Initiativbewerbung Lehrauftrag

Themen, die nicht direkt mit der Doktorarbeit zu tun haben, aber dennoch hier diskutiert werden.
Mathilda

Re: Initiativbewerbung Lehrauftrag

Beitrag von Mathilda »

Jochen hat geschrieben: Das ist an sich die Regel. Mich wundert es in meinem Umfeld aber manchmal, wie viele Doktoranden immer noch Geld erwarten für ein Seminar, obwohl es das schon seit Jahren nicht mehr gibt. Überlege dir, ob du es dir finanziell leisten kannst.
Bitte?! Also, ich wundere mich wirklich, wie Du zu diesen Pauschalaussagen kommst. Ganz unbescheiden behaupte ich mal, dass ich doch ziemlich viel Einblick in das Uni-Leben habe, und unbezahlte Lehraufträge sind absolut NICHT die Regel. Wahrscheinlich meinst Du in der Tat das Lehrdeputat, also das, was in der Stelle eines WMA als Lehrverpflichtung besteht - das gehört zu den Aufgaben eines WMA und ist daher durch das Gehalt abgegolten. Sicher variiert es von Fach zu Fach, und je "überlaufener" ein Fach ist, desto geringer vermutlich der Verhandlungsspielraum, und in ganz verzweifelten Situationen mag man sich sogar kostenlos anbieten (oje) - aber die Regel und irgendwie "normal" sind unbezahlte Lehraufträge nicht.
Meines Wissens nach gibt es da sogar Standardvergütungen, die davon abhängen, was man an Erfahrung/Kompetenzen so mitbringt als Lehrbeauftragter.
Habe übrigens auch noch neben der WMA-Stelle einen Lehrauftrag an einer anderen Hochschule gehabt und weiß daher sehr genau, dass ich dafür bezahlt wurde...
MastaofDissasta

Re: Initiativbewerbung Lehrauftrag

Beitrag von MastaofDissasta »

Taavi hat geschrieben: Aber das klingt jetzt so, als ob es vollkommen abwegig wäre, für eine Leistung die man erbringt, eine Bezahlung zu erwarten. Nenn es naiv, aber wie soll man Lehrerfahrung sammeln und sich während der Promotion finanzieren, wenn man seine Arbeit nicht vergütet bekommt? An unbezahlte Praktika während des Studiums hat man sich ja schon fast gewöhnt, aber soll das jetzt nach dem Studium auch noch so weitergehen?
Yepp, aber: Wir sind nicht ganz unschuldig dran. Denn wer hält den Gratis-Lehrveranstaltungen (und, sorry, macht damit die Preise kaputt!)? Die Bereitschaft zur Selbstausbeutung unter angehenden Wissenschaftlern ist unglaublich. Keine Stellenausschreibung kann so dreist sein, als dass sich nicht doch noch eine bewerben würde ("halbe Stelle, befristet auf ein Jahr, bitte erstklassig promoviert"). Und dann, fast wie die verdroschene Ehefrau, die den schlägernden Gatten auch immer in Schutz nimmt, diese ständigen Rechtfertigungsversuche vor uns selbst ("Ich hab zwar das ganze WE durcharbeiten müssen, aber dafür kann ich dann montags später kommen und ein bißchen was an meiner Diss machen..."). Kein Märchen von irgendeinem Sachzwang, das wir nicht bereitwillig glauben. Leutz, fangt doch mal zu rechnen: So ein Lehrauftrag kostet die Uni in der Regel sechs- bis siebenhundert Euro pro Semester, brutto wie netto. Habt ihr eine Ahnung, wie viel teurer der angestellte, sozialversicherungspflichtige MA wäre? Die Unis nutzen mal wieder eine Regelung schamlos aus, die eigentlich dazu gedacht war, Praktiker an die Uni zu holen - und wir halten so wenig von unserer Arbeit, dass wir meinen, noch nicht mal das zu verdienen, was ein sowieso gut verdiender Ingenieur ohne wissenschaftlichen Hintergrund und didaktischer Erfahrung bekommen müsste.
Taavi

Re: Initiativbewerbung Lehrauftrag

Beitrag von Taavi »

MastaofDissasta hat geschrieben:Die Unis nutzen mal wieder eine Regelung schamlos aus, die eigentlich dazu gedacht war, Praktiker an die Uni zu holen - und wir halten so wenig von unserer Arbeit, dass wir meinen, noch nicht mal das zu verdienen, was ein sowieso gut verdiender Ingenieur ohne wissenschaftlichen Hintergrund und didaktischer Erfahrung bekommen müsste.
Ja, das stimmt in vielen Fällen leider. Aber was soll man machen? Erst langsam formieren sich erste Interessenvertretungen an den Unis, um ihren Doktoranden eine Stimme zu geben. Und bis dahin wird wohl jeder, der Lehrerfahrungen sammeln möchte/muss, sich mit den Bedingungen arrangieren müssen, so bitter das auch sein mag. Wobei ich persönlich für mich beschlossen habe, mich auf keinen Fall auf dreiste Stellenagebote zu bewerben, à la "Gesucht wird [...], mit Promotion abgeschlossenes Studium, Vollzeit, befristet auf sechs Monate, Vergütung 400,- monatlich" :evil: Geht's noch?
Dr. Natalie Struve

Re: Initiativbewerbung Lehrauftrag

Beitrag von Dr. Natalie Struve »

Taavi hat geschrieben: Aber was soll man machen? Erst langsam formieren sich erste Interessenvertretungen an den Unis, um ihren Doktoranden eine Stimme zu geben. Und bis dahin wird wohl jeder, der Lehrerfahrungen sammeln möchte/muss, sich mit den Bedingungen arrangieren müssen, so bitter das auch sein mag.
Wenn man sich selbst und die eigene Leistung für so wert-los hält, daß man quasi alles mitmacht, kann man dann jemals Respekt (und angemessene Entlohung) dafür erwarten? Was einige Unis insofern treiben, grenzt auch nach Aussagen von Juraprofessoren schon an strafbaren Lohnwucher. Und man kann immer nein sagen! Genau darauf wird doch spekuliert, daß man diese Option nicht sieht. Bist Du sicher, daß Du wirklich gute Lehre abliefern würdest? Dann darfst Du auch erwarten, entsprechend behandelt zu werden. Und manches Mal wundert man sich, daß gerade diese Einstellung, eben nicht um jeden Preis zuzusagen, auf der anderen Seite deutliches Entgegenkommen bewirkt...
MastaofDissasta

Re: Initiativbewerbung Lehrauftrag

Beitrag von MastaofDissasta »

Taavi hat geschrieben:Ja, das stimmt in vielen Fällen leider. Aber was soll man machen? Erst langsam formieren sich erste Interessenvertretungen an den Unis, um ihren Doktoranden eine Stimme zu geben. Und bis dahin wird wohl jeder, der Lehrerfahrungen sammeln möchte/muss, sich mit den Bedingungen arrangieren müssen, so bitter das auch sein mag.
Jein. Denn: Wenn du erstmal gratis gelehrt hast, dann gibt es kein Zurück mehr und im Zweifelsfall stellt man sich dann schlechter als ohne Lehrerfahrung. Es gibt eine Reihe von Dingen, die sich im Lebenslauf besser machen (Publikation sticht Lehrerfahrung, für FH-Professuren sticht die Praxis alles andere), man sollte also die Opportunitätskosten im Auge behalten.

Ich kann da nur aus meiner Warte erzählen: Ich bin vor etwa einem halben Jahr hier aufgeschlagen mit dem ganz großen Frust wegen der Uni-Arbeitsbedingungen. Nachdem ich mich ausgeheult hatte, habe ich beschlossen, dass ich es mir mindestens wert sein sollte, von dem Kakao, durch den man mich zieht, nicht auch noch zu trinken. In der Konsequenzen habe ich einfach aufgehört, so zu tun, als wäre das alles vollkommen akzeptabel, als könnte der arme Uni-Betrieb gar nicht anders und als hätte ich es nicht besser verdient. Ich bin sicher eine wesentlich anstrengendere Mitarbeiterin geworden, weil ich beim Unterschreiben des x-ten befristeten Vertrags in der Uni-Verwaltung nicht vor Dankbarkeit vom Stuhl kippe, die Verlängerung noch zu bekommen, sondern ziemlich deutlich sage, dass hier gerade die sowieso schon sehr liberalen Regelungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetz noch ein bißchen gedehnt werden sollen. Mein Chef nennt mich seitdem "die Gewerkschaft" (und hat meine Stelle aufgestockt und mir für dieses Semester zwei BEZAHLTE Lehraufträge gegeben, obwohl einer durch das Deputat abgedeckt wäre :mrgreen: ) und hin und wieder denke ich mir, dass ihm irgendwann auffallen wird, dass es für's gleiche Geld auch bequemere Mitarbeiter gibt. Aber ich fühle mich wesentlich, wesentlich besser und mir ist klar, wie sehr ich zu den Bedingungen selbst beitrage, weil ich z.B. an Projektplanungen beteiligt bin und dann energisch einschreite und verhindere, dass unterfinanzierte Projekte beantragt werden, die dann ein anderer MA ausbaden muss.

Aber sowas bringt nur etwas, wenn wir uns kollektiv ein paar Standards angewöhnen und einer davon sollte sein: Unsere Arbeit ist gut und gute Arbeit kostet Geld. Wenn die mal zwei Semester ihr Vorlesungsverzeichnis nicht voll gekriegt haben, wird denen klar sein, dass man den wissenschaftlichen Nachwuchs nicht auch um die paar Kröten, die Lehrbeauftragte kosten (mal ehrlich, ich krieg' in der "echten Welt" für Seminare das Vierfache von dem an der Uni!) betuppern sollte. Und jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um damit anzufangen, denn: Doppelte Abitur-Jahrgänge. :mgreen:

Bevor ihr vor Mitleid mit den armen Universitäten (und immer auch mit den armen, armen Lehrstuhlinhabern) zerfliesst: Die Mittel fließen teilweise pro Student, die kriegen also Extra-Kohle für doe starken Jahrgänge!
Taavi

Re: Initiativbewerbung Lehrauftrag

Beitrag von Taavi »

Stimme euch beiden Vorredner absolut zu. Ich meinte auch nicht, dass man alles hinnehmen soll und die Uni dafür auch noch in Schutz nehmen sollte. Aber ich denke, dass viele sich doch eher sagen: Ein schlecht bezahlter Lehrauftrag ist besser als kein Lehrauftrag wenn man darauf angewiesen ist. Natürlich gibt es oft besser bezahlte Jobs außerhalb der Uni. Aber was macht sich nach der Promotion besser im Lebenslauf: Ein (hoffentlich einzelner) nicht so gut bezahlter Lehrauftrag oder der Job bei irgendeiner Arbeitsstelle, die absolut nix mit dem Studium/späteren Arbeitsbereich zu tun hat? Rein rhetorisch gefragt.
MastaofDissasta

Re: Initiativbewerbung Lehrauftrag

Beitrag von MastaofDissasta »

Kommt natürlich darauf an, was du willst. Wenn du in die Wissenschaft willst, schadet Lehrerfahrung nicht. Die Lehrerfahrung wird aber gerne mit etwas zwielichtigen Absichten bemüht, denn Lehrstuhlinhaber bauen darauf, dass der ambitionierte Nachwuchs schon springen wird, wenn er glaubt, sich damit Chancen zu eröffnen. In den Berufungsverfahren später ist die Lehrerfahrung aber überraschend nebensächlich. Du solltest ein guter Rhetoriker sein, denn selbst in der Probe-LV will niemand wirklich Didaktik sehen. Und da konkurriert die Lehre halt stark mit anderen Sachen, die sich im Lebenslauf gut machen: Kongressteilnahmen, Publikationen etc.

Wenn man also für die Lehre bezahlt wird, dann kann man das schon mal machen. In meinem Fall ist es so, dass ich die LVs teilweise zum 5. Mal mache, also nix mehr vorbereiten muss und dann ist es ein akzeptabler Job. Wenn es aber für die Lehre nur einen feuchten Händedruck gibt (und ich meine jetzt nicht die Fälle, in denen es ein Lehrdeputat gibt oder die Graduate School eine LV vorsieht), dann sollte man nicht dem Gewäsch aufsitzen, dass dich die Lehre auf den den Lehrstuhl bringt. Man muss sich doch nur mal die grottigen didaktischen Fähigkeiten von Lehrstuhlinhabern vergegenwärtigen, um zu wissen, dass es das nicht sein kann.

Mein Vorschlag: Biete Lehre an, setz' dir aber selbst den Standard, dass du dafür bezahlt werden willst. Du bist eh' sehr günstig. Wenn nicht in diesem Semester, dann im nächsten. Denn nur dann ist es tatsächlich ein Schritt in deinen späteren Beruf - den willst du ja auch nicht machen, weil sich das "wiss. MA" auf der Steuererklärung so schön liest, sondern weil du damit deine Miete bezahlen willst.
myfunnyvalentine

Re: Initiativbewerbung Lehrauftrag

Beitrag von myfunnyvalentine »

Stimme dem MastaofDissasta zu :) Trotzdem zwei kleine Einschränkungen:
MastaofDissasta hat geschrieben: In den Berufungsverfahren später ist die Lehrerfahrung aber überraschend nebensächlich. Du solltest ein guter Rhetoriker sein, denn selbst in der Probe-LV will niemand wirklich Didaktik sehen. […] Man muss sich doch nur mal die grottigen didaktischen Fähigkeiten von Lehrstuhlinhabern vergegenwärtigen, um zu wissen, dass es das nicht sein kann.
Es gibt aber ja noch eine Phase zwischen der Promotion und dem Ruf auf eine Professur – und hier, zumindest in meinem Fachgebiet – ist Lehrerfahrung sehr wichtig.

Aus dem Grund, dass viele alte Profs keine guten Lehrer sind, wird ja jetzt bei Verfahren viel mehr Gewicht auf die didaktische Kompetenz gelegt. Bei uns gibt es eigentlich keine Berufungsverfahren mehr, die ohne Lehrprobe auskommen.

:coffee:
MastaofDissasta

Re: Initiativbewerbung Lehrauftrag

Beitrag von MastaofDissasta »

Die MofD wiederrum stimmt ihrerseits dir zu. :D

Die Lehrerfahrung wird - gott sei Dank - immer wichtiger. Aber: Lehre kostet Zeit und Nerven und wenn man noch nicht mal dafür bezahlt wird, dann lohnt es sich schon, die Zeit eher für alternative Lebenslauf-Goodies zu nutzen und lieber an der Publikationsliste zu schrauben oder -noch besser- eigeninitiativ Drittmittel beantragt zu haben. Manche Unis haben schon so kleine Fördertöpfe für Doktoranden, wo man das Geld für eine Summer School, für einen Laboraufenthalt im Ausland oder für eine Extra-Runde Interviews beantragen kann.
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