Plagiat - Paraphrasen?

Fragen aus der laufenden Arbeit an der Dissertation.
Literatursuche, Motivationsprobleme, Lehrtätigkeit, Ärger mit dem Prof u.v.m.
fränzy

Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von fränzy »

Lieber Forumsgemeinschaft,

ich bin neu hier, habe schon einmal mit einer Promotion angefangen, musste dann aber aus beruflichen Gründen aufhören.

Ich wende mich jetzt mit einem anderen Anliegen an euch. 2006 reichte ich meine Diplomarbeit ein - sie wurde mit sehr gut bewertet. Sie entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts, unter anderem war ein Doktorand maßgeblich beteiligt. EIne Woche nach meiner Abgabe, äußerte diese Person, dass sie das Recht der ersten Nacht habe. Damals machte ich mir über diese Worte keine Gedanken. Drei Jahre später bekam ich seine Disseration per Post zugesandt. In der Durchschau stellte ich fest, dass weite Teile seiner Arbeit meiner Arbeit sehr ähnlich waren. Unter anderen hat er die Gliederung, samt Überschriften dreier Kapitel übernommen. Leichte Änderungen inklusive. Auch der Theorieteil seiner Arbeit ist meiner Arbeit ähnlich, seitenweise finde ich Paraphrasen, ohne dass diese kenntlich gemacht wurden. Der Verfasser hat z.B. Wort verändert bzw. Füllwörter weggelassen. Einige, aber wenige, Sätze sind identisch. Ich muss sagen, dass sich auch eigene Gedanken finden lassen und er meine selbsterhobenen Daten korrekt gekennzeichnet hat und er auch selbst einen eigenen empirischen Teil verfasst hat.

Meine Frage: ist das rechtens? Zweite Frage: sollte ich etwas unternehmen? Dritte Frage: bekomme ich Probleme, wenn ich meine Arbeit ggf. als Grundlage für meine eigene Dissertation verwenden möchte? Vierte Frage: WIe kann ich ggf. vorgehen?

Es handelt sich bei beiden Arbeiten um empirische Studien im Bereich Schule/Erziehungswissenschaft.

Danke
Wierus
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Re: Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von Wierus »

In dem Fall würde ich tatsächlich sagen, dass das kein Plagiat ist. Der Betreffende hat selbst einen Gutteil zu dem Projekt beigetragen und kennzeichnet ordnungsgemäß die von ihm verwerteten Stellen. Also ich würde das auf sich beruhen lassen, vor allem wenn sein Schwerpunkt nicht auf deinen Ausführungen liegt.
fränzy

Re: Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von fränzy »

Das Problem dabei ist, dass er eben nicht an meinem Theorieteil mitgewirkt hat. Wir haben beide unsere Datenerhebung/Auswertung selbstständig gemacht. Diese Daten sind korrekt gekennzeichnet.

Es geht, wenn überhaupt, um die theoretischen Grundlagen meiner Arbeit (insgesamt 4 Kapitel), die er eben nicht gekennzeichnet, wohl aber paraphrasiert hat. Ich bin selbst aber echt unschlüssig, vielleicht ist das ja auch normal, dass es so läuft

danke für deine einschätzung!
Laplace

Re: Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von Laplace »

Hast du denn in deinem Theorieteil auch wieder aus anderen Lehrbüchern (schon lange bekannte) Theorie zusammengesetzt und entsprechend die für deine Arbeit wichtigen Teile herausextrahiert, oder hast du tatsächlich "neue" Theorie entwickelt? Was für ein Umfang sind denn 4 Kapitel?
musicus

Re: Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von musicus »

Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, daß man nicht einfach den Text von jemandem anderen nehmen kann und (durch das Unterlassen der direkten oder indirekten Zitation) dann suggeriert, man hätte diese z.B. Zusammenfassung einer Theorie selbst erstellt. Noch dazu mit Ansage (Recht der ersten Nacht, ich glaub ich spinne!) :roll:
BertaFrieda

Re: Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von BertaFrieda »

Hallo,
Hast du denn in deinem Theorieteil auch wieder aus anderen Lehrbüchern (schon lange bekannte) Theorie zusammengesetzt und entsprechend die für deine Arbeit wichtigen Teile herausextrahiert, oder hast du tatsächlich "neue" Theorie entwickelt? Was für ein Umfang sind denn 4 Kapitel?
Das spielt doch keine Rolle. Es ist schlicht und einfach falsch, anderer Leute Texte zu übernehmen. Es geht nicht nur darum, "neue" Ergebnisse zu schützen, sondern es geht darum, dass das Abschreiben prinzipiell nicht in Ordnung ist.
In dem Fall würde ich tatsächlich sagen, dass das kein Plagiat ist. Der Betreffende hat selbst einen Gutteil zu dem Projekt beigetragen und kennzeichnet ordnungsgemäß die von ihm verwerteten Stellen.
Ich verstehe das nicht und kann es mir auch überhaupt nicht erklären - wie kann denn ein Doktorand die Arbeit eines Diplomanden für sich selbst beanspruchen?

Wenn ich jetzt beispielsweise einem meiner Seminarteilnehmer eine Hilfestellung beim Schreiben einer Hausarbeit geben würde, indem ich einen Literaturvorschlag machte und dann vielleicht eine Methode etwa für die Analyse eines Dokuments oder Interviews vorschlüge - was wäre denn dann mein Beitrag an der Arbeit? Dadurch bekäme ich doch kein Recht, einfach seine Hausarbeit für meine Diss zu nutzen? Ich kann doch nicht sagen: Ach, der hat die und die Grundlagen so gut zusammengefasst, da übernehme ich das einfach. Auch das Referieren (und diskutieren, gegenüberstellen, analysieren) von vorhandenem Wissen ist doch eine Leistung! Und das weiß jeder - sonst wäre es ja üblich, vor Beginn einer längeren Arbeit eine Fußnote zu setzen und in dieser öffentlich und ohne Scham zu bekennen: "Die folgenden vier Kapitel habe ich direkt und ohne große Änderungen aus der von xy erstellten und von mir betreuten Diplomarbeit (Titel, Jahr) übernommen."

In der Erziehungswissenschaft zumindest (und in den anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die ich überblicken kann), ist ein solches Verfahren nicht gängig; und es verwundert mich immer wieder, dass es offensichtlich Fachbereiche gibt, die da weniger sensibel mit umgehen.

@Fränzy: Willst du an derselben Universität (womöglich noch im selben Arbeitsbereich) auch promovieren und/oder in diesem Bereich noch eine wissenschaftliche Karriere machen? Das könnte, denke ich, den Schritt schwerer machen, mit deinem Vorwurf an die Öffentlichkeit gehen.

Dennoch und auch wenn es sehr viel Mut erfordert (und ich im Moment nicht wüsste, wie ich selbst reagieren würde), halte ich es für richtig, sich zu wehren.

Ist das Promotionsvorhaben des Doktoranden schon abgeschlossen? Könntest du dich mit deinen Zweifeln (und eventuell einer direkten Gegenüberstellung deiner Diplomarbeit) an die Fakultät wenden? Vielleicht kannst du dich an der Universität, an der du dein Diplom geschrieben hast, an einen Ombudsmann für wissenschaftliches Arbeiten wenden? Ist der/die Betreuuer/in deiner Diplomarbeit auch der Gutachter der Dissertation - dann müsste doch auch ihm oder ihr die Übereinstimmung aufgefallen sein?

Ach,
das ganze ist sehr schwierig, und ich rege mich immer mehr über manche Gepflogenheiten in der Forschung auf. Total ätzend.

Viel Mut wünscht:
BertaFrieda.
Wierus
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Re: Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von Wierus »

BertaFrieda hat geschrieben:In der Erziehungswissenschaft zumindest (und in den anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die ich überblicken kann), ist ein solches Verfahren nicht gängig; und es verwundert mich immer wieder, dass es offensichtlich Fachbereiche gibt, die da weniger sensibel mit umgehen.
Unüblich ist das schon, nur hatte ich das in dem Fall so verstanden, dass beide 'Parteien' Teil eines Projektes waren und am Ende nicht ganz sicher war bzw. ist, wer was beigetragen hat. Mit "Recht der ersten Nacht" (tatsächlich eine etwas seltsame Aussage) wäre wohl gemeint, dass der Betreffende sich selbst als den eigentlichen Urheber sieht, von wegen: Ja du darfst das schon verwerten, aber letztlich ist das meins! Vielleicht hätte sie den genauen Sinn dieser Bemerkung sofort ansprechen sollen.
fränzy

Re: Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von fränzy »

Guten Morgen zusammen,

wie gesagt, es handelt sich bei den beiden Arbeiten um Arbeiten im Bereich Erziehungswissenschaft. Und nein, ich habe im theoretischen Teil keine eigene Theorie entwickelt, sondern den Stand der Forschung bezogen auf meine Fragestellung dargestellt. Ich habe also Studien recherchiert, diese strukturiert und eine Gliederung erstellt. Schlussendlich waren dies die besagten vier Kapitel. Kapitel 5 umfasste dann mein forscherisches Vorgehen - auch hier hat der Doktor abgekupfert. Kapitel 6 umfassten meine eigenen Daten und die Auswertung derer. Diese Daten hat er gekennzeichnet, allerdings hat er einzelne Ergebnisse aus dem Zusamménhang gerissen, um seine eigene Theorie zu stützen. Das ist wissenschaftlich zwar unsauber, aber damit kann und muss ich wohl leben. Schwer fällt mir nur, dass er wie gesagt, die ersten Kapitel mit wenigen Ergänzungen und leichten Umformulieren in seine Arbeit integriert hat und so präsentiert, als habe er die Arbeit des Literaturstudiums und die Strukturierung selbst vorgenommen.

Ich weiß noch nicht, ob ich noch promovieren möchte, ausschließen möchte ich es nicht. Ich habe es in den letzten Jahren immer wieder ins Auge gefasst, habe allerdings habe ich eine Vollzeitstelle und in den letzten Jahren noch meine Therapieausbildung abgeschlossen (und ein Kleinkind zu Hause). Wenn dann, möchte ich an der selben Hochschule promovieren. Gehe ich also zum Ombusman, dann bin ich der Nestbeschmutzer. Ich habe aber wirklich schon drüber nachgedacht, es zu tun. Ich lasse mich nicht gerne über den Tisch ziehen. Zumal ich den Eindruck hatte, dass dies vom Doktorand von vorneherein so geplant war. Er hat sich gezielt eine Studierende gesucht, die leistungsbereit ist und wo er wusste, dass die Arbeit verwertbar sein wird.
fränzy

Re: Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von fränzy »

Außerdem hat er mich vermutlich noch bestochen, denn ich habe meine aktuelle Stelle aufgrund seiner Intervention b ekommen. (Behalten habe ich sie wegen guter Arbeit, ich bin fest im Sattel). Nur vergessen habe ich das nicht. Dabei spielt auch dankbarkeit eine Rolle. Wie kann ich den Mann dann nur ruinieren, da hängt ja die Karriere dran. Ich glaube, dass er zum Glück, keine wirklichen Kontakte in meine Schule hat.
Der Stachel sitzt echt tief.

Eine wissenschaftliche Karriere plane ich nicht, ich bin zufrieden in der Praxis, bin aber nicht ganz ausgelastet und habe großes Interesse an empirischer Forschung im Bildungsbereich. Ich würde also im Prinzip für mich und innerhalb meines Arbeitsbereichs promovieren (Bereich Schüler mit sonderpäd. Förderbedarf im Beruflichem Schulwesen/BVJ/VAB). Ich würde, wenn es soweit wäre, gerne meine Diplomarbeit einbeziehen bzw. den Fokus erweitern, was lt. einem potenziellen Doktorvater auch ginge. Allerdings hat dann ja leider ein andere meine Arbeit verwendet. (Veröffentlicht habe ich es aber vorher :) )

ach, der Doktor hatte summa cum laude. Promotion ist also abgeschlossen. 2009 oder so. Die vier Kapitel machen in seiner Schrift knapp die Hälfte aus, davon hat er grob geschätzt, 2/3 von mir. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der Rest wirklich von ihm ist. Der Rest ist jedenfalls nicht von mir ;)
Anne123
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Re: Plagiat - Paraphrasen?

Beitrag von Anne123 »

Unwissenschaftlich gesprochen: Das ist unfassbar dreist und nicht einfach so hinzunehmen. Damit rechnet der doch!Wer weiß, wie er Dich als Frau einschätzt ("ach, das ist so eine, die nie was sagt". Irgendeine Lektion sollte er schon bekommen, sorry.
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