel des bürgerlichen Zeitalters, ihn wollen viele haben, egal mit welchen Mitteln.

Ich würde mir wünschen, dass man auch den "Prof." zu einem akademischen Abschluss und ggf. Titel machen würde. Viel wichtiger wäre aber, dass man insgesamt den Druck und die überhöhten Erwartungen vom "Dr." nehmen (Stichwort: "Juniorprofessur") und ihn endlich als das ansehen sollte, was er doch eigentlich ist: ein häufig erworbener akademischer Abschluss - nicht mehr und nicht weniger.
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